Prosecco verstimmt Champagner-Hersteller

Pfundschwäche wird zu Preiserhöhungen in Großbritannien zwingen - Marktanteilsverluste am heimischen Markt

Prosecco verstimmt Champagner-Hersteller

Die Champagner-Branche leidet in diesem Jahr unter rückläufigen Verkäufen. In ihren zwei wichtigsten Märkten Frankreich und Großbritannien setzt ihr die verstärkte Konkurrenz durch Prosecco und Crémant zu. In Großbritannien wird inzwischen mehr Prosecco verkauft. Sorgen bereitet auch der durch das Brexit-Votum ausgelöste Pfundverfall. Champagner-Hersteller dürften deshalb im nächsten Jahr die Preise in ihrem wichtigsten Exportmarkt erhöhen.Von Gesche Wüpper, ParisDezember bedeutet für die Champagner-Hersteller Hochkonjunktur, da für viele Genießer Weihnachten und Silvester ohne den edlen Schaumwein undenkbar sind. Bisher. Denn die erfolgsverwöhnte Branche leidet in diesem Jahr unter rückläufigen Verkäufen. In ihren wichtigsten Märkten Frankreich und Großbritannien setzt ihr die verstärkte Konkurrenz durch günstigere Schaumweine wie Prosecco aus Italien, heimischen Crémant und Cava aus Spanien zu. Schrumpfende ErlöseChampagner-Unternehmen wie Laurent-Perrier und Vranken Pommery Monopole berichteten zuletzt von schrumpfenden Erlösen. Angesichts des schwierigen und unsicheren wirtschaftlichen Umfeldes müsse man vorsichtig bleiben, erklärte Laurent-Perrier kürzlich. Champagner dürfte in seinem Heimatmarkt Frankreich auch in diesem Jahr wieder zu den meistverkauften Spezialitäten für Weihnachten und Silvester gehören. Doch letztes Jahr verbuchten dort andere Schaumweine deutliche Zuwächse, während Champagner stagnierte. Dieser Trend dürfte sich nach Ansicht von Branchenkennern fortsetzen. Schwierige Zeit”Ich glaube, dass Champagner in den nächsten Jahren eine schwierige Zeit durchmachen wird”, meint etwa Alain Castel, Generaldirektor der Weinsparte der familiengeführten Castel-Gruppe. Sie ist der größte Weinkonzern Europas und weltweit die Nummer 4 hinter amerikanischen Riesen wie Constellation Brands, E & J Gallo und The Wine Group. “Früher war Champagner eine Referenz, doch in Frankreich legen die Verkäufe von Crémant zu, während die von Champagner zurückgehen”, sagt Castel.Das Unternehmen seiner Familie will deshalb jetzt in die Crémant-Produktion einsteigen und im Frühjahr einen Crémant de Bordeaux auf den Markt bringen. In der Champagne ist Castel dagegen nicht vertreten. “Der Eintrittspreis ist im Vergleich zur Rentabilität, die das bringen kann, sehr hoch”, sagt Alain Castel. “Es gibt bis auf die LVMH-Gruppe nur sehr wenige Häuser in der Champagne, die auf eine ordentliche Rentabilität kommen.”Dabei hat die Branche 2015 einen Rekordumsatz von 4,75 Mrd. Euro verbucht. Doch in den ersten zehn Monaten des Jahres sind die Champagner-Verkäufe nach Angaben des Branchenverbandes Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne um 2,7 % auf 217 Millionen Flaschen gefallen. Schuld an der Entwicklung ist vor allem der hart umkämpfte Markt in Europa. So sind die Verkäufe in der Europäischen Union 2016 bis Ende Oktober im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 21 % eingebrochen. Und das obwohl im Oktober normalerweise die Bestellungen für Weihnachten Hochkonjunktur haben. Die größten Einbrüche habe es in Großbritannien und Deutschland gegeben, heißt es.Auch in Frankreich, dem nach wie vor größten Markt, läuft es inzwischen eben nicht mehr so rund. Nachdem dort die Nachfrage trotz der Finanzkrise 2008/2009 zunächst stabil geblieben war, nimmt sie jetzt seit ein paar Jahren stetig ab. Der Anteil Frankreichs an den Champagner-Verkäufen ist deshalb seit 2009 vom Volumen her von 62 % auf zuletzt 51,8 % gefallen. Vom Wert her macht Frankreich sogar nur noch 44,2 % der Champagner-Verkäufe aus. Und die Anteile dürften in diesem Jahr noch weiter sinken. Premium-Touristen fehlenDafür gebe es mehrere Ursachen, heißt es bei dem Luxusgüterkonzern LVMH, der mit Marken wie Moët & Chandon, Veuve Clicquot, Krug und Mercier, die Nummer 1 der Branche ist. Auch wenn Champagner fester Bestandteil der französischen Lebensart sei, mache sich nun das makroökonomische Umfeld bemerkbar. Zusätzlich leide der edle Schaumwein unter dem starken Einbruch des Premium-Tourismus. Denn seit den Attentaten von Paris und Nizza bleiben viele gut betuchte Gäste Frankreich fern. Und das bekommen edle Restaurants und Hotels, aber auch Flughafengeschäfte zu spüren, die wichtig für den Verkauf hochpreisiger Champagner-Marken sind.Gleichzeitig habe das Image von Champagner im Massengeschäft unter den zahlreichen Sonderangeboten des Einzelhandels gelitten, meint ein Branchenkenner. Champagner müsse nun gerade in reifen Märkten sein Image verjüngen, um sich gegenüber In-Getränken wie Cocktails, Prosecco und Rosé-Wein behaupten zu können. In Großbritannien, dem wichtigsten Exportmarkt, hat Prosecco den französischen Edel-Schaumwein bereits überholt. Im Zeitraum Oktober 2015 bis Ende September dieses Jahres betrugen die Prosecco-Verkäufe dort laut der Unternehmensberatung IRI 600 Mill. Euro, die für Champagner nur 333 Mill. Euro. Zwar sieht die Situation in Europa insgesamt besser für den französischen Edel-Schaumwein aus, da er dort im selben Zeitraum auf Verkäufe in Höhe von 1,4 Mrd. Euro kam, Prosecco jedoch nur auf 789 Mill. Euro. Doch Prosecco kommt laut IRI auf eine sehr viel höhere Wachstumsrate von 24 %.”Während sich das Wachstum von Champagner in Europa signifikant abzuschwächen scheint, auch wenn es in der restlichen Welt steigt, wächst Prosecco weiterhin in allen Märkten bis auf die Niederlande”, sagt IRI-Strategiechef Tim Eales. “Selbst Cava hat sowohl wert- als auch volumenmäßig in den meisten Ländern zugelegt, obwohl er mit der wachsenden Popularität von Prosecco in Ungnade gefallen zu sein schien.” Preiserhöhung wegen BrexitNeben der Konkurrenz durch Prosecco bereitet der Champagner-Branche auch das Brexit-Votum und der dadurch ausgelöste Pfundverfall Sorgen. Bisher haben die großen Champagner-Marken darauf verzichtet, ihre Preise in Großbritannien zu erhöhen, da der Markt dort hart umkämpft ist. Die Volumen in Großbritannien würden sogar leicht zulegen, heißt es bei Lanson-BCC, der Nummer 2 der Branche nach LVMH. “Aber die Devisen-Frage ist Anlass zu Besorgnis; es ist ein erheblicher Währungsverlust”, sagt Lanson-Chef Bruno Paillard. Branchenkenner erwarten, dass die meisten Anbieter ihre Preise in Großbritannien Anfang 2017 anheben werden, um den Währungsverlust zumindest teilweise auszugleichen.