Räuberpistole im Abenteuerpark

Bei Royal Imtech hakt die Bilanzsanierung - Korruption bringt niederländischen Konzern ins Schleudern

Räuberpistole im Abenteuerpark

Korruption und Untreue bei Projekten in Deutschland und Polen haben die niederländische Infrastrukturgruppe in Existenznot gebracht. Die Sanierung mit einer Kapitalerhöhung von 500 Mill. Euro ist schwieriger als gedacht.Von Walther Becker, FrankfurtEin “Mister Y”, mutmaßliche Korruption im Zusammenhang mit der Sanierung der Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt, Erlebnisse der besonderen Art beim Themenpark “Abenteuer Warschau”, gewaltiger Personalabbau, Wertminderungen in dreistelliger Millionenhöhe und jetzt auch noch eine Hängepartie in der bilanziellen Sanierung: Beschäftigte und Aktionäre der in Kraftwerks- und Energietechnik, Contracting, Reinraumtechnik, Daten- und Sicherheitstechnik und anderen Sparten tätigen Royal Imtech mit Sitz im niederländischen Gouda sind alles andere als zu beneiden. Dass Imtech in der Not als Stadionsponsor des HSV aussteigen will, ist verständlich. Exit beim HSVDer Kurs reflektiert den Niedergang – er knickte seit dem Hoch von 2011 um 70 % ein. Die Aktie fiel wie ein Stein, als im Februar die Probleme ruchbar wurden. Dass die Dividende ausfällt, versteht sich von selbst. Gestern gab die Aktie erneut um 11 % nach, die Marktkapitalisierung des Konzerns mit zuletzt 5,4 Mrd. Euro Umsatz und knapp 30 000 Beschäftigten schnurrte auf 188 Mill. Euro zusammen. Damit sind gut 900 Mill. Euro Börsenwert verdampft.Asset-Verkäufe dürften auf die Agenda rücken. Denn zuletzt haben sich die Schwierigkeiten als schlimmer entpuppt, als bisher scheibchenweise bekannt wurde. Daher muss die Kapitalerhöhung (Bezugsrechtsemission im Verhältnis 4:1) über 500 Mill. Euro, die gestern abgeschlossen werden sollte, verlängert und um Ausgabe von Vorzugsaktien für 30 Mill. Euro erweitert werden. ING, Rabobank und Commerzbank haben das Angebot unterschrieben. Großaktionär ING AM nehme pro rata mit seinen 5,7 % an der Kapitalerhöhung teil. ING und Rabobank, die Imtech berät, hatten dem Konzern eine Brückenfinanzierung über 500 Mill. Euro zur Verfügung gestellt. Ameriprise hält 5 %, die spanische Bestinfer 5,1 und Delta Lloyd 5,8 %.Angekündigt wurde gestern das Streichen von 550 Stellen hierzulande und ebenso vieler Jobs in Benelux sowie weiteren 140 Jobs in der Marinesparte. Von den Restrukturierungskosten von 110 Mill. Euro sollen 65 Mill. im ersten Halbjahr verbucht werden. Für Deutschland wurde nach zahlreichen Wechseln mit Felix Colsman jüngst ein neuer Chef ab Oktober berufen. Turbulenzen nicht zu EndeDabei hatte der seit Januar amtierende CEO Gerard van de Aast Ende Juni gehofft, dass mit der Veröffentlichung der geprüften Ergebnisse 2012 “eine schwierige und turbulente Phase zu Ende” geht. Nach der Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten in Deutschland und Polen sei klar gewesen, dass Imtech Covenants nicht einhalten könne. Imtech, die von Hengeler Mueller in der Aufklärung dubioser Vorgänge beraten wurde, einigte sich mit wichtigen Kapitalgebern – Konsortialkreditgebern, Inhabern von unbesicherten erstrangigen Anleihen sowie den größten Garantiegebern für ausstehende Fazilitäten. Demnach werden die Kreditauflagen erst 2014 überprüft. Die Margen steigen auf 300 Basispunkte (davon 100 endfällig), es gibt Restriktionen für neue Schulden, Akquisitionen, Veräußerungen und Dividenden, und es werden Sicherheiten durch Verpfändung von Töchtern gestellt.Für 2012 zeigt Imtech bei einem noch auf 5,4 Mrd. Euro gestiegenen Umsatz ein Minus vor Steuern und Zinsen von 158 Mill. nach einem Plus von 193 Mill. Euro und einen Nettoverlust von 226 Mill. nach 99 Mill. Euro Gewinn. Die zinstragenden Verbindlichkeiten stiegen auf 773 (i. V. 576) Mill. Euro, das Eigenkapital schrumpfte auf 557 (823) Mill. Euro. Schon im Februar wurde bekannt, dass Imtech aufgrund von Verlusten in Polen zu Abschreibungen von 100 Mill. Euro gezwungen sei, und das Management warnte davor, Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht bedienen zu können. Der Jahresabschluss – Prüfer ist KPMG – wurde verschoben, die Hauptversammlung vertagt.Die Managementstruktur nahm Ernst & Young unter die Lupe. Im April wurde bereits der Abbau von 1 300 Arbeitsplätzen angekündigt, die Abschreibungen in Deutschland wurden erhöht. Im Juni räumte Imtech ein, dass die internen Kontrollen nicht funktioniert hatten. Vor der HV sickerte durch, dass ein Wirtschaftskriminalist, offiziell als “Mister Y” bezeichnet, 2011 im Auftrag des Konzerns wegen Korruption beim Umbau der Zwillingstürme (Project Blue) ermittelt hatte. Er schaute aber wohl genauer hin, als er sollte, warnte in seinem Abschlussbericht gar vor mafiösen Strukturen und belastete den Geschäftsführer der deutschen Tochter. Dieser wurde vom Konzern aber lange gedeckt.