Razzia bei VW in Wolfsburg

Staatsanwaltschaft: Anfangsverdacht gegen mehrere Personen - US-Chef Horn stellt sich Ausschussfragen

Razzia bei VW in Wolfsburg

Drei Wochen nach Bekanntwerden der Manipulationen bei Dieselabgastests hat die Braunschweiger Staatsanwaltschaft Durchsuchungen im VW-Stammwerk Wolfsburg veranlasst. “Es gibt einen Anfangsverdacht gegen mehrere Personen” – nicht gegen den Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn. In den USA stellte sich der dortige VW-Chef den Fragen eines Kongressausschusses.po Frankfurt – Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat im Rahmen ihrer Ermittlungen zu der Dieselabgasaffäre “bei Volkswagen Durchsuchungen in Wolfsburg und anderen Orten durchgeführt”. “Es gibt einen Anfangsverdacht gegen mehrere Personen”, sagte eine Sprecherin laut Reuters. Der ehemalige Konzernchef Martin Winterkorn sei nicht darunter. Ziel der Durchsuchungen sei die Sicherstellung von Unterlagen und Datenträgern, die mit Blick auf in Betracht kommende Straftatbestände Auskunft über die genaue Vorgehensweise der an der Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beteiligten Firmenmitarbeiter und deren Identität geben können. Die Durchsuchungen seien durch drei Staatsanwälte mit Unterstützung von 50 Beamten des Landeskriminalamtes ausgeführt worden.Volkswagen erklärte dazu, man werde die Staatsanwaltschaft nach besten Kräften unterstützen. Berichte, wonach die in den USA eingestandene Schummelsoftware auch in Europa Abgastests umging, wurden von Volkswagen nicht bestätigt. Das sei derzeit noch Gegenstand von internen und externen Prüfungen. “Auch ist rechtlich noch unklar, ob es sich überhaupt um eine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Normen handelt.” Kenntnis seit Mai 2014Bisher hatte VW mitgeteilt, bei der Mehrheit der betroffenen 11 Millionen Fahrzeuge weltweit sei die Software zwar installiert, aber nicht eingeschaltet gewesen. In Washington stellte sich der US-Statthalter von Volkswagen Michael Horn den Fragen eines Kongressausschusses zur Abgasaffäre. Er habe im Mai 2014 erstmals von den Ergebnissen der West Virginia University über mögliche Nichteinhaltung von Abgasvorschriften erfahren. “Im Frühjahr 2014 wurde ich unterrichtet, dass es mögliche Verstöße gegen Emissionsrichtlinien gibt, die behoben werden können.”Er sei auch darüber informiert worden, dass diese Verstöße zwischen 2009 und 2014 Strafen der US-Umweltbehörde EPA nach sich ziehen könnten. An einer – später fehlgeschlagenen – Update-Lösung für die Motorsoftware sei von VW-Ingenieuren in der Zentrale gearbeitet worden. Von der illegalen Manipulation der Software, um die strengen US-Abgastests auf dem Prüfstand zu bestehen, habe er erst kurz vor dem 3. September, als Volkswagen dies gegenüber den US-Behörden eingestand, erfahren.Etwas früher sei ihm aber signalisiert worden, dass die Diesel-Modelle des Jahrgangs 2016 die Zulassung nicht erhalten würden. Darüber habe er den mittlerweile beurlaubten Konzern-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer informiert. VW of America habe den Verkauf dieser Dieselfahrzeuge vorerst gestoppt und hofft auf eine schnelle Lösung.Der langjährige Einsatz betrügerischer Software sei nach seiner Kenntnis, so Horn, keine Entscheidung der Geschäftsführung in Wolfsburg gewesen. Das sei etwas gewesen, dass einige wenige entschieden hätten. “Ich stimme zu, dass das schwer zu glauben ist.” Autoveteran Bob Lutz, der für alle US-Hersteller, aber auch für BMW und Opel tätig war, glaubt diese Darstellung nicht. Einen solchen Betrug würde kein Software-Entwickler ohne Genehmigung eines Vorgesetzten auf sich nehmen.Laut Horn wird die Reparatur von 430 000 der über 500 000 in den USA betroffenen Diesel-Pkw mindestens ein bis zwei Jahre dauern. Zunächst müssten die Software- und Technikänderungen entwickelt und getestet werden, und dann müssten die Zulieferer von Katalysatoren und/oder Adblue-Systemen nach den Vorgaben produzieren und liefern.