Richemont beruhigt Anleger mit positiven Zeichen
Richemont beruhigt Anleger mit positiven Zeichen
Luxusgüterhersteller hat sich in den schwierigen Monaten seit Jahresbeginn als unerwartet robust erwiesen
dz Zürich
Aktionäre von Luxusgüterherstellern brauchen gerade besonders starke Nerven. Die Titel der Cartier-Eigentümerin Richemont schwanken an der Schweizer Börse seit Jahresbeginn in einem ungewöhnlich breiten Kursband zwischen 100 sfr und 150 sfr und damit sind sie nicht allein. Ebenso turbulent geht es am Pariser Aktienmarkt mit LVMH oder Kering (Gucci) zu.
Spuren des Kering-Schocks
Es herrscht große Unsicherheit über die Entwicklung des Konsumentenvertrauens, vor allem in der chinesischen Ober- und Mittelschicht, dem wichtigsten Käufersegment für die europäischen Hersteller exklusiver Markenprodukte im Mode-, Schmuck- und Uhrenbereich.
Wir erinnern uns: Im April hatte Kering die Investoren mit einem desaströsen Quartalsausweis – vor allem in der Flaggschiffmarke „Gucci“ schockiert. Der Einbruch der Gucci-Verkäufe um 18% sah ganz nach einem unvermittelten Käuferstreik aus. Kurz darauf zeigten die Zahlen von LVMH, dass es ganz so schlimm doch nicht für alle kommen muss. Aber auch bei LVMH waren die Bremsspuren in den ersten drei Monaten des Jahres unübersehbar: Umsatz −2% – nach einem Plus von 9% in den zwölf Monaten des Vorjahres – und vor allem ein starker Einbruch nach einem überraschend robusten Schlussquartal 2023.
In diesem Klima wirkten die am Freitag vom Richemont-Konzern vorgelegten Jahreszahlen (per Ende März) wie ein Aufputschmittel. Nicht nur gelang es dem von der südafrikanische Familie Rupert kontrollierten Unternehmen, die wertberichtigungsbedingte Vorjahresdelle auszugleichen, den Umsatz auf das Rekordniveau von 20,6 Mrd. Euro zu steigern (+3%) und auch den Jahresgewinn mit 2,4 Mrd. Euro wieder nahe an das Vor-Pandemie-Niveau (2,8 Mrd. Euro) heranzuführen. Vielmehr noch zeigt der Konzern im letzten Abschnitt des Fiskaljahres, also in den ersten drei Monaten 2024, eine Resilienz, die ihm nach den jüngsten Erfahrungen mit der Konkurrenz viele nicht mehr zugetraut hatten. Das Wachstum von Richemont in dem kritischen Zeitabschnitt erwischte insbesondere auch zahlreiche pessimistisch gewordene Analysten auf dem falschen Fuß, wie der Kursanstieg an der Six Swiss Exchange am Freitag um 5,5% auf gut 145 sfr erkennen ließ.
Damit haben die Richemont-Valoren ihren Performance-Vorsprung gegenüber LVMH in den vergangenen zwölf Monaten auf 5% ausgedehnt, was nach Jean-Philippe Bertschy, Chefanalyst der Vontobel-Gruppe und langjähriger Branchenkenner, nur die Folge einer Entwicklung sei, die sich schon seit längerer Zeit abzeichne. Im Schmuck- und Uhrengeschäft sei Richemont der Konkurrenz enteilt, sagt Bertschy. Er unterlegt die Aussage mit einem Vergleich der Hard-Luxury-Umsätze mit LVMH seit 2022, der deutlich zugunsten von Richemont ausfällt. „Starke und entsprechend preismächtige Marken im High-End-Bereich“, mit einem solchen Portefeuille könnten Luxusgüteranbieter auch im aktuellen Umfeld erfolgreich agieren, glaubt Bertschy. Für das Argument spricht auch, dass Richemont die Dividende von 2,5 sfr auf 2,75 sfr pro A-Aktie erhöht, die letztjährige Sonderausschüttung von 1 sfr nun zur Hälfte in die ordentliche Dividende integriert.
Online-Fantasie verfliegt
Gebremst wird Richemont weiter von der Online-Vertriebstochter Yoox-Net-a-Porter (YNAP), die das Konzernergebnis auch im Berichtsjahr mit einem Verlust von 1,5 Mrd. Euro belastet hat. Der Plan zur Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem britischen Onlinehändler Farfetch war im Dezember gescheitert, nachdem Farfetch in die Hände des südkoreanischen Mitbewerbers Coupang gelangt war. Richemont sucht immer noch nach einer Käuferin für YNAP, denn im High-End-Bereich des Luxusgütersegments sind die Erwartungen an das Onlinegeschäft jüngst deutlich bescheidener geworden.