Schwerer Schock für Chinas Chiphersteller

SMIC droht US-Technologiesperre - Aktie taucht in Hongkong um 23 Prozent ab - Potenzielle Existenzbedrohung

Schwerer Schock für Chinas Chiphersteller

Der staatskontrollierte chinesische Halbleiterproduzent SMIC droht im Technologiestreit zwischen China und den USA zerrieben zu werden. Die Anleger reagieren mit Panik auf die Nachricht, dass Washington einen US-Technologiezulieferungsbann gegen SMIC erwägt. Damit könnten die USA Chinas Aufholjagd in der Chiptechnologie empfindlich bremsen. Von Norbert Hellmann, SchanghaiDer seit Monaten an den chinesischen Börsen als große Hoffnung für Chinas Halbleiterindustrie gefeierte Chiphersteller Semiconductor Manufacturing International Corp. (SMIC) hat am Montag einen dramatischen Kurseinbruch erlitten. Damit reagieren die Anleger auf jüngste Gerüchte, dass die US-Regierung im Zuge des immer weiter ausufernden Technologiestreits mit China die Gesellschaft auf eine sogenannte schwarze Liste setzen wird. Damit würde SMIC, wie der chinesische Telekomausrüster und Smartphonebauer Huawei, künftig vom Bezug amerikanischer Technologiezulieferungen ausgeschlossen.Dem Vernehmen nach beraten das US-Verteidigungs- sowie das Handelsministerium und eine Reihe weiterer Behörden Restriktionen für die Belieferung von SMIC mit US-Ausrüstungstechnologie. Danach müssten US-Branchengesellschaften eine gesonderte Genehmigung der US-Administration erhalten, um weiterhin Geschäfte mit SMIC und möglicherweise anderen chinesischen Sektorfirmen tätigen zu dürfen.An der Hongkonger Börse kam es am Montag zu Panikverkäufen der in den vergangenen Wochen stark haussierenden SMIC-Aktie. Danach büßten die Titel um rund 23 % ein. Auch der weniger im Rampenlicht stehende chinesische Mikroprozessorhersteller Hua Hong Semiconductor fiel kräftig um fast 15 % zurück. SMIC erlebte in diesem Sommer einen regelrechten Höhenflug, nachdem die Gesellschaft im Juli ein Zweitlisting am neuen chinesischen Börsensegment Star Market der Shanghai Stock Exchange orchestriert hatte, über das eine gewaltige Kapitalaufnahme im Volumen von 6,6 Mrd. Dollar erfolgte.Getragen vom Begeisterungsschub chinesischer Kleinanleger, die in der Vergangenheit wenig Zugang zu den meist in Hongkong oder in den USA gelisteten chinesischen Technologiefirmen hatten, war die SMIC-Aktie zum Handelsstart Mitte Juli in Schanghai um mehr als 200 % auf 82,92 Yuan gestiegen, hat aber seitdem bereits wieder stark nach unten korrigiert. In Schanghai fielen die Titel am Montag um 11 % auf 58,8 Yuan zurück.SMIC gilt trotz eines deutlichen technologischen Rückstands auf taiwanesische, koreanische und amerikanische Chiphersteller als ein großer Hoffnungswert für Chinas Ambitionen, sich angesichts des Technologiestreits mit den USA im Halbleitersektor unabhängiger von westlicher Technologie zu machen und im internationalen Wettbewerb stärker mitzumischen. Die patriotische Komponente macht die staatlich kontrollierte SMIC bislang geradezu zum Darling der Anleger. Technologischer RückstandSMIC ist zwar der führende Produzent für fremddesignte Halbleiterelemente im Reich der Mitte, rangiert aber im globalen Maßstab eher unter ferner liefen. So weist SMIC einen technologischen Rückstand zu den taiwanesischen Chip-Massenfertigern TSMC und UMC, der koreanischen Samsung sowie der amerikanischen Globalfoundries auf. Während SMIC im vergangenen Jahr damit begonnen hat, Mikrochips nach 14-Nanometer-Standard zu produzieren, wird diese Technologie bereits seit vier Jahren von Adressen wie TSMC, Intel und Samsung verwendet. Die führenden Player sind gegenwärtig bereits in Chip-Geometrien von 7 bzw. 5 Nanometer unterwegs.Zuletzt hatte China neue Regierungsrichtlinien erlassen, um die heimische Halbleiterindustrie in den nächsten Jahren breit zu fördern und sich unabhängiger von US-Zulieferungen zu machen. Im neuen Fünfjahresplan bis 2025 soll dem Vernehmen nach ein umfassendes Unterstützungsprogramm zur Entwicklung einer neuen sogenannten dritten Halbleitergeneration verankert werden. (vgl. BZ vom 4. September) Die Nachricht von der anstehenden chinesischen Chipoffensive hatte am vergangenen Freitag kräftige Kurswackler bei einer Reihe von US-Chipproduzenten ausgelöst, deren Langfristperspektiven mit der Belieferung des chinesischen Marktes für Halbleiter von den Plänen kompromittiert werden könnten.Gegenwärtig allerdings sind chinesische Halbleiterproduzenten in großem Ausmaß auf US-Technologie und Ausrüstungszulieferer angewiesen, um ihre Produktion zu bewältigen. Einer Analyse der Researchfirma Jefferies zufolge beruht etwa die Hälfte des Inputs für die SMIC-Chipproduktion auf US-Technologie und kann auf absehbare Zeit nicht durch heimische Alternativen ersetzt werden. Analysten bei Bernstein Research betonen, dass es SMIC unmöglich gemacht werde, künftig fortgeschrittene Prozessoren zu entwickeln, wenn ein Ausschluss von US-Technologie erfolge. In gewisser Weise habe es die US-Regierung dann selbst in der Hand, wie rasch der chinesische Chipproduktionssektor technologisch voranzukommen vermag. Für SMIC wiederum laufe das auf eine potenzielle Existenzbedrohung hinaus.Während die chinesische Regierung den Vorstoß als weitere unlautere Aggression unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit geißelte, hält sich SMIC mit Kommentaren zurück. Man hoffe in Kommunikation mit US-Behörden treten zu können, um Missverständnisse zu klären.