Saubere Häuser bedürfen keiner Reinigung
Von Sebastian Schmid, New YorkDer Aluminiumkonzern Alcoa, der sich demnächst in zwei Gesellschaften aufspalten will, fährt schon seit Jahren zweigleisig – allerdings in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Auf Basis des US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards GAAP ist bei Alcoa in den vergangenen vier Quartalen in Summe ein Verlust von 43 Cent je Aktie aufgelaufen. Um so genannte Sondereffekte – etwa aus der laufenden Restrukturierung – bereinigt wies das Unternehmen indes einen aufpolierten Gewinn von immerhin 37 Cent je Aktie aus. Sauber.Dass das bereinigte Ergebnis dramatisch besser ausfällt, ist bei Alcoa längst die Regel. Das Unternehmen befindet sich nicht erst seit der Amtsübernahme von CEO Klaus Kleinfeld vor mittlerweile acht Jahren praktisch im Dauerzustand des Umbaus. Eine Restrukturierung folgt hier auf die nächste, so dass praktisch immer eine Putzkraft gefragt ist, die durch die Gewinn-und-Verlust-Rechnung fegt. Kaum Puristen im S & P 500Zudem ist Alcoa in den Vereinigten Staaten längst nicht mehr allein mit ihrem Verweis auf das so genannte Non-GAAP-Ergebnis. Fast alle Firmen aus dem Leitindex S & P 500 berichten bereinigte Ergebnisse, um ihre Leistungsfähigkeit “angemessener” darzustellen. Eine Studie von Audit Analytics hat nun ergeben, dass sich nur noch 5,7 % der Firmen im S&P 500 puristisch auf den GAAP-Ergebnisausweis verlassen. Vor einem Jahrzehnt war es immerhin noch fast ein Viertel der Gesellschaften, vor zwei Jahrzehnten sogar noch mehr als ein Drittel. Die Differenz zum tatsächlichen Ergebnis fällt beim Non-GAAP-Ausweis oft gewaltig aus. Im Schnitt liegt das aufpolierte Resultat allein bei den profitablen Unternehmen um 44 % höher als nach US-Rechnungslegungsstandard, hat der Finanzdatenanbieter Calcbench berechnet. Die Vielzahl von Gesellschaften, die ihre Verluste klein- oder sogar in Gewinne umrechnen, sind in dieser Kalkulation noch gar nicht berücksichtigt. So hat etwa Blackberry vergangene Woche 14 Mill. Dollar bereinigten Gewinn ausweisen dürfen, nachdem unter anderem mal eben 600 Mill. Dollar an Abschreibungen herausgerechnet worden waren.Zwar werden auf der anderen Seite auch zuweilen bestimmte Sondergewinne herausgerechnet. Der Katalog an möglicherweise abzugsfähigen Kosten fällt aber weitaus üppiger aus: Da wären Wechselkurseffekte, Goodwill- oder andere Sonder-Abschreibungen, Rechtskosten, Abfindungen und sogar aktienbasierte Bonuszahlungen, um nur einige der unzähligen Aufwandsposten zu benennen, die aus der Gewinnrechnung im Nachhinein getilgt werden.Dabei leidet vor allem eines – die Vergleichbarkeit. Denn anders als bei standardisierten Regeln entscheiden die Firmen selbst, wo die Löschtaste betätigt werden darf. BDO-Partner Angela Newell hat dazu eine klare Meinung. Wenn es wirtschaftlich schlechter laufe, sei der Anreiz hoch, das Ergebnis zu bereinigen. Mit anderen Worten: Saubere Häuser bedürfen keiner Reinigung. ——–2006 hat jede vierte US-Firma nur nach GAAP ausgewiesen. Heute sind das die Exoten.——-