RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: GUDRUN MOLL

Scale soll Attraktivität von Emittenten für Institutionelle erhöhen

44 Unternehmen aus früherem Entry Standard gewechselt - Höhere Gebühren

Scale soll Attraktivität von Emittenten für Institutionelle erhöhen

– Frau Moll, am 1. März 2017 fiel der Startschuss für das neue Marktsegment Scale der Deutschen Börse, das den bisherigen Entry Standard abgelöst hat. Momentan sind 44 Aktienemittenten dort gelistet, im Entry Standard waren es rund 150. Warum haben nur so wenige Unternehmen den Sprung in Scale geschafft und was ist aus den übrigen geworden?Die Zugangsvoraussetzungen für das neue Marktsegment sind erheblich strenger als beim ehemaligen Entry Standard. Gesellschaften, die in Scale aufgenommen werden wollen, müssen insbesondere mindestens drei der fünf Kriterien erfüllen: Umsatz von mindestens 10 Mill. Euro, Jahresüberschuss, positives bilanzielles Eigenkapital, mindestens 20 Mitarbeiter oder kumuliertes, eingesammeltes Eigenkapital von mindestens 5 Mill. Euro. Einige der zuvor im Entry Standard gelisteten Unternehmen sind an dieser Hürde schlichtweg gescheitert. Andere hätten zwar die Mindestvoraussetzungen erfüllt, haben sich jedoch aus Kostengründen gegen einen Wechsel entschieden. Schließlich haben sich die jährlichen Gebühren gegenüber dem Entry Standard deutlich erhöht. Die Gesellschaften, die nicht wechselten, sind im Basic Board, einem Freiverkehrssegment ohne besondere Folgepflichten, notiert.- Was bezweckt die Deutsche Börse mit den verschärften Einbeziehungskriterien?Erklärtes Ziel der Deutschen Börse mit der Einführung von Scale ist die Verbesserung von Rahmenbedingungen zur Wachstumsfinanzierung von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Dies setzt auch eine gewisse Qualität der kapitalsuchenden Unternehmen voraus, die durch die erhöhten Anforderungen sichergestellt werden soll. Darüber hinaus kann die Deutsche Börse die Einbeziehung in Scale insbesondere bei Verstößen gegen Transparenz- und Folgepflichten kündigen, was zu einer Herabstufung dieser Unternehmen in das Basic Board sowie dazu führt, dass der Qualitätsstandard von Scale hochgehalten werden kann.- Werden in Scale gelistete Unternehmen auch für institutionelle Anleger interessanter?Bei Scale handelt es sich nach wie vor um ein Freiverkehrssegment. Institutionelle Investoren, die aufgrund interner Regularien lediglich in Unternehmen investieren dürfen, die in einem regulierten Markt notiert sind, werden daher, trotz erhöhter Transparenz- und Qualitätsstandards, nicht in Scale-Unternehmen investieren. Besteht dieses formale Hindernis nicht, könnte Scale die Attraktivität von Unternehmen für institutionelle Investoren durchaus erhöhen. Neu sind ja insbesondere die verpflichtenden Research-Berichte, von denen sich die Deutsche Börse mehr Handelsinteresse und Liquidität und damit auch eine höhere Attraktivität für Investoren verspricht.- Bietet Scale auch Vorteile für private Anleger?Auch Scale wird die Aktienkultur in Deutschland nicht von heute auf morgen revolutionieren. Einen möglichen Vorteil für Privatanleger bietet das Zeichnungstool Direct Place, das in Scale bei Emissionen verpflichtend eingesetzt werden muss. Dieses soll nicht das Platzierungsgeschäft der Banken ersetzen, sondern zu einer breiteren Ansprache auch von Privatanlegern und damit einer Erhöhung der Retailquote führen.- Scale existiert jetzt seit rund 90 Tagen. Es hat mit der Ibutec Ende März einen Börsengang und mit der Ökoworld im Mai einen weiteren Neuzugang gegeben. Ist der Durchbruch bereits geschafft?Um dies zu beurteilen, ist es sicher noch zu früh. Die Aktie von Ibutec notiert heute über ihrem Emissionspreis. Allerdings wurde der Börsengang als sogenannter Safe IPO strukturiert, das heißt, für die zu platzierenden Aktien lagen bereits zuvor Kaufangebote von institutionellen Investoren vor. Der Neuzugang Ökoworld ist seit 1999 an anderen deutschen Börsen notiert, so dass man hier nicht von einem Börsenneuling sprechen kann. So erfreulich diese beiden Zugänge auch sind, wird sich daher wohl erst im Laufe der nächsten Monate zeigen, ob die Einführung von Scale zu einer Belebung der Börsenlandschaft für kleinere und mittlere Unternehmen führt.—-Gudrun Moll ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Pinsent Masons. Die Fragen stellte Walther Becker.