RWE streicht Stammaktionären die Dividende
Erstmals in der jüngeren Geschichte sollen die Stammaktionäre des Versorgers RWE keine Dividende erhalten. Nach weiteren Wertberichtigungen in Milliardenhöhe hat der Konzern 2015 wohl rote Zahlen geschrieben. Und im laufenden Jahr erwartet RWE ein weiteres Abschmelzen des Ergebnisses. Die Sparanstrengungen sollen nun noch weiter verstärkt werden.ahe Düsseldorf – Angesichts des anhaltenden Strompreisverfalls und neuer Risiken im Zuge des Atomausstiegs will der RWE-Vorstand für 2015 auf eine Ausschüttung weitgehend verzichten. Die Stammaktionäre, die weit mehr als 90 % der Anteilscheine halten, sollen demnach ganz auf eine Dividende verzichten, wie der Konzern ad hoc bekannt gab. Die Vorzugsaktionäre sollen lediglich einen satzungsgemäßen Gewinnanteil von 0,13 Euro je Aktie erhalten. Bei rund 39 Millionen Vorzugsaktionären würde dies auf eine Ausschüttungssumme von 5 Mill. Euro hinauslaufen.Eine solche Ausschüttung hatte es bei dem Essener Dax-Konzern in der jüngeren Geschichte noch nicht gegeben. Zumindest seit der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte hatte das Unternehmen immer eine Dividende von mindestens 1 Euro je Aktie gezahlt. Zur Hochzeit hatte der Versorger für das Geschäftsjahr 2008 sogar 4,50 Euro je Anteilschein ausgeschüttet. Dies summierte sich in dem Jahr auf eine Ausschüttungssumme von 2,4 Mrd. Euro.Analysten hatten für 2015 mit einer deutlichen Reduzierung gerechnet, eventuell sogar mit einer Halbierung des letztjährigen Niveaus, aber nicht mit einem Ausfall. Dieser war aber möglich geworden, da 2015 das erste Jahr war, in dem die neue, flexiblere Dividendenpolitik des Konzerns zum Tragen kam. Bis 2014 waren 40 bis 50 % des bereinigten Nettogewinns ausgeschüttet worden. Eine solche feste Quote gibt es heute nicht mehr.Leidtragende sind nun unter anderem die Kommunen, die noch knapp 25 % der Aktien halten. Lars Martin Klieve, der Kämmerer der Stadt Essen und damit von einem der großen kommunalen Anteilseigner, sagte in einer ersten Reaktion, dies übertreffe seine schlimmsten Alpträume. Allein für die Stadt Essen fielen damit gut 18 Mill. Euro an bereits eingeplanten Geldern weg. Viele Kommunen – auch die Stadt Essen – müssen angesichts des Kursverfalls zurzeit bereits Wertberichtigungen auf ihre Beteiligungen an RWE verbuchen. Sparziele werden erhöhtVorstandschef Peter Terium beteuerte, dass die Dividendenentscheidung nicht leichtgefallen sei. Sie sei jedoch notwendig, um das Unternehmen zu stärken. “Eine Ausschüttungspolitik mit Augenmaß, die sich im Rahmen des Möglichen bewegt, liegt auch im Interesse der Aktionäre”, betonte er. Ob dies allerdings auch der Aufsichtsrat so sieht, ist noch offen. Das Kontrollgremium war in den Dividendenbeschluss bislang nicht einbezogen und wird sich erst am 3. März wieder treffen. Ob der Hauptversammlung im April damit wie üblich ein gemeinsamer Dividendenvorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat präsentiert wird, ist somit noch längst nicht klar.Der RWE-Vorstand begründete seine Entscheidung vor allem mit den aktuellen wirtschaftlichen Perspektiven in der konventionellen Stromerzeugung. In der Bilanz von 2015 musste der Konzern erneut Wertberichtigungen von 2,1 Mrd. Euro auf deutsche und britische Kraftwerke verbuchen. RWE hatte bereits 2013 auf seinen Kraftwerkspark 4,8 Mrd. Euro abgeschrieben. Angesichts der sinkenden Großhandelspreise hatten für 2015 auch Konkurrenten wie Eon, EnBW und Vattenfall hohe Wertberichtigungen in der konventionellen Stromerzeugung angekündigt.RWE sprach von einer zuletzt drastischen Verschlechterung der Ertragsperspektiven in diesem Geschäftsbereich, verwies zugleich allerdings auch auf “aktuelle politische Risiken”, die ebenfalls mit zur Dividendenentscheidung beigetragen hätten. Weiter erläutert wurde dieser Punkt nicht. Beobachter gehen allerdings aus, dass sich diese Risiken vor allem auf die Ausgestaltung des weiteren Atomausstiegs beziehen.Die Atomkommission will noch in diesem Monat ihren Bericht mit Handlungsempfehlungen veröffentlichen. Der Co-Vorsitzende Jürgen Trittin hatte zu Wochenbeginn bereits angekündigt, dass die Versorger einen möglichen öffentlich-rechtlichen Fonds, der dann die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls übernehmen könnte, mit Barmitteln ausstatten sollten.Die Wertberichtigungen im Kraftwerkspark waren 2015 nicht die einzige Sonderbelastung in der Bilanz. RWE musste zudem auch noch latente Steuern in Höhe von 0,9 Mrd. Euro abschreiben. Hier wirken sich unterschiedliche Regelungen für die Bilanzierung nach IFRS und nach dem deutschen Steuerrecht aus, die Steuerbelastung profitabler Geschäfte kann also nicht durch defizitäre Töchter gesenkt werden.Die Sonderbelastungen führten 2015 zu einem Nettoverlust von rund 0,2 Mrd. Euro. Bereinigt verbuchte RWE den vorläufigen Eckdaten zufolge einen positiven Nettogewinn von 1,1 Mrd. Euro. Damit konnte der Konzern die prognostizierte Range von 1,1 bis 1,3 (i.V. 1,28) Mrd. Euro noch knapp erreichen. Auch beim Betriebsergebnis wurden mit 3,8 Mrd. Euro die Prognosen erfüllt. Angekündigt waren 3,6 bis 3,9 (4,02) Mrd. Euro.Im laufenden Jahr wird sich der Trend nicht zum Besseren drehen – im Gegenteil: Das Betriebsergebnis wird auf 2,8 bis 3,1 Mrd. Euro deutlich sinken, wie der Konzern ankündigte. Und beim bereinigten Nettoergebnis rechnet der Vorstand nur noch mit einem Niveau von 0,5 bis 0,7 Mrd. Euro. Hier werden sich der Wegfall von positiven Sondereffekten in den vergangenen Jahren sowie der anhaltende Margenverfall erneut auswirken. Aktie verliert 12 ProzentDie Nettoschulden, die 2015 im Zuge des Dea-Verkaufs um ein Fünftel auf 25,1 Mrd. Euro gesunken waren, dürften den Vorhersagen zufolge in diesem Jahr stabil bleiben.Gegensteuern will der Konzern unter anderem über das laufende Effizienzprogramm. 2015 wurden 200 Mill. Euro nachhaltige Einsparungen erreicht und damit doppelt so viel wie eigentlich geplant. Nun will RWE seinen Sparkurs vor allem noch einmal in der konventionellen Stromerzeugung und im britischen Vertriebsgeschäft, wo mittlerweile rote Zahlen geschrieben werden, noch einmal verschärfen. Das gesamte Kostenprogramm, das bereits 2012 gestartet wurde, wurde auf 2,5 von bisher 2,0 Mrd. Euro erhöht. Dafür will sich RWE allerdings auch bis 2018 und damit ein Jahr länger als bisher geplant Zeit nehmen.An der Börse halfen diese Ankündigungen wenig: Die RWE-Aktie brach um 12,4 % auf 10,34 Euro ein.