„Renditepotenziale verschenkt“
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Die Manager deutscher Pensionsgelder investieren zu wenig in alternative und illiquide Assets. Zu diesem Resultat kommt Willis Towers Watson in ihrer neuen Pensions-Risk-Studie. „Deutsche Pensionsanleger verharren in klassischen Anlagemustern. Dadurch verschenken sie Renditepotenziale“, sagt Tobias Bockholt, Leiter Investments bei dem Risikomanagement- und Beratungsunternehmen.
Momentan sei es sehr schwierig, Renditen zu erwirtschaften, die mit Blick auf die Pensionszusagen auskömmlich sind. Umso wichtiger seien alternative und illiquide Investments. „Pensionsanleger müssen komplexe Portfolien bauen“, fordert Bockholt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Sie müssen breit diversifizieren und frühzeitig in neue Themen und Regionen sowie in Nischen gehen, die nicht en vogue sind.“ Beispielhaft nennt er chinesische A-Aktien und Risikotransfergeschäfte.
Das Lieblingsthema unter alternativen Investments sei Private Equity. Man müsse sich aber fragen, ob es genug Investitionsmöglichkeiten für die stark wachsenden Kapitalzusagen gebe. Bockholt spricht von einem „Lemminge-Effekt“. Statt mit den Markttrends zu investieren, rät er, außerhalb des Mainstreams beizeiten neue Nischenstrategien aufzunehmen. Dadurch könnten Investoren den First-Mover-Vorteil für die Profitabilität ihres Portfolios nutzen. Der Berater plädiert für eine „strategische Ausrichtung auf möglichst viele Opportunitäten auf globaler Ebene“.
Die Öffnung des chinesischen Kapitalmarkts im vergangenen Jahr bietet laut Bockholt große Investitionschancen. Seither können Ausländer und nicht mehr nur Chinesen A-Aktien erwerben, die in lokaler Währung notieren und nur an chinesischen Börsen gehandelt werden. In den internationalen Aktienmarktindizes sei China klar unterrepräsentiert. Zudem biete das Land einen Diversifikationsvorteil, da die Korrelation mit dem Weltaktienindex MSCI World vergleichsweise gering ist. Aufgrund des stark steigenden Pro-Kopf-Einkommens sei das Wachstumspotenzial Chinas deutlich höher als in den USA.
Risikotransfer-Geschäfte
Als Beispiel für Risikotransfer-Investments nennt Bockholt die Absicherung von Ausfallrisiken für Infrastrukturkredite. Damit könnten höhere Renditen als mit Aktien erzielt werden – bei geringerer Volatilität. Die derzeitige Marktdynamik biete einen „außergewöhnlichen Einstiegszeitpunkt für Risikotransfer-Anleger mit hochwertigen Vermögenswerten als Besicherung“, heißt es in der Studie. Banken können mit solchen Geschäften ihren Eigenkapitalbedarf verringern. Ein ideales Portfolio für regulierte Investoren wie Pensionskassen und -fonds sowie Versorgungswerke ermögliche eine Zusatzrendite von 40 Basispunkten, sagt Bockholt. Im unregulierten Bereich (ausgegliederte Pensionsvermögen der betrieblichen Altersvorsorge) seien es sogar 90 Punkte.
An der 12. Pension-Risk-Studie haben 36 institutionelle Investoren mit insgesamt 130 Mrd. Euro Assets teilgenommen. 87% gaben an, dass im vergangenen Jahr das Renditeziel erreicht wurde. Die erwartete künftige Rendite der Studienteilnehmer bewegt sich bei 2% im Jahr. Erstmals liegen die Erwartungen der regulierten und der unregulierten Investoren gleichauf, hebt Willis Towers Watson hervor. In der Vergangenheit waren die Erwartungen der unregulierten Anleger höher.
Die Analyse bescheinigt deutschen Pensionsanlegern, dass ihre Portfolien inzwischen breiter diversifiziert und globaler ausgerichtet sind. Der Anteil von Immobilien, Private Equity, Infrastruktur und anderen alternativen Anlagen hat sich von 8% im Jahr 2015 auf 23% erhöht. Die regulierten Investoren hätten weiter die Allokation in Anleihen zugunsten von Aktien und Alternatives reduziert, doch werde der Spielraum im Hinblick auf illiquide Assets nicht in Gänze genutzt.
Ausrichtung auf Klimaschutz
Für Investments in Nischen brauche man Personal, Know-how, Erfahrung und technische Systeme, sagt Bockholt. Umsetzung und Monitoring seien komplexer als bei klassischen Anlagethemen. Ob man die Kompetenzen im eigenen Haus aufbaue oder auf externe Ressourcen zurückgreife, hänge nicht zuletzt von der Größe der Pensionseinrichtung ab. Häufig würden gemischte Ansätze verfolgt.
Großen Investitionsbedarf sieht Bockholt im Klimaschutz. Darauf müsse man das Portfolio strategisch ausrichten. „Wer Nachhaltigkeit nicht ausreichend berücksichtigt, läuft Gefahr, dass die Werthaltigkeit der Investments langfristig nicht gewährleistet ist“, warnt der Experte. Viele Investoren beachteten das Thema zwar, aber nicht strategisch und über alle Assetklassen hinweg. Bockholt geht davon aus, dass es künftig eine Regulierung für den CO2-Fußabdruck eines Portfolios geben wird: „Deshalb sollte man schon heute darüber nachdenken.“