Russlands Energiekonzerne im Stimmungshoch

Neues Steuersystem für die Ölindustrie verschafft Vorteile - Rubelabwertung kommt Firmen zugute

Russlands Energiekonzerne im Stimmungshoch

Von Eduard Steiner, MoskauIn kaum einem anderen Rohstoffstaat hat der Ölpreisverfall seit Mitte 2014 größere Angst ausgelöst als in Russland. Kein Wunder, schließlich war das Land bereits durch die strukturelle Krise und die westlichen Sanktionen in eine Stagnation geschlittert, die 2015 in eine tiefe Rezession münden sollte. Die Angst war dennoch übertrieben. Zumindest auf dem Mineralölsektor selbst zeigt sich heute, dass Russlands Konzerne besser dastehen als ihre globalen Konkurrenten, befindet die Ratingagentur Moody’s in einer Analyse zu den Ergebnissen des ersten Quartals 2015: Im Vergleich zu diesen seien sie profitabler. Finanzlage gestärktWas auf den ersten Blick paradox erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als logisch. Gleich zwei Momente nämlich seien es, die den russischen Ölkonzernen einen Vorteil verschafft und ihre Finanzsituation gestärkt hätten, schreibt Moody’s: die Abwertung des Rubel und das neue Steuersystem für den Ölsektor.Konkret orientiert sich das System nicht am Gewinn, sondern am Ölpreis und am Liefervolumen. Als der Ölpreis zu Jahresbeginn sank, fielen auch die Steuern mit. Waren zuvor bei einem Preis von 100 Dollar je Barrel 69 % als Exportzölle abzuliefern gewesen, so bei einem Preis von 60 Dollar je Barrel nur noch 60 %. Die Unternehmen selbst verloren damit durch den Ölpreisverfall lediglich 20 %. Die wirklich großen Einnahmeverluste hingegen muss der Staat verkraften.Auch die Rubelabwertung kommt den Unternehmen zugute. Der weitgehend durch den Ölpreisverfall, aber auch durch die Kapitalflucht verursachte Wertverlust der russischen Währung spülte den Firmen zumindest auf Rubelbasis nahezu doppelt so viel Geld in die Kassen. Und weil so gut wie alle Ausgaben in Rubel anfallen, während die Erlöse in Dollar erzielt würden, sei nicht nur der freie Cash-flow gestiegen, so Moody’s: Auch der Umsatz in Rubel sei nach Abzug der Exportzölle und der Fördersteuer in etwa gleich geblieben oder gar gewachsen. Am meisten würden die exportorientierten Branchengrößen Rosneft und Lukoil davon profitieren.Diesen Vorteil haben die globalen Konkurrenten nicht. Die meisten von ihnen haben daher Tausende Mitarbeiter entlassen. Investitionen im Wert von 200 Mrd. Dollar wurden aufgeschoben.Gewiss, auch Russland ist keine Insel der Seligen. Auf Dollarbasis gingen die Einnahmen aus dem Ölexport im ersten Quartal nach russischer Statistik um 41,5 % auf 22,7 Mrd. Dollar zurück, obwohl physisch um 12,8 % mehr Öl exportiert worden war. Als Konsequenz wurden auch in Russland einige teure Investitionen geschoben. Optimistisch für die AktienNeben Moody’s weist auch die Investmentbank Goldman Sachs darauf hin, dass die russischen Ölkonzerne trotz der niedrigen Ölpreise ausreichend Cash-flow generieren und über genügend Mittel verfügen, um eine höhere Dividendenrendite zu bieten als ihre globalen Konkurrenten: Das werde auch in den kommenden Quartalen und daher im gesamten laufenden Geschäftsjahr 2015 so sein.Nehme man den für die Ölbranche aussagekräftigen Quotienten aus Unternehmenswert und schuldenbereinigtem Cash-flow (EV/DACF), so zeige sich laut Goldman Sachs, dass dieser im russischen Ölsektor gegenwärtig um 20 % unter dem durchschnittlichen Niveau der vergangenen zwei Jahre liegt und dass der Abschlag, mit dem russische Ölunternehmen im globalen Branchenvergleich gehandelt werden, so groß sei wie noch nie.Entsprechend optimistisch gestimmt gibt sich Goldman Sachs und hat daher gleich drei Ölkonzerne (Rosneft, Gazpromneft und Baschneft) von “Halten” auf “Kaufen” hochgestuft. Das Wachstumspotenzial liege bei 40 bis 50 %. ImageschadenNoch bleiben Investoren skeptisch, zumal die teils zweifelhafte Renationalisierung des Sektors in den vergangenen Jahren dem Image geschadet hat. Auch bleibt die Gesamtsituation herausfordernd. Zwar hat Russland im Vorjahr mit täglich 10,578 Millionen Barrel einen postsowjetischen Rekord bei der Förderung aufgestellt. Aber die bestehenden Lagerstätten gehen zur Neige, während neue immer schwerer zugänglich sind. Der Umstand, dass der Westen mit seinen Sanktionen den Export moderner Technik zur Förderung aus Offshore-Lagerstätten verbietet, erschwert die Situation zusätzlich.