Ringen um Verzinsung der Netzinvestitionen
Von Annette Becker, Düsseldorf
Klappern gehört zum Handwerk. Von daher verwundert es nicht, dass der Lobbyverband der Energiewirtschaft, der BdEW, den im Juli vorgestellten Entwurf der Netzagentur zur Senkung der Eigenkapitalverzinsung für Investitionen in Strom- und Gasnetze für die vierte Regulierungsperiode in Bausch und Bogen verwirft.
Am 25. August war die Frist zur Stellungnahme zum Beschlussvorschlag der Bonner Behörde abgelaufen, im Herbst – bei Eon geht man von Oktober aus – erfolgt die verbindliche Festsetzung der regulierten Verzinsung.
Nicht zum Selbstkostenpreis
Der BdEW hält die Absenkung für „nicht sachgerecht“ und warnt davor, dass die Netzagentur mit ihrem Vorgehen die Energiewende gefährdet. „Fakt ist, dass moderne Netze nicht zum Selbstkostenpreis zu haben sind. Fakt ist außerdem, dass die 4. Regulierungsperiode für Strom- und Gasnetze in die heiße Phase der Energiewende fällt“, verdeutlicht Kerstin Andreae, Vorsitzende der BdEW-Hauptgeschäftsführung. Zwischen 2023 und 2028 – für die Stromnetze beginnt die neue Regulierungsperiode 2024 – müssten die Netzbetreiber ihre ganz Kraft in den Aus- und Umbau der Netze stecken; hierfür sei ein angemessener Regulierungsrahmen in dieser Zeit notwendig.
Gemäß dem Entwurf plant die Bundesnetzagentur, die Verzinsung um ein Drittel zu senken – für Neuanlagen von aktuell 6,91 % auf 4,59 % vor Steuern und für Altanlagen von derzeit 5,12 % auf 3,03 %. Die Zinssätze werden von den Netzbetreibern als Netzkosten veranschlagt und letztlich über den Versorger an den Endkunden weitergeleitet.
Nach Steuern verringerte sich der Zinssatz für Neuanlagen künftig auf 3,74 %. Damit bildete Deutschland das Schlusslicht im europäischen Vergleich (siehe Grafik). Zur Begründung für die Kürzung um ein Drittel verweist die Bonner Netzbehörde auf das niedrige Zinsniveau an den Kapitalmärkten. Das allein führt dazu, dass der Basiszins in der für die Stromnetze ab 2024 beginnenden Regulierungsperiode von 2,74 % auf 0,74 % sinkt. Zugleich sinkt der Wagniszuschlag auf 3 %.
Unzureichende Anreize
Nach Einschätzung von Eon-Chef Leonhard Birnbaum ist die vorgeschlagene Eigenkapitalverzinsung völlig unzureichend, um die für die Energiewende erforderlichen Investitionen anzureizen. Die Marktrisikoprämie sei die niedrigste in ganz Europa. Damit sei es für Investoren wesentlich attraktiver, im europäischen Ausland Geld in Netzinfrastruktur anzulegen, sagte er kürzlich. Für das Gelingen der Energiewende ist neben dem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien auch die Ertüchtigung der Netzinfrastruktur unabdingbare Voraussetzung. Das erfordert umfangreiche Investitionen in den Netzaus- und -umbau. Der Beirat der Bundesnetzagentur taxiert die erforderliche Investitionssumme allein für die Stromverteilnetze bis 2050 auf 110 Mrd. Euro und appelliert vor diesem Hintergrund an die Netzagentur, die ihr eingeräumten Regulierungsspielräume bei der Festsetzung der Eigenkapitalzinssätze zu nutzen. Mehr als ein Appell ist dem Beirat – dem politischen Gremium der Netzagentur – allerdings nicht erlaubt, agieren die Beschlusskammern der Bundesnetzagentur doch weisungsfrei.
Neben der Pauschalkritik macht der BdEW aber auch ernsthafte Bedenken in rechtlicher Hinsicht aus. Es sei fraglich, „ob die Regulierungsbehörde auch mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH rechtskonform ihren Beurteilungsspielraum richtig bewertet und ihr gerichtlich eingeräumtes Regulierungsermessen rechtsfehlerfrei ausübt“, heißt es in der Stellungnahme.
Erneut Klagen möglich
Das riecht förmlich danach, als wollten die Gas- und Stromnetzbetreiber die Netzagentur erneut vor den Kadi ziehen, sollte ihrer Forderung nach einer höheren Verzinsung nicht nachgegeben werden. Schon bei der Festsetzung der Zinssätze für die 3. Regulierungsperiode hatten 1100 Netzbetreiber – von Eon bis zu kleinen Stadtwerken – gegen die Kürzung geklagt. Einem Etappensieg vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf folgte jedoch im Juli 2019 die Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) (EnVR 41/18 und EnVR 52/18). Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und bekräftigte, dass der Netzagentur bei der Bestimmung des Zinssatzes, insbesondere bei der Wahl der dafür herangezogenen Methoden, ein Beurteilungsspielraum zustehe. Vor diesem Hintergrund dürften sich die Netzbetreiber recht gut überlegen, ob sie sich abermals auf ein solches, zumal auch langwieriges Unterfangen einlassen.
Ohnehin dürfte die Macht der Netzagentur künftig noch wachsen, zumindest wenn es nach dem Willen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof geht. Der Generalanwalt hatte im Januar in seinem Schlussantrag im Rahmen des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens dargelegt, dass der Regulierer seine Arbeit frei von jedem äußeren Einfluss ausüben können müsse.
Wagniszuschlag
Immerhin hatte sich die Netzagentur bei der Vorlage des Beschlussentwurfs mit Verweis auf den Wagniszuschlag ein Hintertürchen offen gelassen. An dieser Stellschraube könnte also noch gedreht werden.