Roche zahlt Milliarden für neuartige Therapie
Roche stemmt Milliardenübernahme
Die Baseler setzen mehr als 7 Mrd. Dollar auf eine neue Therapie gegen chronische Darmerkrankungen
Roche will für 7,1 Mrd. Dollar zuzüglich weiterer Meilensteinzahlungen die Firma Telavant übernehmen, in der das Start-up Roivant und Pfizer ihre Interessen an einem Molekül zur Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen platziert haben. Es ist die größte Akquisition des Konzerns seit 14 Jahren.
dz Zürich
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind vor allem in den westlichen Industrieländern im Wachstum begriffen. "Morbus Crohn" oder "Colitis ulcerosa", wie die Leiden im medizinischen Jargon heißen, manifestieren sich typischerweise bei Männern und Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zum ersten Mal. Nicht selten kommt es zu gravierenden Symptomen, die für die Betroffenen eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität bedeuten. Oft müssen kranke Gewebeteile und bisweilen auch der ganze Dickdarm operativ entfernt werden. Therapien für eine vollständige Heilung gibt es bis dato keine.
Großer Bedarf
Dass sich Roche gerade in diesem Bereich mit einer Milliardenakquisition verstärken will, kommt nicht von ungefähr. Die Erkrankungen haben auch das Potenzial, signifikanten volkwirtschaftlichen Schaden anzurichten. Die Pharmaindustrie kann mit geeigneten Therapien auf Milliardenumsätze hoffen.
Der Kampf gegen das chronische Leiden hat in der jüngsten Zeit denn auch mehrere Pharmakonzerne in Bewegung versetzt. Erst im April hatte der US-Konzern Merck & Co. 10,8 Mrd. Dollar auf den Tisch gelegt, um die kleine Prometheus Biosciences zu erwerben, die mit der Entwicklung einer neuartigen Antikörpertherapie sehr vielversprechende Ergebnisse erzielt hat. Anfang dieses Monats setzte die französische Sanofi mit einer sogenannten Upfront-Zahlung von 500 Mill. Dollar einen Fuß in ein entsprechendes Forschungsprojekt des israelischen Teva-Konzerns.
Roche sei bereits im Januar anlässlich der J.P.-Morgan-Health-Care-Konferenz in San Francisco mit Roivant ins Gespräch über eine mögliche Zusammenarbeit gekommen, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Roivant hatte Anfang Januar Ergebnisse einer klinischen Studie mit 245 Patienten präsentiert, die das US-Start-up selbst als "Best in Class" gerühmt hatte. RVT-3101, wie die Roivant-Therapie im Arbeitstitel noch heißt, soll insbesondere im Vergleich zu einer nur einen Monat zuvor präsentierten Prometheus-Studie besonders gut abgeschnitten haben.
Hoch im Kurs
Die Roivant-Aktien haben sich an der Nasdaq seit Jahresbeginn um mehr als 170% verteuert. Der von Roche bezahlte Preis für das Flaggschiffprojekt des 2014 von dem 38-jährigen Investor, Selfmade-Unternehmer, Politaktivisten und republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Vivek Ramaswamy gegründeten Unternehmens ist bereits weitestgehend in dessen Marktbewertung eingeflossen.
Derweil zeigten die Roche-Titel am Montag an der Six Swiss Exchange keine sichtbare Reaktion auf den Zukauft, der laut Roche spätestens im ersten Quartal 2024 die Zustimmung der Wettbewerbsbehörden erhalten sollte. Die Roche-Valoren notierten angesichts einer aktuellen Wachstumsdelle auf einem Mehrjahrestief.
Neuer Ansatz
Ein neuer Blockbuster käme den Baselern da gerade recht. Nach Angaben von Roche leiden fast 8 Millionen Menschen weltweit unter chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten, und der neue Therapieansatz berge "einen erheblichen Patientenmehrwert". Die Therapie zielt darauf ab, ein Gen zu blockieren, das die aktuelle Forschung als hauptursächlich für die Entzündungen und Narbenbildungen im Darm identifiziert hat. Bisher erhalten Patienten zumeist mit Kortison und Operationen lediglich Schmerzbehandlungen. Die Ergebnisse der entscheidenden dritten klinischen Studienphase von Roivant stehen noch aus.
Roche will die Akquisition mit Fremdkapital finanzieren. Die Nettoverschuldung des Konzerns von aktuell rund 18 Mrd. sfr wird damit weiter zunehmen. Sie war im Turnus 2021 im Zuge des Rückkaufs aller Roche-Anteile von Novartis von nahe null auf den Wert von mehr als 18 Mrd. sfr gestiegen.