Regierungskrise in Rom wegen Atlantia

Streit um neue Autobahnbrücke in Genua

Regierungskrise in Rom wegen Atlantia

bl Mailand – Die Eröffnung der neuen Autobahnbrücke von Genua in den ersten Augusttagen sollte ein Glückstag für Italien sein. Denn das neue Bauwerk, das weniger als zwei Jahre nach dem Einsturz der alten Brücke im August 2018, bei dem 43 Menschen starben, fertig wurde, ist ein Symbol für ein Italien, das funktioniert. Doch dass Verkehrsministerin Paola De Micheli nun den Autobahnbetreiber Autostrade per l’Italia (Aspi) mit dem Betrieb der Brücke beauftragt hat, hat eine neue Regierungskrise heraufbeschworen. Denn die Regierungspartei 5 Sterne wehrt sich heftig gegen die Vergabe an die Tochter des von der Familie Benetton kontrollierten Infrastrukturkonzerns Atlantia. Die populistische Bewegung fordert, dass Aspi die Konzession für das gesamte Autobahnnetz entzogen wird.Der Streit darüber tobt seit zwei Jahren. Premierminister Giuseppe Conte schiebt eine Entscheidung vor sich her: Die Ratingagenturen haben Atlantia inzwischen wegen der Unsicherheit um die Zukunft der Cash-cow des Konzerns den Investment Grade entzogen. Finanzierungen und Kredite sind damit deutlich teurer geworden. Das Unternehmen betreibt in weltweit 23 Ländern 14 000 Kilometer Autobahnen sowie Flughäfen (Rom, Nizza). Atlantia leidet auch unter der Coronavirus-Pandemie, weil der Verkehr auf den Straßen und Flughäfen massiv eingebrochen ist. Im ersten Quartal schrieb der Konzern, an dem die Familie Benetton mit 30 % beteiligt ist, rote Zahlen. Für das Gesamtjahr wird ein Umsatzrückgang von bis zu 3 Mrd. Euro erwartet. 2019 lag der Umsatz bei 11,6 Mrd. Euro.Das Unternehmen steht auch deshalb unter Druck, weil die Regierung die Entschädigung für den Fall eines Entzugs der bis 2038 laufenden Konzession einseitig von 23 auf 7 Mrd. Euro reduziert hat und verlangt, die Mehrheit des Autobahnkonzessionärs für einen Spottpreis an die mehrheitlich staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) abzutreten. Atlantia hat sich bei der EU beschwert – mit Hinweis auf den Investorenschutz für Aspi-Aktionäre wie Allianz und Silk Road.Ein Konzessionsentzug wäre für Rom höchst riskant. Denn es gibt zwar deutliche Hinweise auf Wartungsmängel und gefälschte Untersuchungsberichte von Aspi, aber juristisch ist die Schuld nicht festgestellt. Atlantia bzw. Aspi wehren sich auch gerichtlich gegen den Ausschluss vom Bieterverfahren für den Bau der neuen Brücke.Hätte die Ministerin Aspi die Verantwortung für die neue Brücke nicht übertragen, hätte die Konzession kurzfristig an einen anderen Betreiber vergeben werden müssen. Das Risiko wäre gewesen, dass die fertige Brücke nicht hätte eingeweiht werden können. Angesichts der wütenden Proteste der 5 Sterne betont De Micheli nun den “vorübergehenden” Charakter ihrer Entscheidung.Doch selbst die Eröffnung der Brücke löst die Probleme nicht. Da Rom angesichts der Sicherheitsmängel bei Brücken und Tunnels mitten in der Urlaubssaison intensive Sicherheitsüberprüfungen angeordnet hat, sind die Autobahnen rund um Genua, Italiens größten Hafen, verstopft. Urlauber sagen ihre Hotelreservierungen ab, und die Hafenzufahrten sind blockiert, was immense wirtschaftliche Schäden zur Folge hat.