Roche-Aktionäre werden ungeduldig
Roche-Aktionäre werden ungeduldig
Der Börsenwert fällt nach Zahlenvorlage unter 200 Mrd. sfr
dz Zürich
Der neue Roche-Chef Thomas Schinecker glaubt, dass der Pharmakonzern nur noch wenige Monate vor dem Ende einer langen Durststrecke steht. Doch die Investoren mögen in dem unsicheren Börsenklima nicht mehr länger ausharren. Am Donnerstag, nach Vorlage der Neunmonatszahlen, haben erneut viele Aktionäre ihre Beteiligungstitel auf den Markt geworfen und den Börsenwert des Konzerns auf ein Niveau gedrückt, das er vor gut sechs Jahren letztmals gesehen hatte. Der Genussschein verlor in den ersten Handelsstunden um 4,5% und drückte den Börsenwert unter 200 Mrd. sfr.
Starke Generika-Konkurrenz
In den vergangenen Jahrzehnten ist viel passiert. Die drei ersten großen biologischen Krebsmedikamente, die seit den 1980er Jahren in den Labors der kalifornischen Tochter Genentech entwickelt worden waren und in den besten Zeiten 20 Mrd. sfr oder bis zu 40% zum Umsatz des Roche-Konzerns beigetragen hatten, sind durch die Konkurrenz von preisgünstigeren Nachahmermedikamenten (auch vom Lokalrivalen Sandoz) auf einen Jahresumsatz von weniger als 5 Mrd. sfr geschrumpft.
Endgültig zur Neige gehen jetzt auch die Milliardeneinnahmen aus dem Verkauf von Covid-Tests und anderen Medikamenten zur Bekämpfung von Corona-Symptomen, die Roche in den vergangenen Jahren geholfen hatten, den Absturz über die Patentklippe zu bremsen. Die Folge ist ein Umsatzrückgang im laufenden Jahr im "niedrigen einstelligen Prozentbereich". Die Prognose ist zwar nicht neu, trotzdem war sie für viele Investoren offensichtlich Anlass genug Roche-Titel abzustoßen.
Der 48-jährige Thomas Schinecker, der im März in die Position des CEO aufgerückt war, ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Es bleibt ihm nichts anderes übrig als seine zunehmend ungeduldigen Aktionäre auf eine bessere Zukunft zu vertrösten. Diese beginne Ende März 2024, wenn die vergangen Covid-Einnahmen endgültig aus der Erfolgsrechnung "ausgewaschen" seien und sich nicht mehr negativ auf das Wachstum auswirken könnten. Spätestens dann werde das starke Wachstumspotential einer neuen Generation von Medikamenten und das dynamisch wachsende "Basisgeschäft" der Diagnostik-Division vollumfänglich sichtbar werden und auch an der Börse wieder für eine bessere Stimmung sorgen.
Covid-Effekt kompensiert
Der CEO verwies in einer Telefonkonferenz mit Journalisten auf den Umstand, dass Roche in den ersten neun Monaten des Jahres die Verkäufe wechselkursbereinigt um 1% auf 44,1 Mrd. sfr gesteigert und dazu die Ertragsausfälle bei Covid-Produkten und bei nicht mehr patentgeschützten Medikamenten in Höhe von 4 Mrd. sfr kompensieren musste. Verlassen kann sich der Manager immerhin auf seine wichtigsten Aktionäre, die Erben der Roche-Gründer, die eine Stimmenmehrheit am Konzern auf sich vereinen. Auch ihnen bleibt nichts anderes übrig, als das Ende der Durststrecke abzuwarten.