Richtlinie über Immobilienkredite zieht Kreise
Von Florian Wagner und Anna-Luise Achenbach *)Anbieter von Konsumentenkrediten müssen ihre Formulare und Abläufe überprüfen sowie ihre Mitarbeiter schulen. Grund dafür ist das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, das zum 21. März 2016 in Kraft getreten ist.Ziel des Gesetzes sowie der zugrundeliegenden Richtlinie ist es, Verbraucher bei der Vergabe von Krediten stärker zu schützen. Anders als der Begriff Wohnimmobilienkreditrichtlinie vermuten lässt, enthält das Gesetz jedoch keineswegs nur Regelungen für Immobilienkredite. Auch Finanzierungen von Konsumgütern oder Dienstleistungen, also zum Beispiel Kfz-Finanzierungen, sind von den neuen gesetzlichen Anforderungen betroffen. Solche Konsumentenkredite bezeichnet der Gesetzgeber nun als Allgemein-Verbraucherdarlehen. Der Tatsache, dass auch solche Darlehen in den Geltungsbereich des Umsetzungsgesetzes fallen, ist in der öffentlichen Diskussion bislang kaum Aufmerksamkeit gewidmet worden. Erhöhte AnforderungenDer Kreditgeber ist verpflichtet, dem Kreditnehmer vor Abschluss eines Kreditvertrags verschiedene gesetzlich bestimmte vorvertragliche Informationen zukommen zu lassen. Unter anderem ist der Kreditnehmer über Art, Höhe und Rückzahlungsmodalitäten des Kredits unter Verwendung des gesetzlichen Merkblattes Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite zu informieren. Diese bestehende Informationspflicht wurde vorverlegt: Es reicht nicht mehr, wenn der Kreditnehmer nur rechtzeitig vor Vertragsschluss informiert wird. Das Merkblatt muss ihm schon zur Verfügung stehen, bevor er an seine Vertragserklärung gebunden ist. Im Ergebnis bedeutet dies für den Kreditgeber eine Verschärfung seiner vorvertraglichen Informationspflicht und eine gesetzliche Absage an die Möglichkeit einer sehr späten vorvertraglichen Information des Kreditnehmers. Anreize offenlegenEine weitere Änderung in der vorvertraglichen Information betrifft die Beteiligung von Kreditvermittlern. Bisher reichte es aus, wenn dem Kreditnehmer ein mögliches Entgelt des Vermittlers offengelegt wurde. Nunmehr sind dem Kreditnehmer vor Abschluss des Vermittlungsvertrags sämtliche Anreize mitzuteilen, die der Vermittler vom Kreditgeber erhält, einschließlich ihres Werts. Sonstige Anreize können etwa unterstützende Sachleistungen in Form von Schulungsveranstaltungen oder die Erbringung von Beratungsunterstützung sein. Sofern Kreditgeber mit gebundenen Vermittlern zusammenarbeiten, die ausschließlich oder im Wesentlichen ihre Produkte vermitteln, sollten sie daher dafür Sorge tragen, dass die Vermittler diese ausgeweitete Informationspflicht berücksichtigen.Zudem hat der Gesetzgeber ein neues Muster für die Widerrufsbelehrung bei Konsumentenkrediten zur Verfügung gestellt. Um nicht Gefahr zu laufen, dem Kreditnehmer eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung zukommen zu lassen, die bei einem Konsumentenkredit nach wie vor zu einem “ewigen Widerrufsrecht” des Kreditnehmers führen kann, sollten Kreditgeber ihre derzeit verwendeten Widerrufsbelehrungen überprüfen und bei Bedarf anpassen.Weiter hat der Gesetzgeber die Kreditwürdigkeitsprüfung neben den neuen aufsichtsrechtlichen Regelungen nun auch zivilrechtlich im Bürgerlichen Gesetzbuch ausgestaltet. Mit dieser gesetzlichen Neuerung geht der gesetzgeberische Gedanke einher, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht mehr als eine primär im öffentlichen Interesse liegende Pflicht, sondern gleichwertig auch als Schutzpflicht gegenüber dem Verbraucher zu verstehen ist.Nach den neuen Vorschriften darf ein Konsumentenkredit nur noch dann vergeben werden, wenn keine erheblichen Zweifel daran bestehen, dass der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag vertragsgemäß nachkommen wird. Grundlage für diese vom Kreditgeber vorzunehmende Kreditwürdigkeitsprüfung sind in erster Linie Auskünfte des Kreditnehmers selbst zu seiner finanziellen und persönlichen Situation. In Fällen, in denen diese Informationen nicht ausreichen, ist der Kreditgeber verpflichtet, auf externe Dienstleister, etwa die Schufa, zurückzugreifen. Kündigung möglichBei Verstoß des Kreditgebers gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung ermäßigt sich ein im Kreditvertrag vereinbarter Zinssatz auf den marktüblichen Zinssatz. Darüber hinaus kann der Kreditnehmer den Vertrag fristlos kündigen, ohne dass der Kreditgeber einen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat. Kreditgeber sollten daher darum bemüht sein, die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers entsprechend den neuen gesetzlichen Anforderungen zu prüfen. Effektiver JahreszinsAuch rund um die Angabe und die Berechnung des effektiven Jahreszinses haben sich Änderungen für Konsumentenkredite ergeben. Wenn etwa der Kreditgeber den Abschluss des Kreditvertrags davon abhängig macht, dass der Kreditnehmer eine Nebenleistung wie beispielsweise eine Versicherung abschließt, und wenn deren Kosten nicht im Voraus bestimmt werden können, so muss der Kreditgeber in klarer, eindeutiger und auffallender Art und Weise darauf hinweisen, dass eine Verpflichtung zum Abschluss eines weiteren Vertrags besteht und wie hoch der effektive Jahreszins des Kredits ist. Diese erweiterte Informationspflicht führt dazu, dass vor allem die Vertragsdokumente entsprechend angepasst werden müssen.Aber auch im Bereich der Werbung, die Preise oder Preisbestandteile enthält, sind die Auswirkungen dieser zusätzlichen Informationspflicht mit entsprechendem Anpassungsbedarf spürbar. Zudem ist nun eindeutig von Gesetzes wegen klargestellt, dass als Bezugszeitraum für die Berechnung des effektiven Jahreszinses die vereinbarte Kreditlaufzeit zugrundezulegen ist. Für eine anderweitige Handhabung, wonach beispielsweise die Kosten des Kredits bei der Berechnung des Effektivzinses auf den Zeitraum der Sollzinsbindung verteilt werden, ist kein Raum mehr. Für Kreditgeber, die bislang den Effektivzins auf Grundlage der Sollzinsbindung ermittelt haben, kann dies eine aufwendige Anpassung ihrer häufig IT-gestützten Rechentools bedeuten. Schließlich bringt das Umsetzungsgesetz auch Änderungen für unentgeltliche Kreditverträge mit sich. Bei solchen sogenannten Null-Prozent-Finanzierungen besteht nun ebenso wie bei entgeltlichen Kreditverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht des Kreditnehmers. Für Kreditgeber hat dies zur Folge, dass sie den Kreditnehmer über sein Widerrufsrecht informieren und die Vertragsdokumente entsprechend anpassen müssen. Hierfür empfiehlt es sich in jedem Fall, das gesetzliche Muster zu verwenden.Zudem ist vor Abschluss eines unentgeltlichen Kreditvertrags nun die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers nach den oben dargestellten zivilrechtlichen Grundsätzen zu überprüfen. Bei einem Verstoß des Kreditgebers gegen die Prüfpflicht kann der Kreditnehmer auch einen unentgeltlichen Kreditvertrag fristlos kündigen, ohne dass der Kreditgeber einen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat. Akuter HandlungsbedarfRelevanz und Umfang der seit März 2016 geltenden neuen Regelungen, die sich auf die Vergabe von entgeltlichen und unentgeltlichen Konsumentenkrediten bezieht, sind nicht zu unterschätzen. Um potenzielle Rechts- und Haftungsrisiken zu vermeiden, sollten Kreditgeber daher die rechtskonforme Umsetzung und Einhaltung der neuen Regelungen in ihrem Geschäftsbetrieb prüfen und sicherstellen. Die letzten Monate haben gezeigt, dass die Umsetzung der neuen, erhöhten Anforderungen mit ganz erheblichem prozessualen und IT-technischen Aufwand für die Kreditgeber verbunden sein kann, weshalb bei der Prüfung und Umsetzung der neuen Anforderungen keine Zeit verloren werden sollte.—-*) Florian Wagner und Dr. Anna-Luise Achenbach sind Anwälte der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft.