DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: CHRISTIAN MIELSCH

Rewe arbeitet an Anschlussfinanzierung für Kreditlinie

Volumen wird auf 1,75 Mrd. Euro reduziert - Schuldscheindarlehen soll folgen - Finanzchef: Discounter Penny sehr wichtige Säule in Deutschland

Rewe arbeitet an Anschlussfinanzierung für Kreditlinie

– Herr Dr. Mielsch, 2009 ließ sich Rewe erstmals eine Bonitätsnote geben, mit der Absicht, sich in der Finanzierung von den Banken unabhängiger zu machen. Geschehen ist seither wenig. Warum?Kurz nach dem Einholen des Ratings hat Rewe Transgourmet verkauft. Das hat uns sehr viel Geld in die Kasse gebracht und weitere Schritte an den Kapitalmarkt nicht notwendig gemacht. Trotzdem bleibt es mittelfristig unser Ziel, uns strategisch für ein diversifiziertes Finanzierungsportfolio zu öffnen. Dazu gehört als Voraussetzung auch das Rating.- Sind Sie mit der Bonitätsnote von “BBB-” zufrieden?Wir sind zufrieden, ein Investment-Grade-Rating zu haben. Als Folge unserer Geschäftsentwicklung ist künftig eine Ratingverbesserung möglich. Wenn wir unsere Planungen erreichen – wovon wir ausgehen -, können wir auch eine höhere Bonitätseinstufung erreichen.- Ein zu gutes Rating beziehungsweise eine zu geringe Verschuldung ist aber auch ineffizient. Was schwebt Ihnen langfristig vor?Wenn wir unsere Planung simulieren, dann bewegt sich unser Rating deutlich und nachhaltig im “BBB flat”-Bereich. Damit würden wir uns wohlfühlen. Wichtiger als eine Ratingverbesserung ist aber zweifelsohne der Erhalt des Investment Grade.- Warum?Das Investment-Grade-Rating ist relevant, um auch andere Finanzierungsinstrumente einsetzen zu können.- Relevant oder erforderlich?Beides. Relevant, um die Finanzierungskosten zu senken. Künftig ist es vermutlich auch erforderlich, auf jeden Fall macht es uns flexibler.- Können Sie abschätzen, um wie viel sich die Finanzierung verteuert, wenn Sie das Investment-Grade-Rating verlieren würden?Das würde uns heute ganz grob 0,25 Prozentpunkte kosten. Aber ich gehe davon aus, dass die Spreads in der Zukunft aufgrund der Bankenregulierung deutlich anziehen werden. Schon heute müssen wir gegenüber der syndizierten Kreditlinie aus dem Jahr 2007 deutlich höhere Risikoaufschläge zahlen.- Ist der syndizierte Kredit variabel verzinst, so dass Sie von jeder Zinssenkung der EZB profitieren?Ja. Aber wenn wir eine längerfristige Ziehung aus dem Kredit absehen können, sichern wir den Zins über diesen Zeitraum vollständig ab.- Standard & Poor’s lobt die herausragende Marktposition der Rewe in Deutschland und Österreich, spricht aber umgekehrt von einer schwachen Finanzpolitik. Was ist damit gemeint?Das bezieht sich auf das Jahr 2008 und wird seither so fortgeschrieben. Damals nutzten wir den Spielraum für Akquisitionen. Dadurch sind die Kennzahlen, die wir in unserer Financial Policy formuliert haben, aus dem mittleren Bereich herausgerutscht. Im Gegensatz zur Ratingagentur betrachten wir unsere Finanzpolitik als konservativ und bindend. Unsere starke Entschuldung in den letzten Jahren untermauert das.- Derzeit finanziert sich Rewe über eine syndizierte Kreditlinie. Wie hoch ist diese?Das Volumen lag ursprünglich bei 2 Mrd. Euro. Wir stehen aber gerade in Verhandlungen über eine neue Linie, denn die alte läuft im kommenden Jahr aus. Die Anschlussfinanzierung über eine syndizierte Linie wollen wir noch in diesem Jahr abschließen.- Geht es um die gleiche Größenordnung?Wir verhandeln jetzt ein Volumen von 1,75 Mrd. Euro über eine Laufzeit von fünf bis sieben Jahren. Die Linie soll uns überwiegend als Liquiditätsreserve zur Verfügung stehen. Diese Vorgehensweise hat sich in der Vergangenheit bewährt, beispielsweise im Jahr 2008, als mehrere Akquisitionen getätigt wurden.- Wie viele Banken sind heute in der Linie engagiert, und wie soll das künftig aussehen?Wir haben heute 22 Banken in der Kreditlinie. Das ist eine sehr stabile Bankengruppe. Die künftige Bankengruppe soll eine ähnliche Größenordnung haben wie heute.- Nach welchen Kriterien wählen Sie die Banken aus?Es gibt keinen spezifischen Schwerpunkt. Es hängt natürlich zum einen von den Strategien der Banken ab. Zum anderen sind es Banken, die große Überlappungen mit unserem Länderportfolio haben und mit denen auch über den Kredit hinaus Geschäftsansätze bestehen.- Inwiefern spielt die regionale Aufstellung eine Rolle?Das ist wichtig mit Blick auf unsere Zusatzgeschäfte, die wir im Bankenkreis abwickeln können. Denn wir nehmen beispielsweise auch die Abwicklung des lokalen Zahlungsverkehrs mit diesen Banken vor.- Jenseits der deutschen Ländergrenzen ist Rewe im Lebensmittelhandel vorwiegend in Osteuropa unterwegs. Gehören auch osteuropäische Banken zum Konsortium?Nein, keine osteuropäischen Banken, sondern internationale, die auch in den Ländern, in denen wir aktiv sind, präsent sind. Es sei denn, Sie zählen Österreich zu Osteuropa, dort haben wir natürlich Bankpartner. Unser osteuropäisches Geschäft wird aus Wien gesteuert.- Legen Sie als genossenschaftlich organisiertes Unternehmen Wert darauf, dass dem Bankenpool auch Genossenschaftsbanken angehören?Das spielt für uns keine zentrale Rolle.- Sie haben eine Beteiligung an der DZ Bank von 2,2 %. Was haben Sie damit vor?Die DZ Bank-Beteiligung ist eine langfristige strategische Beteiligung.- Werden Sie sich an der Kapitalerhöhung beteiligen?Das haben wir noch nicht entschieden.- Wovon hängt das ab?Wir haben uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit dem Thema beschäftigt.- Aktuell haben Sie mit knapp 140 Mill. Euro so gut wie keine Nettoverschuldung mehr. Wie haben Sie den Abbau bewerkstelligt?Das Gros kam aus dem Verkauf von Transgourmet. Darüber hinaus haben wir uns operativ verbessert. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise einen operativen Cash-flow von 1,7 Mrd. Euro erwirtschaftet. 1,2 Mrd. Euro haben wir in Investitionen gesteckt, 500 Mill. Euro in den Schuldenabbau.- Sie sagen, mittelfristig kommen auch andere Finanzierungsinstrumente in Betracht. Geht das konkreter?Im ersten Ansatz werden das Schuldscheindarlehen sein, und im zweiten Ansatz könnten Anleihen hinzukommen. Letztlich hängt das aber davon ab, wie unser konkreter Finanzierungsbedarf aussieht. Wir haben 2010 ein erstes Schuldscheindarlehen aufgenommen. Auf dieser Basis wollen wir zunächst weiterarbeiten.- Worin liegt die Attraktivität eines Unternehmensbonds?Die Attraktivität eines Bonds liegt in der Unabhängigkeit von den Banken. Ein Bond wäre für uns in erster Linie ein strategisches Finanzierungsinstrument.- Das ist ein Schuldscheindarlehen doch auch.Nur bis zu einem gewissen Grad. Ein Schuldscheindarlehen wird ja auch wieder nur im Bereich der Finanzinstitutionen, also bei Banken und Versicherungen platziert.- Wer sind denn die Gläubiger bei dem 2010 ausgegebenen Schuldschein?Wir haben dahinter nur eine Bank stehen, die wir auch aus unserem syndizierten Kredit kennen. Die hat den Schuldschein nicht ausplatziert, von daher ist der Schuldschein eigentlich ein bilaterales Darlehen vom Charakter her. Künftig wollen wir Schuldscheine in einem breiteren Kreis von Anlegern unterbringen. Es werden aber allesamt institutionelle Investoren sein.- Warum keine Privatinvestoren, Rewe ist doch ein verbrauchernaher Name?Das wäre dann eine Anleihe, und was den Schuldschein von einer Anleihe unterscheidet, sind die Veröffentlichungspflichten. Daher ist der Schuldschein für uns zunächst attraktiver.- Rewe hat zuletzt ein großes Investitionsprogramm angekündigt. Wie hoch ist der jährliche Finanzierungsbedarf?Wir haben ein großes Investitionsprogramm in unsere Märkte in Österreich und Deutschland aufgelegt. Außerdem investieren wir in die Repositionierung von Penny. Insgesamt rechnen wir in diesem Jahr jedoch nur mit einem kleineren dreistelligen Millionenbetrag an zusätzlichem Finanzierungsbedarf.- Das heißt, nennenswerter Finanzierungsbedarf entsteht nur, wenn Rewe eine größere Akquisition tätigt.Ja. Aber wir sehen auch aus den laufenden Investitionen in das Geschäft einen Sockel, den wir längerfristig finanzieren wollen über Schuldscheindarlehen und Anleihen. Immer dann, wenn sich die Inanspruchnahme des syndizierten Kredites als längerfristig abzeichnet, verwenden wir zusätzlich andere Finanzierungsinstrumente zur Ausfinanzierung. Das können beispielsweise auch Immobilienfinanzierungen sein. Wir haben zuletzt ein neues Warenlager in Neu-Isenburg mit einem spezifischen Immobilienkredit über 125 Mill. Euro finanziert.- Kommen wir zum operativen Geschäft. Worin liegt der Sinn der Zwei-Säulen-Strategie, Rewe ist ja auch ein Touristikkonzern?Die Zwei-Säulen-Strategie hat einen Finanzierungsaspekt. Denn die Touristik liefert dann Cash-Überschüsse, wenn wir im Handel liquide Mittel brauchen. Dadurch haben wir keine sonderliche Saisonalität im Liquiditätsbedarf. Darüber hinaus arbeiten wir zunehmend auch an Synergien zwischen Touristik und Handel in Form zusätzlicher Vertriebsstellen im Handel. Wir verkaufen Reisen auch zunehmend in Supermärkten und Discountern.- Das Cross-Selling-Potenzial dürfte sich aber doch in Grenzen halten.Im Moment ist das Geschäft noch nicht so groß, das stimmt. Da ist sicher mehr Potenzial vorhanden. Die Touristik ist aber auch für sich betrachtet ein profitables Geschäft mit Wachstumspotenzial und eine feste Säule unseres Konzerns.- Rewe müht sich seit Jahren um die Sanierung des Discounters Penny. Was hat das bislang mit Blick auf Abschreibungen und Restrukturierung gekostet?Das ist schwierig zu sagen, weil beispielsweise auch in gesunden Standorten Wertberichtigungen vorzunehmen sind. Die Sanierung von Penny kostet einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag, der über mehrere Jahre verteilt ist. Wir wollen in 2016 mit Penny wieder positive Ergebnisse schreiben, wir haben dafür einen klaren Maßnahmenkatalog aufgestellt. Alle Maßnahmen werden planmäßig umgesetzt, und unsere Erwartungen haben sich bis jetzt komplett erfüllt. Inzwischen laufen wir unserem Plan sogar ein bisschen voraus.- Kommen bis dahin noch weitere Filialschließungen hinzu?Größere Filialschließungen sind nicht mehr geplant. Die Filialen, die nicht in das neue Penny-Konzept passen, wurden bereits geschlossen. 2012 haben wir 140 Filialen aufgegeben. Was jetzt noch an Schließungen und Neueröffnungen passiert, ist die überall übliche kontinuierliche Optimierung des Vertriebsnetzes.- Warum wurde der Ausstieg bei Penny Deutschland von Anfang an kategorisch ausgeschlossen?Penny ist für uns eine sehr, sehr wichtige Säule in Deutschland. Der Discount hierzulande hat einen Marktanteil am gesamten Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft von über 40 %. Aus diesem Segment wollen und werden wir uns nicht verabschieden. Außerdem: Als Einkäufer von Lebensmitteln braucht man ein gewisses Volumen, und das bekommen wir aus der Kombination von Rewe und Penny.- Die Supermärkte sind aber ungleich profitabler. Liegt es da nicht nahe, Filialen umzuwidmen?Discounter und Supermärkte sprechen unterschiedliche Zielgruppen und Bedürfnisse an. Es macht in der Regel keinen Sinn, eine Penny-Filiale in eine Rewe-Filiale umzuflaggen. Das macht den Standort nicht notwendigerweise erfolgreicher.- Welche der beiden Säulen – Touristik oder Lebensmittelhandel – wirft höhere Margen ab?Wenn man es auf die Umsatzrendite bezieht, hat die Touristik die höhere Marge.- Können Sie das quantifizieren?Das kann ich leider nicht. Wir veröffentlichen keine Segmentergebnisse.- Das hängt sicher mit der Rechtsform zusammen. Da Sie lange für Metro gearbeitet haben, haben Sie den direkten Vergleich zwischen einer börsennotierten Aktiengesellschaft und einer Genossenschaft. Worin liegen nach Ihrer Einschätzung die Vorteile der Genossenschaft?Ja, ich habe, bevor ich bei der Rewe begonnen habe, auch für verschiedene börsennotierte Unternehmen gearbeitet. Ein Vorteil der genossenschaftlichen Struktur, der sofort ins Auge springt, ist die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Wenn man als Vorstand mit einem Aufsichtsrat zu tun hat, der aus Kaufleuten und Mitarbeitervertretern besteht, dann spricht man mit Leuten, die sich im Geschäft sehr gut auskennen, die jeden Tag auf der Fläche stehen. Man redet über Dinge, die wirklich relevant sind und die Unternehmenswirklichkeit betreffen. Es geht nicht um Börsengeschichten, sondern um das tägliche Leben und die Zukunft des Händlers. Das bestimmt dann auch unser Handeln als Vorstand.- Gibt es weitere Vorzüge?Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit nachhaltiger Entscheidungen. Unsere Shareholder haben ein sehr langfristiges Interesse an dem Geschäft. Die Kaufleute im Aufsichtsrat haben einen oder mehrere Supermärkte, die sie häufig an ihre Nachkommen weitergeben wollen. Es gibt keinen Dividendendruck, und da Dividenden bei uns keine zentrale Rolle spielen, können wir unsere Gewinne weitgehend thesaurieren. Die Nachhaltigkeit ist bei Rewe somit zuerst in der genossenschaftlichen Struktur begründet und hat auch einen starken finanziellen Aspekt.- Wo liegen die Nachteile?Gibt es Nachteile? Im Moment für uns nicht. Eine nicht börsennotierte Gesellschaft hat es unter Umständen schwerer, kurzfristig höhervolumige Eigenkapitalerhöhungen durchzuführen. Somit fehlt dieses Finanzierungsinstrument. Zusätzliches Eigenkapital zu bekommen geht bei uns im Wesentlichen nur über den Weg der Thesaurierung von Gewinnen. Das heißt, eine Riesenakquisition wäre unter Umständen nicht so leicht zu stemmen. Für das, was wir vorhaben, ist jedoch die Genossenschaftsstruktur ideal.- Es gibt aber auch das Thema Dezentralität, das in Genossenschaften sehr stark nach vorn getragen wird. Erschwert das die Entscheidungsdurchsetzung?Das ist doch gerade der Vorteil. Die Geschäfte der Kaufleute entwickeln sich seit Jahren besser als das filialisierte Geschäft. Wir sind davon überzeugt, dass die Selbständigkeit auf der Fläche einen Vorteil bringt, wenn das Ganze in ein gesamtheitliches Konzept eingebettet ist. Bei Rewe kombinieren wir zentrale Schlagkräftigkeit mit dem unternehmerischen Engagement auf der Fläche.- Wenn die selbstständigen Kaufleute so viel besser wirtschaften als die Filialen, warum schaffen Sie dann nicht die Filialen ab und konzentrieren sich als Zentrale auf die übergeordneten Funktionen?Diesen Trend gibt es seit einigen Jahren. Die Stärke der Rewe beruht aber auch auf einer Ausgewogenheit von Filialgeschäft und Selbständigkeit. Und es ist auch immer die Frage, wie schnell man Kaufleute findet. Das ist ein evolutionärer Prozess.- Wenn es um Themen wie den einheitlichen Marktauftritt in ganz Deutschland geht, ist es doch sicher schwer, das in der Organisation durchzusetzen.In einer Organisation wie der Rewe sind die Kaufleute eng eingebunden. Es gibt Strategieausschüsse, an denen die Kaufleute beteiligt sind. Die Ausschüsse gibt es auf regionaler und auf nationaler Ebene. Dort werden die wesentlichen Entscheidungen über die strategische Ausrichtung zentral getroffen. Das funktioniert sehr gut.- Nimmt dieses Vorgehen nicht wesentlich mehr Zeit in Anspruch?Ich habe das bislang nicht festgestellt. Nach meiner Wahrnehmung ist die Rewe sehr entscheidungsfähig. Aber vor allem wird dadurch die Qualität in der Entscheidung und in der Umsetzung besser.- Ist das eine Erkenntnis Ihres beruflichen Werdegangs?Was in der Rewe-Struktur sehr positiv ist, ist das Zuhören. Denn die Leute, die täglich auf der Fläche stehen, sind an sehr prominenter Stelle in die Entscheidungsfindung eingebunden. Ich denke, dass wir dadurch im Schnitt bessere Entscheidungen treffen.—-Das Interview führte Annette Becker.