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Private Equity nutzt Krise für ausgiebige Einkaufstour

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.6.2020 Rund um den Erdball hat sich das Volumen der M&A-Deals 2020 bis dato halbiert. Doch es gibt einige mutige Private-Equity-Fonds aus den USA, die sich nicht davon abschrecken lassen, dass der...

Private Equity nutzt Krise für ausgiebige Einkaufstour

Von Christoph Ruhkamp, FrankfurtRund um den Erdball hat sich das Volumen der M&A-Deals 2020 bis dato halbiert. Doch es gibt einige mutige Private-Equity-Fonds aus den USA, die sich nicht davon abschrecken lassen, dass der Welt die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression bevorsteht. Im Gegenteil: Sie nutzen die Unsicherheit darüber, wie die Krise ganze Branchen neu ordnen wird, und die Liquiditätsnot angeschlagener Unternehmen für günstige Zukäufe.Den Konkurrenten weit voraus geht KKR seit drei Monaten voll ins Risiko – in Europa angeführt von Top-Dealmaker Johannes Huth. Sein jüngster Coup: Die Übernahme des niederländischen Ferienparkbetreibers Roompot für 1 Mrd. Euro vom Pariser Private-Equity-Investor PAI Partners. Überall auf der Welt schlägt der Finanzinvestor zu: Auch am Boom des indischen Telekommarktes wird KKR beteiligt sein – durch den Einstieg mit einem Minderheitsanteil für 1,5 Mrd. Dollar bei der Telekomfirma Reliance Jio des indischen Milliardärs Mukesh Ambani.Seit Beginn der Pandemie im März hat KKR inzwischen 17 Mrd. Dollar von den insgesamt 207 Mrd. Dollar neu investiert, die der Finanzinvestor insgesamt verwaltet. Insgesamt haben die Top 10 der aktivsten Private-Equity-Investoren 40 Mrd. Dollar während der Pandemie neu investiert. Allesamt stammen die aktivsten Einkäufer, ebenso wie KKR, aus den USA. Vergleichbar umtriebige Schnäppchenjäger – gemessen an der Zahl der Deals seit Pandemiebeginn – waren die Rivalen Bain, Warburg Pincus sowie Hellman & Friedman, die aber wesentlich geringere Beträge investierten.Die aktivsten Private-Equity-Einkäufer haben laut Refinitiv seit März 140 Deals bekannt gegeben, darunter Übernahmen, Beteiligungen und Add-on-Akquisitionen für die Expansion ihrer Portfoliofirmen. Europäische Private-Equity-Fonds wie die britische CVC halten sich im Vergleich dazu zurück – und konzentrieren sich auf die Liquidität ihrer Portfoliounternehmen.Dagegen setzen die US-Fonds auf Tempo: KKR kaufte schon im März – mitten im Lockdown – den britischen Abfallentsorger Viridor für 4 Mrd. Pfund und erwirbt nun als finanzieller Sponsor der Telefónica-Infrastrukturtochter Telxius für 1,5 Mrd. Euro mehr als 10 000 Mobilfunkstandorte der unter der Marke O2 bekannten deutschen Telefónica-Tochter, die sich größtenteils auf Hausdächern befinden. Die Amerikaner, die traditionell stark im Telekomsektor engagiert sind, haben neben 40 % an Telxius auch Funktürme der Altice-Tochter SFR erworben.In Spanien läuft derweil der größte Private-Equity-Deal seit Beginn der Coronavirus-Pandemie. Die drei Finanzinvestoren KKR, Cinven und Providence bieten 3 Mrd. Euro für die spanische Telefongesellschaft Másmóvil Ibercom – inklusive Schulden liegt der Unternehmenswert bei 5 Mrd. Euro. Nach der Übernahme wird eine Neuordnung von Spaniens Mobilfunkmarkt erwartet.In Deutschland hat KKR zuletzt 60 % am Darmstädter Friseur-Pflegeproduktehersteller Wella für 3 Mrd. Dollar von Coty übernommen, parallel dazu rund 1 Mrd. Dollar in Coty investiert sowie 5 % am deutschen Fernsehsender ProSieben erworben.Die jüngsten Private-Equity-Deals lassen sich in der Regel einer von drei Schubladen zuordnen: Es gibt Deals, die vor der Krise auf die Schiene gesetzt und weitergeführt wurden, weil sie immer noch Sinn machen – dazu zählt der Kauf der Thyssenkrupp-Aufzüge durch Advent und Cinven. Die übrigen Private-Equity-Übernahmen sind entweder in erster Linie opportunistisch oder beruhten auf Planungen für das Umfeld nach der Krise. Oft handelt es sich um Tech-Deals.Mit dem verstärkten Einsatz im Abschwung verfolgt KKR eine Strategie, die von renommierten Investoren wie Warren Buffett während des Crashs 2008 praktiziert wurde. Buffett unterstützte damals Konzerne wie General Electric und Goldman Sachs mit Milliarden – Wetten, die belohnt wurden, als danach die Aktienmärkte eine historische Hausse erlebten. Dieses Mal will offenbar KKR die niedrigeren Bewertungsmultiplikatoren besser nutzen.Bisher war die 1976 von Jerome Kohlberg, Henry Kravis und George Roberts gegründete Firma vor allem für stark fremdfinanzierte Deals bekannt – ein Ruf, der 1989 in dem Buch und dem darauf folgenden Film “Barbarians at the Gate” verewigt wurde, in dem die hart umkämpfte Übernahme des US-Tabakkonzerns RJR Nabisco beschrieben wird. Doch Kredite sind wegen der Coronakrise derzeit teurer und knapper. Also wird immer mehr Eigenkapital eingesetzt – KKR geht volles Risiko.