Schwarzer April für M&A in Europa

Refinitiv: Volumen der Fusionen stürzt auf niedrigsten Wert seit 1992 - "Noch nie da gewesenes Szenario"

Schwarzer April für M&A in Europa

Wegen der Coronakrise wurden im April so wenige Fusionen und Übernahmen (M&A) angekündigt wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. In Europa fiel das Transaktionsvolumen sogar auf den niedrigsten Monatswert seit August 1992. Die Bank of America hofft, dass vieles nachgeholt wird.cru Frankfurt – Der weltweite Lockdown wegen des Coronavirus hat den globalen M&A-Markt im April fast zum Stillstand gebracht. Rund um den Erdball gibt es so wenige Fusionen und Übernahmen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Volumen der M&A-Transaktionen mit einem Zielunternehmen in Europa belaufe sich im April 2020 auf nur 5,6 Mrd. Euro – ein Rückgang von 91 % gegenüber März und der niedrigste monatliche Wert seit August 1992. Das geht aus der Statistik des Datenanbieters Refinitiv hervor.Auch in Deutschland und global sieht es ähnlich düster aus: Global ist es der niedrigste monatliche Transaktionswert seit September 2002. In Deutschland betrug das Volumen aller Deals im April bei insgesamt 34 Transaktionen gerade einmal 240 Mill. Euro – der tiefste Stand seit April 2009 und ein Rückgang gegenüber den Vormonaten um annähernd 90 %.Cornelia Andersson, Leiterin der Abteilung M&A bei Refinitiv, sagt: “Der April war für die Rainmaker ohne Regenschauer, da das Coronavirus weiterhin seinen Tribut auf den globalen Märkten fordert. Die volle Tragweite, die dieser weltweite wirtschaftliche Lockdown auf den Transaktionsmarkt haben wird, bleibt abzuwarten. Es ist klar, dass wir uns in einem noch nie da gewesenen Szenario befinden.” Reihenweise geplatzte DealsAllerorten sind Deals geplatzt oder liegen auf Eis. Das größte und prominenteste Beispiel: Die milliardenschwere feindliche Übernahme des Computerherstellers HP fällt aus. Der Druckerhersteller Xerox zieht sein Angebot zurück. In Deutschland traf es zuerst die Fluggesellschaft Condor, die eigentlich mit dem polnischen Konkurrenten LOT fusionieren sollte. Bald darauf wurde gemeldet, dass das kriselnde Dessous-Label “Victoria’s Secret” vor Problemen steht. Der Finanzinvestor Sycamore Partners will die im Februar vereinbarte Übernahme einer 55-prozentigen Mehrheitsbeteiligung an der Modemarke abblasen. Sycamore hat eine Klage bei einem Gericht in Delaware eingereicht, um den Deal rückgängig zu machen.Zu den wenigen gelungenen Übernahmen im April zählt der Kauf der deutschen Antiviren-Softwarefirma Avira durch den Technologie-Finanzinvestor Investcorp aus Bahrain für 160 Mill. Euro. “Die Nachfrage nach Cybersecurity wird in der Coronakrise sogar noch zunehmen. Wir werden die Internationalisierung von Avira vorantreiben”, sagte Investcorp-Deutschlandchef Gilbert Kamieniecky der Börsen-Zeitung.”M&A-Deals finden derzeit nur noch in Bereichen statt, die weniger stark von der Coronakrise betroffen sind. Die meisten geplanten Transaktionen sind vorerst aufgeschoben”, sagte Birger Berendes, Deutschlandchef des M&A-Geschäfts der Bank of America, der Börsen-Zeitung. “Aber wir arbeiten weiterhin mit Kunden an langfristig sinnvollen strategischen Transaktionen, die zum Zuge kommen dürften, sobald sich das ökonomische Umfeld wieder stabilisiert hat.” Das gelte insbesondere für Industriezweige, in denen disruptive Entwicklungen Transaktionen auch unabhängig von der aktuellen Konjunkturkrise notwendig machen, wie in der Autoindustrie oder der Medienbranche. “Sofern sich die makroökonomische Situation ab Herbst wieder einigermaßen normalisiert und die Volatilität an den Kapitalmärkten abnimmt, erwarten wir einen merklichen Anstieg der Transaktionsaktivität, insbesondere auch getrieben von einer Anzahl von Transaktionen, die angesichts des aktuellen Umfelds geparkt sind”, hofft Berendes.Die Zurückhaltung von Private-Equity-Häusern und strategischen Investoren ist angesichts der unübersichtlichen Lage mehr als verständlich. Unternehmen sind mehr damit beschäftigt, ihr Geld zusammenzuhalten und ihr Geschäft zu retten, als nach Übernahme-Deals Ausschau zu halten: So stieg die Zahl der deutschen Unternehmen, die ihre eigenen Gewinn- oder Umsatzprognosen korrigieren mussten, im ersten Quartal auf ein neues Rekordniveau: Insgesamt 77 Gewinn- oder Umsatzwarnungen wurden registriert, mehr als je zuvor in einem Quartal und mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Erstes Jahresdrittel positivDie Hoffnung richtet sich nun darauf, dass es sich bei den M&A-Daten für April nur um eine düstere Momentaufnahme handelt, die das Problem überzeichnet: Trotz des Rückgangs im Monat April sind die M&A-Aktivitäten in Europa in den ersten vier Monaten dieses Jahres im Vergleich zur Vorjahreszeit um 28 % gestiegen.Dank einer Reihe von Deals mit hohem Transaktionsvolumen beliefen sich die europäischen M&A-Aktivitäten im ersten Quartal 2020 auf insgesamt 219,7 Mrd. Euro. Größter einzelner Deal in Deutschland war die Übernahme der Thyssenkrupp-Aufzugssparte durch Advent, Cinven und die RAG-Stiftung für 17,2 Mrd. Euro.