Ryanair auf Konfrontationskurs
Von Carsten Steevens, LondonEnde Februar die erneute Abfuhr durch die EU-Kommission bei dem Versuch, den irischen Wettbewerber Aer Lingus vollständig zu übernehmen, jetzt britische Wettbewerbshüter, die eine Aufforderung zum teilweisen oder vollständigen Verkauf des 29,8-prozentigen Anteils in Aussicht stellen: Europas größte Billigfluggesellschaft Ryanair ist mit ihrer Beteiligung an der ehemaligen Staatsfluglinie Irlands bislang nicht glücklich geworden.Doch selbst nach dem dritten fehlgeschlagenen Übernahmeversuch innerhalb der vergangenen sechs Jahre kommt ein freiwilliger Rückzug nicht in Frage. Ryanair hat angekündigt, gegen eine Entscheidung der britischen Competition Commission (CC), die Beteiligung an Aer Lingus wegen Einflussnahme auf Geschäftspolitik und Strategie teilweise oder vollständig abzubauen, gegebenenfalls Berufung einzulegen. “Unhaltbar”Die Position der britischen Behörde, die nicht mit Erkenntnissen der EU-Kommission übereinstimme, sei “unhaltbar”. Die EU-Kommission, so Ryanair, sei zu der Feststellung gelangt, dass Aer Lingus und Ryanair auf mehr Routen als zum Zeitpunkt der ersten ablehnenden Entscheidung im Jahr 2007 miteinander konkurrierten und dass der Wettbewerb seitdem fortbestanden, wenn nicht zugenommen habe.Die im Juni 2012 eingeschaltete britische Kommission, die am 11. Juli ihren Abschlussbericht vorlegen will, kommt zu dem Ergebnis, dass die Ryanair-Beteiligung Aer Lingus an Plänen zur Fusion oder Kooperation mit einer andere Fluglinie hindere. Ferner erlaube es die Beteiligung, Kapitalerhöhungen und den Verkauf der attraktiven Start- und Landerechte am Londoner Großflughafen Heathrow zu blockieren.”Unsere vorläufige Sichtweise lautet, dass die Ryanair-Beteiligung dazu führen kann, den Hauptkonkurrenten auf Strecken zwischen Großbritannien und Irland zu schwächen”, so der stellvertretende CC-Vorsitzende Simon Polito. Ryanair-Vorstandschef Michael O’Leary erklärte, diese Einschätzung sei “grotesk”. So habe der Golf-Carrier Etihad einen Anteil an Aer Lingus von 3 % aufbauen können. Zudem hätten europäische Fluggesellschaften bestätigt, dass die Ryanair-Beteiligung keine Hürde sei für den Erwerb einer Aer-Lingus-Beteiligung.Die Airline, deren Aktienkurs zuletzt um 4,3 % auf 1,62 Euro zulegte und seit Jahresanfang um fast 50 % und damit auch über den als zu niedrig abgelehnten Preis der jüngsten Ryanair-Offerte von 1,30 Euro je Titel gestiegen ist, begrüßte das vorläufige Verdikt der britischen Behörde. Den Kurs hatte am Freitag die Entscheidung des Board beflügelt, Vorschläge des Arbeitsgerichts zur Beilegung des Streits über das Defizit im gemeinsamen Pensionsfonds für Mitarbeiter von Aer Lingus, der Luftfahrtbehörde Dublin Airport Authority und des Flugzeugkomponentenherstellers SR Technics, des Irish Airlines Superannuation Scheme (IASS), zu akzeptieren. Diese sehen eine Zahlung von 110 Mill. Euro in einen neuen Fonds für aktuell Beschäftigte und von 30 Mill. Euro in einen neuen Fonds für ehemalige Mitarbeiter vor. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte dies ein wichtiger Schritt zur Lösung des Pensionsfondsproblems sein und die Voraussetzungen für einen Verkauf von Aer Lingus verbessern. “Erpressung”Gewerkschafter ließen erkennen, keiner Veräußerung der 25-prozentigen irischen Regierungsbeteiligung an Aer Lingus zuzustimmen, sollte der Streit über den Pensionsfonds, dessen Defizit bei 780 Mill. Euro liegen soll, nicht beigelegt werden. Ryanair sprach von der sechsten Erpressung des von irischen Regierungs- und Gewerkschaftsvertretern dominierten Aer-Lingus-Board durch Arbeitnehmervertreter innerhalb von sieben Jahren. Die Billigfluglinie kündigte an, gegen die Verwendung von Aktionärskapital für die “ungerechtfertigten” Pensionszahlungen zu stimmen. Mit den auf 170 Mill. bis 200 Mill. Euro taxierten Kosten würden sich die Sonderzahlungen für Beschäftigte seit dem Börsengang von Aer Lingus 2006 auf bis zu 630 Mill. Euro belaufen.