ProSieben steckt in der Flaute fest
Auf der Hauptversammlung hat der Vorstand von ProSiebenSat.1 den Aktionären wenig Hoffnung auf eine rasche Geschäftsbelebung gemacht. Für die TV-Werbeeinnahmen zeichnet sich im aktuellen Quartal ein Rückgang von 40 % ab. Fragen nach dem Führungschaos im Frühjahr weicht der Aufsichtsratschef aus. jh München – Im größten und profitabelsten Geschäft von ProSiebenSat.1, der Fernsehwerbung, herrscht Flaute. Im Juni gebe es noch keine Verbesserung, sagte der Vorstandssprecher Rainer Beaujean in der virtuellen Hauptversammlung. Im April und Mai sanken die gesamten TV-Werbeeinnahmen um rund 40 %. Die Coronavirus-Pandemie beeinträchtige auch weiterhin das Produktionsgeschäft, berichtete Beaujean.Die gute Nachricht sei, dass viele Kunden ihre Werbebuchungen nicht stornierten, sondern verschöben. Er erinnerte daran, dass das Unternehmen bisher in den letzten vier Monaten eines Jahres etwa die Hälfte des bereinigten operativen Ergebnisses (Ebitda) erzielt habe. “Wir bleiben optimistisch und gleichzeitig bei den Kosten weiterhin massiv auf der Bremse”, sagte Beaujean.Nach Ansicht der Analysten der DZ Bank ist das Werbegeschäft des Fernsehkonzerns zwar weiterhin unter Druck. Das Verschieben von Buchungen lasse aber auf eine Belebung im zweiten Halbjahr hoffen. Davon abgesehen sei die Branche im Umbruch, und ProSiebenSat.1 könnte zum Übernahmeziel werden.Im Mittelpunkt solcher Spekulationen steht seit längerem Mediaset. Der italienische Konzern hält direkt und indirekt 24,2 % der Aktien von ProSiebenSat.1 (siehe Grafik). Beaujean bestätigte, dass die anderen beiden größeren Aktionäre, die Beteiligungsholding Czech Media Invest (CMI) von Daniel Kretinsky und der Finanzinvestor KKR, ihre Anteile aufgestockt haben (vgl. BZ vom 10. Juni). “Strategische Gespräche” habe es bisher weder mit Mediaset noch mit CMI gegeben, berichtete der Vorstandssprecher. “KKR sieht die Beteiligung als finanzielles Investment.” Auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Übernahme antwortete er, das Unternehmen könne einen Erwerb nicht beeinflussen. Und: “An Spekulationen beteiligen wir uns grundsätzlich nicht.” “Glückloses Treiben”Eine Reihe der von 29 Aktionären eingereichten 115 Fragen richtete sich auf den abrupten Abgang von Konzernchef Max Conze Ende März und die hohe Fluktuation im Spitzenmanagement zuvor. “Warum haben Sie dem glücklosen Treiben so lange zugeschaut?”, fragte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Brandt vermied eine klare Antwort und sagte: “Von Beginn an war klar, dass Herr Beaujean von seiner Persönlichkeit her mehr Aufgaben wahrnehmen kann.” Der frühere Vorstandschef von T-Online und Gerresheimer ist seit Juli 2019 Finanzvorstand von ProSiebenSat.1 und seit Ende März auch Vorstandssprecher.Zum Abgang Conzes sagte Brandt lediglich: “Wir haben uns Ende März entschieden, den Vorstand neu aufzustellen.” Bezogen auf die Rücktritte von drei weiteren Vorständen seit dem Frühjahr 2019 fügte er hinzu: “Mit allen Vorständen sind die Verträge in bestem gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst worden.”Die Abfindung für Conze, dessen Vertrag bis Ende Mai 2021 lief, bezifferte Brandt auf 3,9 Mill. Euro. Conrad Albert erhalte 3 Mill. Euro. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende war zwei Wochen vor Conze gegangen, nachdem er in einem Interview seinem Ärger über den Konzernchef Luft verschafft hatte.In der Abstimmung, an der sich knapp 49 % des Grundkapitals beteiligten, gab es von allen Punkten das schlechteste Ergebnis für den Aufsichtsrat: Für dessen Entlastung stimmten 91,5 %. Der Vorstand erhielt trotz der Querelen 97,6 %.Auf Fragen von Aktionären zur Beteiligung an den in der Nucom-Gruppe gebündelten Internetunternehmen antwortete Beaujean, ProSiebenSat.1 trenne sich von Portfoliounternehmen, wenn dies Wert schaffe. Dank der soliden Liquiditätslage stehe der Konzern nicht unter Zugzwang. Für die Gruppe mit Online-Dating-Unternehmen werde ein Börsengang im Jahr 2022 angestrebt. Dazu zählen die Portale Parship und Eharmony in den USA.