Pirelli

Rom bremst Pirelli-Großaktionär aus

Italiens Regierung begrenzt mit Hilfe einer Golden-Power-Regelung den Einfluss des chinesischen Pirelli-Großaktionärs Sinochem / ChemChina. Zur Begründung werden nationale Sicherheitsinteressen genannt.

Rom bremst Pirelli-Großaktionär aus

Rom bremst Pirelli-Großaktionär aus

Regierung besorgt um Einfluss von Sinochem wegen “nationaler Sicherheitsinteressen” – Management soll italienisch bleiben

bl Mailand

Die italienische Regierung hat von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht und die Macht des chinesischen Pirelli-Großaktionärs Sinochem/Chemchina, der 37% der Anteile hält, stark eingeschränkt. Unter Nutzung einer seit 2012 bestehenden sogenannten Golden-Power-Regelung, die 2019 erheblich ausgeweitet worden ist, beruft sich Rom dabei auf die Notwendigkeit, nationale Sicherheitsinteressen wahren zu müssen. Der Pirelli-Aktienkurs reagierte am Montag mit einem leichten Rückgang auf die Entscheidung.

Die Chinesen waren 2015 in einer für den Reifenhersteller schwierigen wirtschaftlichen Lage bei Pirelli eingestiegen und hatten für rund 7 Mrd. Euro die Mehrheit erworben. Die Anteile waren im Zuge des Börsengangs 2017 auf 37% reduziert worden. Ein Aktionärspakt sicherte der italienischen Holding Camfin von CEO Marco Tronchetti Provera bis dato weitgehende Vetorechte in entscheidenden strategischen Fragen sowie das Recht, die Schlüsselposten im Management zu besetzen. Doch im Zuge der Neuordnung des bestehenden Aktionärspakts zwischen Camfin und Sinochem im Frühjahr verlangte die chinesische Seite erhebliche Änderungen: Sie wollte nicht nur eine erheblich stärkere Mitsprache und weitreichende Informationen über die Unternehmenspolitik, sondern künftig auch das Management auswählen. Es war vor allem der chinesische Staat, der im Hintergrund zunehmend intervenierte.

Die Anmeldung des neuen Pakts rief die italienische Regierung, die die Regelung absegnen musste, auf den Plan. Die Befugnisse der Regierung in solchen Fragen sind 2019 erheblich vergrößert worden: In bis dato 13.000 überprüften Fällen gab es bisher sieben Vetos und 35 Fälle, in denen Bedingungen gestellt worden sind. Im konkreten Fall sieht Rom nationale strategische Interessen bedroht. Durch die in den Hochleistungsreifen eingebauten Sensoren würden sicherheitsrelevante Informationen über den Zustand von Autos, die Geolokalisation oder die Infrastruktur an Bordcomputer oder Smartphones weitergegeben.

Rom verlangt nun, dass die italienische Seite auch künftig mindestens vier Posten im zwölfköpfigen Verwaltungsrat einnimmt. Damit können strategische Entscheidungen, die mit einer Vierfünftelmehrheit getroffen werden müssen, blockiert werden. Das Management soll auch künftig von den Italienern bestimmt werden, die Chinesen sollen von sensiblen Informationen ausgeschlossen werden. Eine Reaktion von Sinochem, wo zuletzt der Staat seinen Einfluss massiv ausgeweitet hatte, steht noch aus. Pirelli ist in China stark vertreten.

Tronchetti Provera soll bei einer Anhörung der Regierung in Rom Alarm geschlagen haben. Er fürchtete offenbar um sein Lebenswerk, das er bedroht sah, aber auch um Geschäftsinteressen des Unternehmens.

Dem Vernehmen bedrohte der starke chinesische Einfluss bei Pirelli auch die Position des Unternehmens in den USA und in anderen Ländern. Pirelli, die mit Brembo (6%) einen weiteren italienischen Aktionär hat, kam 2022 auf einen Umsatz von 6,6 Mrd. Euro, einen Nettogewinn von 436 Mill. Euro und ist an der Börse mit 4,5 Mrd. Euro bewertet.

Pirelli muss nun bis Ende Juli eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen, um die Regelungen festzuzurren bzw. einen neuen Verwaltungsrat zu wählen. Ob die neue Regelung auch Auswirkungen auf den geplanten Wechsel an der Unternehmensspitze von dem seit 1992 amtierenden Tronchetti Provera zu Giorgio Bruno haben wird, ist einstweilen unklar.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.