Renault und Nissan am Scheideweg
wü Paris – 20 Jahre nach ihrer Gründung steht die Allianz von Renault und Nissan vor einer Zerreißprobe. Die kommenden zwei Wochen dürften entscheidend dafür sein, wie es mit der Partnerschaft der beiden Automobilkonzerne weitergeht, der inzwischen auch Mitsubishi angehört. Selbst eine Scheidung sei derzeit nicht auszuschließen, heißt es in Paris. Derzeit scheint alles möglich, denn nachdem die Spannungen zwischen den beiden Allianzpartnern Pfingsten einen neuen Höhepunkt erreichten, stimmen sowohl die französische als auch die japanische Seite inzwischen wieder versöhnliche Töne an.Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der Montag anlässlich des G20-Finanzministertreffens in Japan weilte, ließ durchklingen, dass der Staat als Aktionär von Renault zu mehreren Konzessionen bereit sei. So könnte der französische Staat früher oder später aus dem Kapital des Autobauers aussteigen und seine Beteiligung in Höhe von 15 % verkaufen. Le Maire hat zudem eine Fusion zwischen Renault und Nissan ausgeschlossen und sich offen dafür gezeigt, dass der französische Autobauer seine Beteiligung von 43,4 % an Nissan reduziert.Transportministerin Elisabeth Borne schloss außerdem einen neuen Anlauf für ein Zusammengehen von Renault und dem italienisch-amerikanischen Konkurrenten Fiat Chrysler (FCA) nicht aus. “Ich glaube, das ist nicht abgeschlossen”, antwortete sie Dienstag auf die Frage des Fernsehsenders BFM TV, ob die Gespräche der beiden Konzerne beendet seien. Renault-Verwaltungsratschef Jean-Dominique Senard soll noch immer in engem Kontakt mit FCA-Präsident John Elkann stehen. Und Toby Myerson sei Montag in Yokohama gewesen, um für FCA Kontakt zu Nissan-Chef Hiroto Saikawa aufzunehmen, berichtet die Wirtschaftszeitung “Les Echos”. Die Idee sei, diesmal zu dritt Fusionsgespräche aufzunehmen.Dies dürfte jedoch nicht sofort geschehen, da zunächst Renault am heutigen Mittwoch seine Hauptversammlung abhält, am 25. Juni folgt Nissan. Senard soll zudem in den nächsten Tagen Präsident Emmanuel Macron treffen, heißt es in Paris. Die Spannungen zwischen den Allianzpartnern erreichten Pfingsten einen erneuten Höhepunkt, als der Inhalt eines Briefs von Renault-Verwaltungsratschef Senard an Nissan bekannt wurde. Darin erklärte dieser, Renault trage auf der Hauptversammlung der Japaner die Vorschläge zur Reform der Unternehmensführung nicht mit. Nissan reagierte mit einer für japanische Verhältnisse außergewöhnlich kritischen Stellungnahme und bezeichnete die Haltung des französischen Allianzpartners als “höchst bedauerlich”. In Japan wurde der Brief Senards als Retourkutsche dafür gewertet, dass sich die Nissan-Vertreter im Aufsichtsrat von Renault bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen mit FCA enthielten.Der französische Autobauer fürchtet jedoch vor allem, seinen Einfluss bei Nissan zu verlieren. Er fordert, in den drei Komitees (Nominierungen, Audit, Vergütungen) vertreten zu sein, die künftig wichtige Aufgaben des Nissan-Verwaltungsrates übernehmen sollen. Eigentlich soll das Kontrollgremium des japanischen Autobauers erst nach dem 25. Juni über die Zusammensetzung der Komitees entscheiden. Stabilität hat PrioritätDoch ein anderes Komitee soll bereits jetzt einige Kandidaten dafür vorgeschlagen haben, darunter Renault-Verwaltungsratschef Senard für das Nominierungskomitee. Dagegen soll es sich weigern, Renault-Chef Thierry Bolloré einen Sitz im Audit-Komitee zu geben. Nissan-Chef Saikawa zeigte sich nun in einem Interview mit der “Financial Times” versöhnlich. Die beiden Autobauer müssten ihre Partnerschaft verstärken und stabilisieren, erklärte er. Das sei die oberste Priorität.Die Renault-Aktie legte Dienstag an der Börse von Paris um 1,5 % auf 55,91 Euro zu.