Purdue arbeitet an Vergleich im Opioid-Verfahren
swa Frankfurt – Nach dem aufsehenerregenden Urteil gegen den US-Pharmakonzern Johnson & Johnson im Bundesstaat Oklahoma zeichnet sich in der Aufarbeitung der Streitigkeiten wegen suchtgefährdender Schmerzmittel ein neuer milliardenschwerer Vergleich ab. Der Arzneimittelhersteller Purdue Pharma und seine Eigner, die Familie Sackler, haben laut US-Medienberichten in Vergleichsverhandlungen in Cleveland angeboten, 10 bis 12 Mrd. Dollar bereitzustellen, um mehr als 2 000 Klagen von Kommunen und Bundesstaaten beizulegen. Das wäre der Großteil der gegen Purdue gerichteten Klagen. Es wäre die bislang höchste Vergleichssumme im Zusammenhang mit Opioid-Klagen.Purdue, die das stark nachgefragte Schmerzmittel Oxycontin herstellt und im Zentrum der Opioidkrise in den USA steht, wird bezichtigt, mit aggressiver Werbung für suchtgefährdende Schmerzmittel die Medikamentenabhängigkeit vieler Menschen ausgelöst zu haben und damit Wegbereiter der Drogenkrise zu sein. Die als Schmerzmittel verabreichten Präparate werden von den Klägern als Einstiegsdroge bezeichnet. Nach offizieller Statistik sollen in den Vereinigten Staaten in den Jahren zwischen 1999 und 2017 mehr als 400 000 Personen an einer Opioid-Überdosis gestorben sein.Die Familie Sackler, der Purdue seit 1952 gehört, steht heftig in der Kritik. Klägeranwälte werfen den Gesellschaftern vor, sie hätten von der Drogenabhängigkeit profitiert, um ein Milliardenimperium aufzubauen. Die Eigner und das Unternehmen weisen die vorgebrachten Anschuldigungen zurück, der Konzern sehe aber keinen Sinn darin, über Jahre in Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden. Druck wächstZudem wächst der Druck auf die Familie nicht nur rechtlich. David Sackler soll in einem Interview geäußert haben, seine Familie werde “endlos gegeißelt”. Er räumte aber auch ein, dass die Familie nicht gut kommuniziert habe. Einige große Museen sollen in den vergangenen Monaten nach Protesten von Künstlern bereits die Zusammenarbeit mit der spendablen Unternehmerfamilien aufgelöst haben. Der Louvre soll Tafeln mit dem Namen Sackler entfernt oder überklebt haben.In dem angebahnten Vergleich wird nach Medienberichten erwogen, Purdue unter Gläubigerschutz nach Chapter 11 zu stellen und das Unternehmen für zehn Jahre in eine gemeinnützige Stiftung der öffentlichen Hand zu überführen. Alle Gewinne würden dann zur Behandlung von Opioid-Süchtigen an die Bundesstaaten, Bezirke und Städte gehen, heißt es.Um weitere Mittel aufzubringen, soll das von den Sacklers in Deutschland gegründete Unternehmen Mundipharma veräußert werden. Dieser Verkauf soll es der Familie ermöglichen, 3 Mrd. Dollar im Zuge des Vergleichs zu zahlen, heißt es. Das Vermögen der Familie wird auf mindestens 13 Mrd. Dollar geschätzt. Im Wert von 4 Mrd. Dollar sollen den Medien zufolge zudem Medikamente zur Verfügung gestellt werden, mit denen Suchtkranke behandelt werden können. Urteil mit SignalwirkungAm Montag hatte ein Gericht den Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) wegen unrechtmäßiger Vermarktung von suchtgefährdenden Schmerzmitteln zu einer Zahlung von 572 Mill. Dollar an den Bundesstaat Oklahoma verurteilt. Der Konzern habe zur Welle der Medikamentenabhängigkeit in Oklahoma beigetragen, hieß es in der Begründung. J&J will gegen die Entscheidung in Berufung gehen. Die verhängte Strafzahlung ist deutlich niedriger als im Markt erwartet, zumal die Staatsanwaltschaft 17 Mrd. Dollar gefordert hatte. Doch das Urteil hat Signalwirkung für die große Zahl weiterer Fälle. Denn das Gericht folgte der Argumentation, wonach die Öffentlichkeit durch das Verhalten der Pharmakonzerne geschädigt worden ist, weil die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet wurde. Wenn sich weitere Gerichte dieser Argumentation anschließen, könnten exorbitante Strafzahlungen auf die Schmerzmittelhersteller zukommen, wird befürchtet.Purdue hatte in Oklahoma im März bereits einem Vergleich zugestimmt und 270 Mill. Dollar gezahlt. Der israelische Arzneimittelkonzern Teva einigte sich mit einer Zahlung von 85 Mill. Dollar. Beide Konzerne hatten dabei kein Fehlverhalten zugegeben. Die Opioidkrise soll die Vereinigten Staaten nach einem Bericht von Regierungsberatern aus dem Jahr 2017 mehr als 500 Mrd. Dollar gekostet haben.