Schrittmacher auf einem noch langen Weg
Will die Menschheit es noch schaffen, die globale Erwärmung auf ein halbwegs erträgliches Maß zu beschränken, muss der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Klimaneutralität dringend Fahrt aufnehmen. Banken sind in der Transformation einer der wesentlichen Hebel, über die sich ökologische Ziele in realwirtschaftliche Prozesse und Strukturen übertragen lassen.
Überschwemmungen nach Starkregen fordern im Westen Deutschlands mehr als 170 Menschenleben und richten Schäden in Milliardenhöhe an, weltweit wüten schwere Waldbrände. Der Klimawandel wird also bereits deutlich spürbar. Es herrscht weitgehender Konsens: Will die Menschheit die Erwärmung der Erde bremsen und auf ein noch einigermaßen kontrollierbares Maß beschränken, muss sie entschlossen handeln. Und zwar so schnell wie möglich.
Eine Herkulesaufgabe
Der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ist eine Herkulesaufgabe, die mit einem gewaltigen Finanzierungsbedarf einhergeht. Allein der „Green Deal“ der EU-Kommission, der den Weg dafür ebnen soll, dass die Europäische Union (EU) ihren Beitrag zum Klimaschutz leistet, beläuft sich auf ein Volumen von 1 Bill. Euro bis zum Jahr 2030. Um für die EU die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen, sind weitere gigantische Summen zu mobilisieren. Allein für das laufende Jahrzehnt schätzt die EU-Kommission den gesamten Investitionsbedarf auf 350 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Summe kann nicht allein von der öffentlichen Hand getragen werden.
Expertise erforderlich
Wohl auch deshalb bezeichnete Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Finanzbranche, anlässlich der Vorstellung der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung im Mai 2021, als „wichtigen Partner in der Transformation unserer Wirtschaft“. Der Finanzmarkt könne „Billionen von Euro“ in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit bewegen.
Die Bereitstellung von Kapital ist aber nicht die einzige Leistung, mit der Finanzunternehmen und Banken die Transformation stützen. Mindestens ebenso wichtig ist in diesem Zusammenhang ihre Expertise in der Analyse, Bewertung und Steuerung von Risiken.
Der Klimawandel, aber auch weitere ökologische Herausforderungen, wie das Artensterben oder die übermäßige Ausbeutung natürlicher Lebensgrundlagen, verändern die Risikoposition. Auch und gerade von Immobilien. Direkte Schäden an Gebäuden oder Infrastruktur, etwa nach Überflutungen, sind hier nur eine Facette. So können Regionen aufgrund der fortschreitenden Erwärmung unbewohnbar werden und die darin liegenden Gebäude verlieren an Wert. Doch auch ohne solche Extremereignisse bringt der Klimawandel zusätzliche Risiken. Etwa höhere Kosten, um Immobilien an strengere Energie- und Umweltstandards anzupassen oder zusätzliche Belastungen aus eventuellen künftigen Abgaben oder Strafzahlungen.
Für die Immobilienbranche, als eine der Haupt-CO2-Emittenten, ist klimaschonendes Wirtschaften deshalb überlebenswichtig. Reagiert die Branche sonst häufig eher nachgelagert und weniger stark auf Veränderungen im Umfeld, steht sie beim Klimaschutz im Zentrum. Mehr noch: Die Entwicklungen beeinflussen die Geschäftsgrundlage vieler Akteure direkt.
Gezielte Impulse
Klimarisiken werden daher in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Bei der Entwicklung und weiteren Verfeinerung entsprechender Analyse- und Bewertungsverfahren kommt Banken eine wesentliche Rolle zu.
Über ihre Kreditvergabe und die Risikomanagement-Standards gibt die Finanzwirtschaft zudem Impulse, gezielt in mehr Klimaschutz zu investieren. So bieten etwa Immobilienbanken wie die Berlin Hyp, zinsvergünstigte Darlehen für Investitionen in die energetische Qualität von Bestandsgebäuden. Neben den eigenen Produkten berät sie zudem über öffentliche Fördergelder, beispielsweise aus den Programmen der KfW, so dass etwaige Lücken geschlossen werden können.
Die stärkere Verankerung umweltbezogener Faktoren in die Finanzierungspraxis ist unumkehrbar – nicht zuletzt aufgrund der entsprechenden Regulierung auf nationaler und europäischer Ebene. So hat die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt, Klimarisiken zum Schwerpunkt des nächsten Banken-Stresstests zu machen, der im kommenden Jahr ansteht. Ebenfalls im nächsten Jahr will die EZB laut eigener Ankündigung, die Verfahren der Banken einer eingehenden aufsichtlichen Überprüfung unterziehen und, sofern nötig, konkrete Folgemaßnahmen ergreifen. Die US-Notenbank wiederum hat Ende 2020 den Klimawandel als Faktor in ihren halbjährlichen Finanzstabilitätsbericht aufgenommen.
Regulatorische Anforderungen und Ausdruck gesellschaftlicher Verantwortung sind aber nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind die mit klimafreundlichen Finanzierungen verbundenen Chancen.
Das gilt für den Immobiliensektor ebenso wie für die ihn finanzierenden Banken. Denn die Nachfrage nach Investments und Lösungen, die nachhaltig und auf Klimaschutz ausgerichtet sind, ist groß. Beispielsweise hat sich das Volumen der Green Bonds, also Anleihen zur Finanzierung von Umweltprojekten, nach Daten der Climate Bonds Initiative von 2015 bis 2020 nahezu verzehnfacht. Seit neun Jahren erreicht das realisierte Emissionsvolumen jedes Jahr einen neuen Höchstwert und lag im vergangenen Jahr bei 269,5 Mrd. Dollar. Die Rating-Agentur Moody’s erwartet, dass das Volumen nach-haltiger Anleihen im Jahr 2021 insgesamt um ein Drittel wachsen wird.
Die einzelnen Emissionen treffen auf eine hohe Nachfrage. So war das Orderbuch für den von der Berlin Hyp im Frühjahr 2021 emittierten Grünen Pfandbrief – der bereits achte seiner Art seit 2015 – mit einem Volumen von 500 Mill. Euro binnen weniger als zwei Stunden auf mehr als das Doppelte des anvisierten Volumens gewachsen. Nur ein Beispiel dafür, welch zunehmende Bedeutung grüne Konzepte auch für internationale Anleger haben.
Bewusstsein, Bereitschaft, Nachfrage und finanzielle Mittel sind also vorhanden. Dennoch ist ein weiteres Wachstum „grüner Finanzierungen“ kein Selbstläufer. Denn wie so oft liegen auch hier der Teufel und der Großteil der noch zu leistenden Arbeit in den Details. Konkret vor allem in der Verfügbarkeit geeigneter Daten.
Der ökologische Fußabdruck, etwa einer Immobilienfinanzierung, lässt sich heute in den meisten Fällen immer noch nur näherungsweise bestimmen. Es fehlt noch an vielen Stellen an einer verlässlichen Datenbasis. Mithilfe geeigneter Modelle und Berechnungsverfahren lässt sich allerdings die Zeit überbrücken, bis eine volle Datentransparenz gewährleistet ist. So wird die Berlin Hyp voraussichtlich ab 2023 eine vollständige Transparenz über den CO2-Abdruck ihres gesamten Kreditportfolios erreichen. Das wiederum schafft die Voraussetzung, portfoliobezogene Klimaziele in die Gesamtbanksteuerung zu integrieren und nachzuhalten. Bei der Berlin Hyp sollen so 2030 die CO2-Emissionen des Gesamtportfolios um 40% niedriger ausfallen als im Basisjahr 2020.
Noch einiges an Arbeit
Außer bei der Verfügbarkeit von Daten liegt bei der Entwicklung einschlägiger Kennzahlen, Definitionen und Methoden zur Bewertung noch einiges an Arbeit vor den Beteiligten. Die EU-Kommission hat mit der Taxonomie für „grüne Investitionen“ eine wichtige Grundlage geschaffen. Doch auch sie bedeutet nicht das Ende aller Diskussionen dazu, was genau „grün“ ist und was nicht. Eines der prominentesten Beispiele ist die Atomenergie. „Emissionsfrei und sauber“, so die einen. „Risikobehaftet und mit radioaktiven Rückständen, deren Endlagerung ungeklärt ist“, das Gegenargument der anderen. Nicht nur hier werden noch intensive Debatten zu führen sein. Und von möglichen Zielkonflikten, etwa bei der Frage, wie sich klimaneutraler und kostengünstiger Wohnungsbau zusammenbringen lassen, ist da noch gar nicht gesprochen.
Der Weg zu einer echten „grünen“ Wirtschaft ist deshalb noch lang und die wirklich schwer zu lösenden Aufgaben und Konflikte liegen noch vor uns. Gerade wenn es darum geht, politische und gesellschaftliche Ziele in wirtschaftliche Praxis zu überführen, sind Banken ein wichtiger Hebel für die Transmission. Je besser alle Akteure zusammenarbeiten, desto stärker profitieren nicht nur Umwelt und Gesellschaft, sondern am Ende auch sie selbst.