RWE brüskiert kommunale Aktionäre
Unter dem Dach des Energiekonzerns RWE in Essen bahnt sich ein heftiger Streit an. Die kommunalen Großaktionäre befürchten, dass der Konzern sie nach dem Börsengang des Tochterunternehmens Innogy SE mit den Altlasten aus der Atom- und Braunkohleverstromung alleinlässt. Sie vermissen ein strategisches Konzept, wie die Kosten für die Altlasten geschultert werden können.Von Christoph Ruhkamp, EssenDer angeschlagene Energiekonzern RWE hat zur Jahresmitte seine zukunftsträchtigen und gewinnbringenden Geschäfte mit Stromnetzen, Vertrieb und Ökostrom in der Tochtergesellschaft Innogy SE untergebracht und sie von den Verlustgeschäften mit Atom- und Braunkohlekraftwerken abgespalten. Nun plant der Konzern, Innogy bis Ende des Jahres an die Börse zu bringen.Ernst Gerlach, Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre VkA, vermisst bei den Managern unter Führung von Peter Terium derzeit das notwendige Engagement für ein schlüssiges Konzept, wie es mit der alten RWE und den Altlasten weitergehen soll. Im Kopf seien die Manager offenbar schon bei der neuen Tochtergesellschaft, an deren Spitze sie wechseln wollen.Mit Verweis auf den geplanten Börsengang hatte das Unternehmen den kommunalen Aktionären bislang ein strategisches Konzept für die alte RWE verweigert. “Wir befürchten, dass wir eines Tages mit den Altlasten aus der Atom- und Braunkohleverstromung alleingelassen werden”, sagte Gerlach im Gespräch mit der Börsen-Zeitung in Essen. Er fordert daher, spätestens unmittelbar nach dem Börsengang der Innogy SE ein klares strategisches Konzept vorzulegen. Atommüll-Frage zu klären”Wir müssen vor allem die Frage der Kosten für den Atomausstieg klären”, sagte Gerlach, der früher als Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Finanzministerium arbeitete und daher die politische Landschaft gut kennt. Es gehe vor allem um die Frage, wie schnell RWE ihre Rückstellungen zuzüglich eines Risikoaufschlags für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls an einen staatlichen Fonds zu überweisen hat. Müsste der vereinbarte einstellige Milliardenbetrag sofort nach der angepeilten Einigung mit der Bundesregierung im Herbst überwiesen werden, käme RWE an die Grenze der finanziellen Belastbarkeit.Um schneller an ein strategisches Konzept zu kommen, könnten sich die kommunalen Aktionäre nun sogar Bündnispartner suchen und vielleicht bei dem amerikanischen Vermögensverwalter BlackRock anklopfen. Er hält 3 % der RWE-Aktien.Gerlachs Kritik an der Konzeptlosigkeit der RWE-Konzernführung hat Gewicht. Schließlich halten die mehr als 100 kommunalen Aktionäre zusammen 24 % der Anteile an RWE. Größte einzelne Aktionäre sind die Städte Essen, Dortmund und Mülheim. Von den 24 % sind 15 % in der RWEB GmbH gebündelt. Diese “Schachtel” erlaubte es den Kämmerern der meist hoch verschuldeten Ruhrgebietsstädte bisher, ihre Erträge aus dem RWE-Investment in Form von Dividenden bei der Berechnung der Kapitalertragsteuer mit den Verlusten aus städtischen Verkehrsgesellschaften oder Bäderbetrieben gegenzurechnen. Damit ist es nun vorerst vorbei. RWE zahlte keine Dividende mehr.Einige Städte würden jetzt ihre Aktien gern verkaufen – wie es Münster, Düsseldorf und Gelsenkirchen schon vor Jahren getan haben, als der Kurs weit höher stand. Die Schwierigkeit: Wer jetzt verkauft, müsste hohe Buchverluste realisieren. Aachen und Eschweiler haben sich dagegen entschieden. Die Stadt Bochum dagegen plant, zumindest aus der Schachtel auszusteigen, um so wenigstens ihre RWE-Aktien zu einem späteren Zeitpunkt einfacher und vielleicht zu einem höheren Kurs versilbern zu können. Aber auch dann könnte die Kommunalaufsicht im Innenministerium die Stadt dazu zwingen, mit dem Erlös Schulden zu tilgen. Innogy als KurstreiberFür alle kommunalen Aktionäre, die bei RWE bleiben, ruht die Hoffnung nun auf der Tochtergesellschaft Innogy als Kurstreiber und Dividendenlieferant für die alte RWE. “Kerngeschäft der Innogy ist neben den Erneuerbaren das Geschäft der alten RWE-Sparte namens RWE Deutschland AG – und das war immer sehr ertragreich”, sagt Gerlach. Deshalb müsste es für Innogy, die laut RWE künftig drei Viertel des Gewinns an die Anteilseigner ausschütten soll, möglich sein, eine hohe Dividende an den zunächst weiter mit 90 % beteiligten Mutterkonzern RWE zu zahlen. Da es jedoch, wie der Vorstand von RWE immer wieder betont habe, keinen Beherrschungs-und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Mutter und der Tochter geben werde, ist es unsicher, wie viel vom Ertrag der Innogy bei den Aktionären der alten RWE wirklich ankommen wird.Lieber wäre es den kommunalen Aktionären gewesen, man hätte ihnen die Möglichkeit einer direkten Beteiligung eingeräumt. “Aber der Umtausch von Aktien der alten RWE in Aktien der Innogy wurde uns verwehrt”, beklagt Gerlach. Der Grund: Die RWE-Konzernführung will mit der Ausgabe der neuen Innogy-Aktien frisches Geld für Investitionen einsammeln – der Aktienumtausch jedoch würde kein Geld einbringen.Innogy beschäftigt knapp 40 000 Mitarbeiter und erzielte rein rechnerisch nach RWE-Angaben 2015 einen operativen Gewinn (Ebitda) von 4,5 Mrd. Euro und ein Nettoergebnis von 1,6 Mrd. Euro. Selbst wenn die Kommunen alle RWE-Aktien verkaufen und damit Innogy-Anteile erwerben würden, kämen sie bei der neuen Tochtergesellschaft auf einen Anteil von nur 8 % oder 9 %. Die Tochter wird mit einem Wert angesetzt, der bis zu dreimal so hoch liegt wie der Börsenwert von RWE.Die kommunalen Aktionäre würden damit erheblich an Einfluss einbüßen. Schließlich stellen sie im RWE-Aufsichtsrat 4 der 20 Mitglieder. RWE-Aufsichtsratschef Werner Brandt hat den kommunalen Aktionären aber in Aussicht gestellt, dass sie auch ohne direkte Beteiligung eines der Aufsichtsratsmitglieder von Innogy stellen können.