"Retourenrepublik" Deutschland

Von Kristin Seidel, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.11.2013 Spätestens mit dem November rückt für den Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft in den Vordergrund. Die verbleibenden Wochen bis zum Fest sind für viele Händler für das Jahresresümee...

"Retourenrepublik" Deutschland

Von Kristin Seidel, FrankfurtSpätestens mit dem November rückt für den Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft in den Vordergrund. Die verbleibenden Wochen bis zum Fest sind für viele Händler für das Jahresresümee entscheidend. Dabei gehen immer mehr Verbraucher online auf Geschenkejagd. Vor einem Jahr erzielte der “interaktive” Handel (online, TV und Katalog) laut Bundesverband des deutschen Versandhandels (BVH) einen Gesamtumsatz von 8,3 Mrd. Euro – ein Zehntel des gesamten Einzelhandels. Allein online wurden Waren im Wert von 5,5 Mrd. Euro umgesetzt. Binnen Jahresfrist war das ein Plus im sogenannten E-Commerce von rund 25 %. Ein ähnliches Wachstum wird auch in diesem Jahr erwartet.Die steigenden Zahlen verwundern nicht, denn die Online-Versandhäuser locken mit attraktiven Angeboten: Lieferung bis zur Haustür, 100 Tage Rückgaberecht, kostenlose Retoure. Das aber kann sich schon im nächsten Jahr ändern. Denn ab 13. Juni 2014 gelten auch in Deutschland die Vorgaben der EU-Richtlinie im Fernabsatzrecht.Die neuen Regelungen sehen unter anderem vor, dass Verbraucher die Kosten der Rücksendung tragen sollen, wenn der Händler sie vorher darüber informiert hat. Gerade die Deutschen gelten als sehr “retourenfreudig”. Das könnte den einen oder anderen Versandhändler animieren, für Retouren Beiträge zu verlangen. Hohe Retourenquoten verursachen hohe Kosten. Nach einer Untersuchung der IBI Research an der Universität Regensburg planen vier von zehn Kunden bereits beim Online-Kauf eine Rücksendung bewusst ein.Dennoch: Wie die Händler auf die neuen gesetzlichen Möglichkeiten reagieren, ist noch völlig unklar. “Es gibt in der Branche kein homogenes Meinungsbild zu diesem Thema”, erklärt Christin Schmidt vom BVH. Große und mittelständische Unternehmen wollen die Kunden in der Regel nicht zur Kasse bitten, während kleinere Unternehmen zumindest die Option intensiv prüfen dürften. Wie sehr hohe Retourenkosten die Bilanzen belasten, ist ohnehin ein wohlgehütetes Geheimnis. Die Online-Händler lassen sich erwartungsgemäß bei diesem sensiblen Thema nicht in die Karten schauen. Branchenriese Amazon will sich gar nicht zu diesem Thema äußern und erklärt auf Nachfrage, dass es sich um Interna handle, die nicht veröffentlicht würden.Auch Otto.de, die Nummer 2 der umsatzstärksten deutschen Versandhäuser, rückt mit der Retourenquote nicht heraus. Die Angabe konkreter Zahlen sei wenig sinnvoll, da sie weder sortimentsseitig noch für den Handel an sich eine belastbare Vergleichsgröße darstellen würden, heißt es in einem Statement des Versandriesen. Die BVH-Sprecherin schätzt, dass die Retourenquote der Branche im Bereich Bekleidung bei 45 bis 50 % liegt. “Bei Kleinelektronik und weißer Ware sind es weniger als 5 %”, erklärt Schmidt. Jedes zweite PaketDie Nummer 4 im Markt gibt ihre Retourenquote preis: Bei Zalando geht jedes zweite Paket zurück. Was das den Online-Schuh- und -Modehändler kostet, will auch er nicht verraten. “Wir kommunizieren schon mehr Zahlen als früher, aber wir sind als GmbH nicht verpflichtet, zu allem Auskunft zu geben”, sagt Boris Radke von Zalando Deutschland, die sich laut Finanzmarktkreisen auf einen Börsengang vorbereitet. “Die neuen Regelungen mögen für andere Branchen, die weniger margenträchtig sind, interessant sein. Aber nicht für uns. Wir wollen unsere Kunden langfristig binden, und die Retoure bleibt kostenlos”, macht Radke von Zalando klar.Bei so viel Geheimniskrämerei um die Retourenkosten wird man schnell stutzig. Der Branchenverband schätzt, dass pro Retourensendung weniger als 7 Euro Kosten anfallen. Laut IBI Research können aber rund 40 % der befragten Online-Händler ihre Retourenkosten gar nicht einschätzen. Für Unternehmen, die auf wirtschaftlichen Erfolg aus sind, mehr als ungewöhnlich. Ansonsten werden laut IBI Research die Kosten im Durchschnitt auf 20 Euro pro Rücksendung geschätzt – das ist fast das Dreifache der vom BVH angesetzten Kosten.Dass die Retourenkosten, wie hoch sie auch wirklich sein mögen, drücken, zeigen die vielen Maßnahmen der Unternehmen, mit denen die Rücksendungen verringert werden sollen. Da wird mit detaillierten Produktbeschreibungen gearbeitet, aber auch Körpervermessungsprogramme sollen bei der Größenwahl helfen und Rezensionen anderer Kunden über Social Media-Kanäle die Entscheidung erleichtern. ——–Der Online-Versand wächst rasant. Damit steigen zugleich die Kosten für Rücksendungen.——-