Schallende Ohrfeige
Die Konstellation ist ungewöhnlich: Eine freundlich vereinbarte Übernahme scheitert eher selten. Im Fall von Qiagen haben Vorstand und Aufsichtsrat die Annahme des Milliardenangebots des weltgrößten Laborausrüsters Thermo Fisher Scientific wärmstens empfohlen, aber sind bei den eigenen Anteilseignern spektakulär abgeblitzt. Nicht einmal die Hälfte der Aktionäre folgte der Empfehlung.Das Ergebnis ist eine schallende Ohrfeige für die Führungsspitze von Qiagen. Denn Vorstand und Aufsichtsrat müssen sich vorwerfen lassen, nicht im Sinne der Shareholder verhandelt und keinen für sie akzeptablen Preis herausgeholt zu haben. Obendrein kostet der vermurkste Deal den Konzern jetzt auch noch 95 Mill. Dollar – eine Summe, die erst bei der Erhöhung des Angebots vertraglich vereinbart wurde. Die Nachbesserung des Preises war indes kein Erfolg, den sich das Qiagen-Managment auf die Fahnen schreiben kann. Es war schon fast eine Selbstverständlichkeit. Denn Thermo Fisher Scientific hatte das Angebot abgegeben, noch bevor Qiagens große Teilhabe an dem neu entstandenen weltweiten Markt für Coronatests sichtbar geworden war. Die positiven Effekte auf Umsatz und Gewinn sind signifikant. So prognostiziert Qiagen für das laufende Jahr einen Sprung im bereinigten Ergebnis je Aktie von mindestens 40 %. Vor Corona war ein Plus im einstelligen Prozentbereich angepeilt worden. 2021 soll das rasante Wachstum dann weitergehen. Ein höherer Kaufpreis war deshalb geradezu zwingend.Mit dem krachenden Scheitern der Übernahmeofferte hat sich eine Kluft zwischen Qiagen-Management und Anteilseignern aufgetan. “Wir respektieren die Entscheidung unserer Aktionäre”, teilte Aufsichtsratschef Hakan Björklund in einer Stellungnahme mit und es las sich ziemlich betreten.Vorstand und Aufsichtsrat des größten deutschen Biotechkonzerns dürften nun erheblich unter Druck stehen. Das Management, das zuvor noch allzu gern unter das Dach von Thermo Fisher Scientific geschlüpft wäre, beeilte sich, die Eckpunkte einer Wachstumsstrategie auf Stand-alone-Basis zu skizzieren. Ob es damit das Vertrauen der Aktionäre zurückgewinnen kann, wird wohl maßgeblich von dem geschäftlichen Erfolg der kommenden Monate abhängen. Dass Qiagen kurzfristig wieder zum Übernahmeziel werden könnte, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Denn ein konkurrierender Bieter wäre vermutlich schon vor Ablauf der Angebotsfrist in Erscheinung getreten und aktiv geworden.