Rückendeckung für Mitbestimmung

Europäischer Gerichtshof hält deutsche Regelungen für unionskonform - Gewerkschaften jubeln

Rückendeckung für Mitbestimmung

Die deutsche Unternehmensmitbestimmung bleibt in der bislang bekannten Form erhalten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die deutschen Regeln für unionskonform. Damit scheiterte die Klage eines Kleinaktionärs, der gegen die Zusammensetzung des Tui-Aufsichtsrates vorgegangen war.ahe Brüssel – Die von vielen Unternehmen und Arbeitnehmervertretungen befürchtete Umwälzung in der deutschen Mitbestimmung bleibt aus. Einer Entscheidung des EuGH zufolge können die Aufsichtsräte deutscher Konzerne auch künftig nur von den Vertretern der in Deutschland tätigen Arbeitnehmer gewählt werden. Die im Ausland tätigen Mitarbeiter dieser Unternehmen werden nach Einschätzung der Luxemburger Richter dadurch nicht diskriminiert.Der Europäische Gerichtshof entschied über die Klage von Konrad Erzberger, einem Kleinaktionär der Tui AG, deren Aufsichtsrat je zur Hälfte von den Anteilseignern und den Arbeitnehmern bestimmt wird. Erzberger hatte argumentiert, die deutschen Mitbestimmungsregeln verstießen gegen das Diskriminierungsverbot und hielten zugleich davon ab, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch zu machen. Dies wies das Gericht zurück.Auf Gewerkschaftsseite wurde das Urteil gefeiert. Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), sagte, das Urteil sei “ein großer Erfolg für die Demokratie in der Wirtschaft”. Diese gelte es nun zu sichern und auszubauen. Der Ball liege im Spielfeld der Politik, die auf europäischer wie auf deutscher Ebene das Erfolgsmodell Mitbestimmung an aktuelle Herausforderungen anpassen müsse. Folgen für Deutsche BörseDer Chef der IG BCE, Michael Vassiliadis, sprach von einem “guten Tag für die Rechte der Arbeitnehmer in Deutschland”. Die Richter hätten “ein deutsches Erfolgsmodell” gestärkt. Vassiliadis forderte eine EU-Richtlinie, die allen Arbeitnehmern in Europa eine Möglichkeit zur Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg und Mitbestimmung in den Unternehmen gibt. Bisher gebe es diese nur in der Hälfte der EU-Länder.Die Frankfurter Arbeitsrechtlerin Anja Lingscheid von Norton Rose Fulbright verwies darauf, dass bei einem anderen Urteil des EuGH die Aufsichtsräte zahlreicher Unternehmen neu besetzt werden müssen. Zudem müsse jetzt das Urteil des Landgerichts Frankfurt gekippt werden, das 2015 entschieden hatte, dass Arbeitnehmer im EU-Ausland beim Schwellenwert des Mitbestimmungsgesetzes zu berücksichtigen sind. Das entsprechende Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt war bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. In dem Verfahren ging es ganz konkret um die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Deutschen Börse.Christoph Kurzböck, Arbeitsrechtler der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl & Partner, erklärte, betroffene Konzerne könnten sich jetzt beruhigt zurücklehnen – aber nur kurz. Die Wahlprogramme von SPD, Grünen und Linken sähen nämlich die Schließung sämtlicher “Schlupflöcher” der Mitbestimmung und die Absenkung des Schwellenwerts von 2 000 auf 1 000 Arbeitnehmer vor. Die Empfehlung sei daher, weiterhin Alternativen wie die Gründung einer SE oder eines Gleichordnungskonzerns zu prüfen.