Russland-Krise setzt Bearing Point zu
Bei der Management- und Technologieberatung Bearing Point bremst die schwierige Lage im russischen Markt das Ertragswachstum. Im vergangenen Turnus konnte man die Delle noch überkompensieren, ob dies im laufenden Jahr gelingt, vermag Managing Partner Peter Mockler noch nicht zu sagen. Geprüft wird, sich aus Russland, wo 200 Mitarbeiter an Bord sind, zurückzuziehen.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDie Digitalisierung und regulatorischen Anforderungen treiben das Geschäft der einstmals aus dem Prüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG abgespaltenen Consultingfirma Bearing Point. Die partnergeführte Gesellschaft hat 2014 nach eigener Darstellung ein Rekordergebnis erzielt. Seit dem Management Buyout im Jahr 2009 hat Bearing Point den Umsatz von 441 Mill. auf zuletzt 559 Mill. Euro ausgebaut. Dass das Wachstum weltweit 2014 nur 1,3 % erreichte, führt Managing Partner Peter Mockler im Gespräch vor allem auf die schwierigen Rahmenbedingungen in Russland zurück, wo das mit 200 Mitarbeitern betriebene Geschäft deutlich rückläufig gewesen sei. Unbefriedigend läuft es auch in Frankreich, der zweitgrößten Praxis hinter Deutschland, wo Bearing Point nun seit zwei Jahren auf der Stelle trete. In der Region Deutschland, Österreich, Schweiz (DACH) gelang dem Beratungshaus indes 2014 ein Erlösplus um 5,6 % auf 316 Mill. Euro.Ob die Einbußen in Russland im laufenden Jahr in anderen Regionen ausgeglichen werden können, lässt Mockler offen. Seine Geduld mit Russland hat aber offenbar Grenzen. “Man kann die politische Entwicklung dort nicht einschätzen”, klagt der Managing Partner, der in dritter Amtszeit die Geschicke weltweit lenkt. Bearing Point müsse sich die Frage stellen, ob sie noch im russischen Markt bleiben solle. “Es könnte sein, dass wir den Schlussstrich ziehen”, sagt Mockler.Rund die Hälfte des Umsatzes erzielt die Partnerschaft in den drei deutschsprachigen Ländern der DACH-Region, die mit 70 % jedoch den Großteil des operativen Ergebnisses beisteuern, so dass dort vor Gewährleistung des Partnerbonus eine Ebit-Marge von rund 15 % verdient wird. Zweitgrößte Region bilden Frankreich, Belgien, Niederlande mit 27 % Erlösanteil. Die Marge in Frankreich zum Beispiel aber erreicht laut Mockler gerade mal zwischen 6 und 7 %. Dosierte SchritteÜberproportionales Wachstum in den kommenden Jahren verspricht sich der Manager durch die weitere Internationalisierung des Geschäfts. Der Schwerpunkt der Expansion, die auf 1 Mrd. Euro Umsatz bis zum Jahr 2020 durch internes und externes Wachstum zielt, liegt auf dem Mittleren Osten und Großbritannien. Wachstum ist aber nicht alles: “Wir wollen nicht durch zu aggressive Expansion in eine Situation geraten, in der wir unsere Eigenständigkeit verlieren”, betont Mockler. Schlechtes Vorbild ist hier die ehemalige US-Einheit von Bearing Point, die nach einer Einkaufstour unter einem Schuldenberg zusammenbrach und Anfang 2009 in die Insolvenz rutschte.Die profitable europäische Einheit, die schon 2007 den ersten Anlauf zur Abnabelung via Management Buy-out unternommen hatte, verselbständigte sich schließlich im August 2009 in eigener Partnerschaft. Zentrale Teile des US-Geschäfts übernahmen Deloitte und PwC, im Jahr 2011 kaufte Bearing Point die globalen Namensrechte, so dass das Beraterhaus nun, wenige Länder ausgenommen, seine Marke nutzen kann.Nachdem die großen Prüfungsgesellschaften wie PwC und KPMG das Beratungsgeschäft in den vergangenen Jahren mit hohem Tempo forcieren, ist Bearing Point auch für sie ein Objekt der Begierde. Mockler lässt durchblicken, dass seit dem Management Buy-out vor sechs Jahren jeder große Wettbewerber bei ihm angeklopft hat. Die zunehmende Konkurrenz der Prüfer bekommt das Beratungshaus nicht nur bei Ausschreibungen zu spüren, die vier Marktführer, “Big 4”, werben auch Mitarbeiter ab.Der Anspruch von Bearing Point ist global nicht allumspannend. “Wir haben nicht vor, an jedem Ort der Erde mit eigenem Namen vertreten zu sein”, erklärt Mockler. Im Fokus stehen Europa, Mittlerer Osten und Afrika. In Nordamerika, Asien und Lateinamerika arbeitet die Gruppe mit lokalen Partnern in strategischen Allianzen zusammen. Um den Kunden an wichtigen Brückenköpfen auch Ansprechpartner aus dem eigenen Haus zu präsentieren, hat Bearing Point eigene kleine Büros in Chicago und Schanghai, die das Geschäft mit den strategischen Partnern koordinieren. Die Niederlassungen in Abu Dhabi und Dubai zielen indes auf den Aufbau eigenen Geschäfts. So arbeitet das Beratungshaus in Saudi-Arabien in verschiedenen Projekten und unterstützt zum Beispiel das Arbeitsministerium.Bearing Point profitiert nach den Worten Mocklers in hohem Maße von langjährigen Kundenbeziehungen. Mit einigen Auftraggebern existierten Rahmenverträge für bestimmte Dienstleistungen. Als Alleinstellungsmerkmal sieht der Managing Partner für sein Haus die Verbindung von Management- und Technologie-Consulting. Dabei werde großer Wert darauf gelegt, neue Ideen nicht auf der grünen Wiese zu entwickeln, sondern eng am Kundennutzen. Am KundennutzenDie größten Wachstumschancen rechnet sich Mockler im sogenannten Asset Based Consulting aus, in dem Produkte gemeinsam mit dem Kunden entwickelt werden. Beispiel ist die inhaltliche und technologische Unterstützung von Unternehmen und Finanzdienstleistern bei der Erfüllung regulatorischer Anforderungen und Berichtspflichten. Diese Projekte beinhalteten zahlreiche Komponenten der Digitalisierung.Weiteres Vorzeigeprodukt ist das Business Support System “R6”, eine Kombination aus Kundenbindungs- und Abrechnungssystem. Die Komponenten von R6 umfassen die gesamte sogenannte “Concept-to-Cash”-Prozesskette eines Unternehmens: Plattform- und Geschäftsprozess-Management, Produkt-Management, Kunden-Management, Auftragsverwaltung, Verrechnung und Finanzwesen. Ein Nutzer ist zum Beispiel BT Group, die ihren Kunden über diese Plattform anbietet, sich Cloud-Services von Dritten zu kaufen.