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Rätselraten über die Strategie von AMS

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 30.4.2020 Das Management von AMS verfolgt anscheinend unbeirrt von allen Widrigkeiten und auch der Coronakrise das Vorhaben, Osram zu übernehmen. Zuletzt war die Kapitalerhöhung des österreichischen...

Rätselraten über die Strategie von AMS

Von Joachim Herr, MünchenDas Management von AMS verfolgt anscheinend unbeirrt von allen Widrigkeiten und auch der Coronakrise das Vorhaben, Osram zu übernehmen. Zuletzt war die Kapitalerhöhung des österreichischen Unternehmens besonders für die acht beteiligten Banken eine mühsame Angelegenheit. Sie hatten AMS 1,65 Mrd. Euro für die Ausgabe neuer Aktien garantiert, wurden zunächst aber fast ein Drittel davon nicht los. Dank einer Kurserholung gelang dann doch ein glückliches Ende.Jetzt warten AMS und die übrigen Aktionäre von Osram, darunter weiterhin zu einem erheblichen Teil Hedgefonds, auf die nächsten Schritte. Die Genehmigungen der Kartellbehörden in sechs Ländern, darunter China, und der EU stehen noch aus. Mit Schwierigkeiten ist nicht zu rechnen, da sich das Geschäft von Osram und AMS nicht überschneidet. In den USA, Japan und der Türkei gab es jedenfalls keine Einwände.Der Vorstand des österreichischen Chip- und Sensorenherstellers erwartet nach wie vor, bis zur Jahresmitte die Übernahme von Osram vollziehen zu können. Wenn alle Wettbewerbsaufseher zugestimmt haben, kann AMS die rund 38 % der Osram-Aktien erwerben, die ihnen die Aktionäre des Münchner Lichttechnikkonzerns im vergangenen Herbst angedient haben. Zudem hat sich AMS vor kurzem 4,8 % von Hedgefonds gesichert. Mit den an der Börse eingesammelten 23,4 % käme das Unternehmen somit auf rund zwei Drittel der Osram-Aktien (siehe Grafik).Diese Beteiligung müsste genügen, um in einer außerordentlichen Hauptversammlung (HV) von Osram eine Dreiviertelmehrheit für einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu erreichen. Damit bekäme AMS die Kontrolle über Osram und Zugriff auf den Cash-flow und die Gewinne – derzeit allerdings Verluste. Die Absicht für einen solchen Vertrag bekundete AMS erstmals am 10. Februar dieses Jahres. Damals war der Kurs von Osram auf 46 bis 47 Euro heißgelaufen. “Kein konkreter Zeitplan”Mit der Absichtserklärung fixierte AMS einen Orientierungswert für eine Abfindung an die restlichen Osram-Aktionäre als Durchschnittskurs der letzten drei Monate. Andernfalls hätte der Unternehmenskäufer in spe befürchten müssen, dass die Übernahme mit einem weiter steigenden Osram-Kurs immer teurer würde. Nun liegt der Abfindungspreis bei 42,20 Euro je Aktie, 1,20 Euro über dem freiwilligen Übernahmeangebot.Die außerordentliche HV für diesen Vertrag müsste nach Rechtsprechungen des Bundesgerichtshofs und nach Auffassung von Experten spätestens etwa sechs bis sieben Monate nach der Absichtsbekundung stattfinden. Das wäre also im August oder September. In einer Telefonkonferenz zu den Quartalszahlen sagte der Vorstand von AMS gestern nur, man sei nicht in Eile. Einen konkreten Zeitplan gebe es nicht, fügte Finanzchef Michael Wachsler-Markowitsch hinzu. Nach wie vor sei ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag beabsichtigt, Voraussetzung sei jedoch eine sorgfältige Finanzierung. “Daher denke ich, dass wir uns weiterhin die Marktsituationen ansehen und unsere Optionen bewerten”, sagte er.Auf dem aktuellen Kursniveau um die 38 Euro könnte es sich lohnen, Osram-Aktien kaufen, wenn die Abfindung von 42,20 Euro sicher wäre. Vor allem für Hedgefonds bietet sich die Gelegenheit, zu spekulieren und Osram-Aktien zumindest zu halten.AMS, im Übernahmewettbewerb bisher einfallsreich und gewieft beraten von den Anwälten der Wirtschaftskanzlei Linklaters, liebäugelt, wie zu hören ist, mit der Alternative, die HV erst später stattfinden zu lassen, um dann angesichts eines niedrigeren Osram-Kurses auch eine geringere Abfindung als 42,20 Euro zahlen zu müssen. Vielleicht dient das Streuen dieser Option hinter den Kulissen auch nur dazu, Spekulanten zu verunsichern und den Osram-Kurs niedriger zu halten.Ob diese Alternative überhaupt möglich wäre, ist unter Juristen umstritten. “Ich habe Bedenken, dass das rechtlich zulässig ist”, sagt etwa Peter Dreier, Anwalt für Aktienrecht in Düsseldorf. Damit würde AMS den Aktionären von Osram Schaden zufügen. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas durchgehen könnte.” Zudem verweist Dreier, der in dem Fall nach eigenen Worten bisher nur Beobachter ist, auf das übliche Spruchverfahren nach Abschluss eines Beherrschungsvertrags. Damit können Aktionäre von einem Gericht die angebotene Entschädigung auf Angemessenheit überprüfen lassen.Eine eventuell niedrigere Abfindung wäre nach Dreiers Meinung überhaupt nur denkbar, wenn AMS die Absicht für einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag aufgäbe und erst in mehreren Jahren einen neuen Anlauf nähme. Doch damit wäre für AMS eine Reihe von Unwägbarkeiten verbunden. Quartalsverlust wegen OsramZudem macht der Vorstand von AMS einen entschlossenen Eindruck und will bald beginnen, Synergien mit Osram zu heben. Zunächst einmal belasteten jedoch Kosten für die angestrebte Übernahme und für die Kapitalerhöhung das Ergebnis. Für das erste Quartal 2020 weist AMS einen Nettoverlust von 16 (i.V. 9) Mill. Dollar aus. Das Geschäft lief aus Sicht des Managements und der Aktionäre jedoch erfolgreich. Der Kurs der an der Schweizer Börse notierten Aktie schoss am Mittwoch um 24 % auf 13,31 sfr nach oben. AMS steigerte dank der gestiegenen Nachfrage im Konsumentensegment mit Komponenten für Smartphones den Umsatz um fast ein Drittel auf 501 Mill. Dollar. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern legte noch stärker auf 60 (i.V. -4) Mill. Dollar zu. Und für das aktuelle Quartal verbreitet der Vorstand trotz der Schwäche im Auto- und Industriegeschäft Zuversicht und stellt weiteres Wachstum in Aussicht.