Private Equity setzt auf sinkende Preise

Aber Finanzierung langsam kein Selbstläufer mehr - Bisheriges Hoch der Bewertungen 2018 erreicht - Zahlreiche Prozesse laufen

Private Equity setzt auf sinkende Preise

Die Kauflaune von Finanzinvestoren in Deutschland hat sich merklich abgekühlt. Doch die Trends zu sinkenden Bewertungen und zu Konzernabspaltungen auf Druck von Aktionärsaktivisten spielen den Firmenjägern in die Hände. Allerdings werden auch Finanzierungen schwieriger und teurer.Von Walther Becker, FrankfurtFinanzinvestoren auf der Lauer: Mit den erwarteten Rückgängen in den Bewertungen wollen sie im neuen Jahr wieder stärker zum Zuge kommen. Doch zunächst dürften sie den von der Verkäuferseite dominierten Markt nutzen, um sich von Portfoliofirmen mit Gewinn zu trennen. Gehen die Preise zurück, gibt es auch wieder mehr Beteiligungen, die noch nicht durch die Hände mehrerer Fonds gegangen sind. Institutionelles Geld ist im Übermaß vorhanden, global werden die Reserven, also zugesagte, aber noch nicht abgerufene Mittel, auf über 1,2 Bill. Dollar geschätzt. Der wachsende Druck von Aktionärsaktivisten spielt Private Equity auch hierzulande in die Hände: Die Fokussierung auf Kerngeschäfte führt zu mehr Verkäufen. Für Verkauf genutzt”2018 liegen die Bewertungen auf dem höchsten Stand bisher”, sagt Rainer Langel, Deutschland-Chef der Investmentbank Macquarie. Deren Beteiligungsarm nutzte dies und sorgte mit dem Verkauf von Techem für den größten Deal des Jahres: Der Energiekostenableser ging nach zehnjähriger Haltezeit für 4,6 Mrd. Euro (davon 2,6 Mrd. fremdfinanziert) an ein Konsortium um die Schweizer Partners Group. Gemessen am Verhältnis von Übernahmepreisen zu operativen Ergebnissen (Ebitda) liegen die Bewertungen von Leveraged Buy-outs im Schnitt bei 10,7 – das ist mehr als im Boomjahr 2007. Dabei sind die operativen Ergebnisse mit Normalisierungen, Bereinigungen und Adjustierungen vielfach geschönt: Statt 5,6-mal Ebitda bezogen auf die Verschuldung ist es eine Umdrehung mehr – ein riskantes Spiel mit Blick auf konjunkturelle Abkühlung und die Erfordernisse der Digitalisierung, denn die Unternehmen müssen vor allem die Schuldenlast senken. “Stabile Assets wie Healthcare, Dienstleistungen und Infrastruktur werden auch im ersten Halbjahr 2019 noch Käufer zu sehr attraktiven Konditionen finden. Zyklische Branchen wie Maschinenbau, Autozulieferer bis hin zur Chemie bekommen die Trendumkehr schon zu spüren”, beobachtet Langel.In den USA scheint die Finanzierungs-Bubble auszulaufen, Banken bleiben auf einzelnen Krediten für Buy-outs sitzen. Mittlerweile ist das Volumen von Leveraged Loans auf 1,1 Bill. Dollar gestiegen. Zum Vergleich: 2014 waren es erst 682 Mrd. Der Markt ist damit fast so groß wie das Volumen aller Unternehmensanleihen unter Investment Grade. Im riskantesten Segment, bei Schulden von Unternehmen mit besonders hohem Ausfallrisiko, übersteige das Volumen der Kredite mit knapp 800 Mrd. Dollar das Bondvolumen.Doch die Pipeline für neue Deals ist in Deutschland gefüllt, auch wenn in den vergangenen Monaten Verkaufsprozesse gestoppt werden mussten. Noch haben Verkäufer die rekordhohen Bewertungen vor Augen, während Interessenten auf sinkende Multiples setzen. Gestoppt wurden etwa das IPO von Springer Nature oder Verkaufsprozesse für LTS Lohmann, Idealo, Lanxess Purification oder das Pharmaunternehmen Riemser (Ardian). Ausreichend Ziele?Die Korrektur an den Kapitalmärkten sollte Transaktionen befeuern: Auch Finanzinvestoren dürften die niedrigeren Bewertungen vermehrt für Public-to-Private-Transaktionen nutzen, meinen Banker. Mit Osram, an der Bain Capital und Carlyle interessiert sein sollen, oder Scout24, wo über Silver Lake gesprochen wird, sind Kandidaten aufgetaucht. Martin Suter von Rothschild geht zwar davon aus, dass das eingesammelte Kapital dafür sorgt, dass Finanzinvestoren weiterhin recht aktiv sind. “Es stellt sich hier aber die Frage, ob es ausreichend Zielunternehmen gibt. Zudem sind Finanzinvestoren selektiver geworden und suchen vor allem nicht zyklische Anlagen”, beobachtet er. “Elefanten” wie die von Blackstone für 17 Mrd. Dollar übernommene Sparte Financial and Risk von Thomson Reuters, das an Brookfield für 13 Mrd. Dollar gehende Batteriegeschäft von Johnson Controls oder die diskutierten Deals mit dem Alukonzern Arconic (über 11 Mrd. Dollar) und dem Datenanalytiker Nielsen (10 Mrd.) sind hierzulande allerdings nicht in Sicht.Der deutsche Private-Equity-Markt hat sich 2018 nach Beobachtungen der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY merklich abgekühlt – bleibt aber auf hohem Niveau. Finanzinvestoren tätigten nach 227 Deals 2017 noch 216 im auslaufenden Jahr. Das Volumen ging von 19,4 Mrd. auf 17,9 Mrd. Euro zurück. Allerdings war das Vorjahr außergewöhnlich stark: Es markierte die höchste Anzahl an Deals und den zweithöchsten Transaktionswert seit der Finanzkrise. EY erfasst allerdings nur die Transaktionen, für die auch der Wert öffentlich gemacht wurde. In der PipelineSecondary Buy-outs, also Verkäufe an andere Finanzinvestoren, gingen von 33 im zweiten Halbjahr 2017 auf 20 in der zweiten Hälfte 2018 zurück. In derselben Zeit sank der Wert von 5,6 Mrd. auf 1,4 Mrd. Euro. Impulse sind auch von Konzern-M&A ausgegangen, wie von Linde/Praxair. CVC kauft mit dem Industriegasegeschäft von Linde in Amerika für 2,8 Mrd. Euro ein Ebitda von 305 Mill. Euro und kommt damit deutlich günstiger weg als Taiyo Nippon Sanso, die 5 Mrd. Euro für 400 Mill. Euro Ebitda des Praxair-Geschäfts in Europa hinblättern muss. Weitere Konzerngeschäfte dürften auf Interesse stoßen: Die Bauchemie von BASF, Tiergesundheit und Radiologie von Bayer, Renk und MAN Diesel & Turbo von VW, von Siemens mechanische Antriebe sowie von Evonik das Methacrylat-Geschäft mit “Plexiglas”. Die kommunal gehaltenen Versorger EWE (26 % sollen mit 1,5 Mrd. Euro bewertet werden) und Steag, die rund 1 Mrd. Euro an Schulden refinanzieren muss, suchen Equity-Investoren, ebenso die Nord/LB, deren Auktion Schlagzeilen macht.Bei den für nächstes Jahr avisierten Exits wird vielfach zweigleisig gefahren, also auch die Börse als Option angegangen. Den Verpflegungsautomatenaufsteller Selecta rückt KKR ins Schaufenster, und Lone Star sucht für Xella (Ytong) den Exit ebenso wie Bain für den Aufzugkomponentenhersteller Wittur. Für den Plastikverpackungshersteller Ifco (Ebitda: 215 Mill. Euro) wurde jüngst der Prozess gestartet, heißt es. Der Ausstieg aus dem Textildiscounter Takko (Apax) oder dem TV-Sender HSE24 (Providence) wird seit längerem gesucht. Bosch geht den Verkauf der Verpackungstechnik an. Schwierig ist der Exit von Blackstone aus Leica Camera. Für die Klinikkette Median soll Waterland mehr als 1 Mrd. Euro verlangen. Während Carlyle die Berliner Atotech an die New Yorker Börse bringen will, dürfte 2019 Centerbridge den Ausstieg aus dem Stuttgarter Parkplatzbetreiber Apcoa angehen.