Seat steht beim Elektroantrieb noch auf der Bremse
Seat steht beim Elektroantrieb noch auf der Bremse
Herr Griffiths, Sie sagen, dass Sie selbst überrascht sind von dem rasanten Aufstieg von Cupra in so kurzer Zeit. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Wir waren ehrgeizig, sind aber trotzdem darüber überrascht, dass es so toll gelungen ist. Wir haben in sechs Jahren 500.000 Autos verkauft, davon allein letztes Jahr 230.000. Ich glaube, es liegt an verschiedenen Dingen. Erstens ist unsere Industrie, ob es uns gefällt oder nicht, nicht in Transformation, sondern in Disruption. Und wenn eine Industrie disruptiert wird, dann gibt es immer Verlierer und Gewinner. Es kommen immer neue Player hinzu. Für uns war 2018 der richtige Zeitpunkt, um mit Cupra auf den Markt zu kommen, inmitten des Umbruchs vom Verbrenner auf Elektroantrieb. Neben der technologischen Veränderung gibt es zeitgleich eine Veränderung in der Gesellschaft, vor allem im Mindset der jungen Menschen, die etwas anderes suchen als ihre Eltern oder Grosseltern. Dazu kommt die Sorge ums Klima. Cupra kann da eine Antwort geben. Man kann ein Elektroauto fahren, das trotzdem emotional ist. Man muss nicht auf ein geiles Design verzichten. Cupra hat bei der jungen Generation einen Nerv getroffen. Wir machen keine Autos, um allen zu gefallen, wir sind nicht Mainstream.
Letztes Jahr wurde viel über das mögliche Aus von Seat als Marke spekuliert…
Es gab Irritationen seitens einiger Medien, die irgendetwas falsch verstanden hatten. Wir haben das aber nie gesagt. Es gibt keine Veränderung. Wir machen weiter mit Seat und investieren in die Marke. Das Einzige, was ich damals und auch heute noch sage, ist, dass der Zeitpunkt für den Einstieg von Seat in den Elektroantrieb noch nicht gekommen ist, weil das nicht rentabel wäre. Seat hat eine Zukunft, auch wenn es noch kein Elektroauto hat, denn bis 2035 können wir weiter Verbrenner bauen. In Spanien machen Elektroautos nur 5% des Marktes aus. Wir analysieren, was wir in der elektrischen Welt unter SEAT anbieten können.
Macht es denn Sinn für einen Hersteller mit der Größe von Seat mit zwei so unterschiedlichen Marken wie Seat und Cupra anzutreten?
Ja, man braucht scale. Unser Werk in Martorell kann und muss 500.000 Autos produzieren, um ausgelastet zu sein. Eine Marke wie Cupra ohne eine Volumenbasis könnte nicht profitabel sein. Einer der Erfolgsfaktoren des Cupra Formentor, unserem erfolgreichsten Auto mit 120.000 Verkäufen im Jahr, ist, dass er auf einer Plattform zusammen mit dem Seat Leon hier in Martorell gebaut wird. Das ist sehr effizient und produktiv, aber die Autos sind anders positioniert. Man braucht diese Volumenbasis, doch die Autos müssen eigenständig sein. Das ist unser Vorteil bei Seat und im VW-Konzern. Wir nutzen Synergien und teilen uns Plattformen.
Sie sprachen eben schon das Verbrenneraus 2035 an. Derzeit mehren sich die politischen Signale, dass die Entscheidung eventuell wackeln könnte. Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Ich weiß nicht, ob die Diskussion über das Verbrenneraus in die richtige Richtung geht. Ich glaube, niemand stellt infrage, dass wir etwas tun müssen. Hier in Barcelona hatte es sehr lange nicht richtig geregnet und das Wasser geht aus. Da ist doch klar, dass sich in dieser Welt etwas verändern muss. Ich habe keinen Zweifel daran, dass man für die Dekarbonisierung Autos ohne Emissionen braucht. Die Technologie muss man offenlassen, aber das Ziel würde ich nie infrage stellen. Ob 2035 realistisch ist, bei einer Quote von Elektroautos in Spanien von5% und in Europa vielleicht von knapp über 10%, ist fraglich. Aber ich würde nicht das Ziel verschieben, sondern daran arbeiten, dass es uns gelingt. Die Regierungen und Automobilindustrie müssen zusammenarbeiten und weniger über die Regulierung steuern. Man muss Elektroautos fördern und darf die Incentives nicht von einem Tag auf den anderen einstellen. Das ist nicht hilfreich, denn das verunsichert die Leute.
Woran hapert es noch?
Statt uns zu fragen, wann wir ein Ziel erreichen, sollten wir uns eher fragen, was genau wir erreichen wollen. Ich tue das hier in Spanien in meiner Rolle als Präsident des Automobilverbandes ANFAC. Ich habe eine klare Botschaft an die spanische Regierung, die die Elektromobilität mehr unterstützen muss: Wir brauchen eine klare Planung für die öffentliche Ladeinfrastruktur. Man muss das Elektroauto als Teil der Lösung und nicht als Teil des Mobilitätsproblems in den Städten anerkennen.
Die spanische Regierung hat über die so genannten PERTE-Pläne, mit EU-Fördergeldern, die Industrie beim Bau von Elektroautos zuletzt stark subventioniert.
Ja, wir haben diese industrielle Unterstützung. Aber was nützen die Hilfen, wenn wir hier in Spanien keine Elektroautos verkaufen? Die Voraussetzungen für die Industrialisierung von Elektroautos in Spanien sind gegeben, nicht zuletzt durch die historischen Investitionen von 10 Mrd. Euro, die wir gemeinsam mit dem VW Konzern, PowerCo und den Partnern von Future:Fast Forward tätigen. Jetzt müssen die anderen Rahmenbedingungen geregelt werden: der Absatzmarkt und die Infrastruktur. Die Antwort auf die Industriepolitik in den USA und China darf nicht Protektionismus sein, sondern eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. In Spanien haben wir etwa ein riesiges Potential bei erneuerbaren Energien, um emissionsfreie Autos mit sauberer Energie zu bauen. Wir haben es in der Hand, aber die Antwort kann nicht lokal oder national sein. Das muss Europa machen. Wir haben eine sehr starke Automobilindustrie, aber man muss erst einmal akzeptieren, dass sie in Gefahr ist. Ich glaube viele, haben diesen Schuss noch nicht gehört.
Die europäische Automobilindustrie ist allerdings später als andere auf die Elektromobilität aufgesprungen.
Ich glaube nicht, dass wir spät dran sind. Bei Seat sind wir vor zwei oder drei Jahren aufgesprungen. Davor hatte das wirklich keinen Sinn gemacht. Ich glaube auch nicht, dass wir bei der Technologie hinterher sind. Allerdings wird die Beschleunigung der Industrialisierung in Amerika und in China dezidierter durch die Politik angegangen. In Europa fangen wir jetzt wieder damit an den Weg neu zu diskutieren.
In Spanien hat die politische Instabilität dazu geführt, dass es für dieses Jahr keinen neuen Haushalt gibt. Welche Folgen hat das für die Autobranche?
Unser Verband hatte um Steueranreize für den Kauf von Elektroautos gebeten, statt den reinen Kaufprämien. Das ist ohne Haushalt schwer umzusetzen. Die Prämien funktionieren nicht, wie wir festgestellt haben. Die Leute warten zwei Jahre auf die Zahlung ihrer Prämie. Zu viel Bürokratie und aktuell alles viel zu langsam.
Bei Seat arbeitet man an einem Projekt für die Urban Mobility. Ist die Philosophie dahinter, dass in Städten wie Barcelona der individuelle Autoverkehr eher weniger wird und man auf andere Transportformen umsteigt?
Sowohl als auch. Ich glaube, es gibt ein Recht auf individuelle Mobilität und die Menschen werden dieses Recht immer einfordern. Aber sicherlich wird der Großteil der Verkehrsmittel in den Städten öffentlich sein. Es wird weniger Autos geben und mehr Carsharing. Wir verstehen, dass der Verkehr zugunsten der Lebensqualität reduziert wird, und wir unterstützen das. Es gibt auch neue Formen der individuellen Mobilität in der Stadt. Wir haben mit einem Elektroscooter experimentiert oder auch mit Microcars, die weniger Platz beanspruchen. Es wird verschiedene Formen der Fortbewegung geben. Es kommt auf die vernünftige Mischung an.
Im Interview: Wayne Griffiths
Der CEO der spanischen VW-Tochter erklärt den Erfolg der neuesten Marke Cupra und kritisiert die gegenwärtige Debatte über das Verbrenner-Aus 2035
Nach dem Rekordgewinn 2023 konnte Seat auch im ersten Quartal anders als der Gesamtkonzern zulegen. Der Schlüssel ist Cupra. Bei der Elektromobilität in Spanien sieht Griffiths, der seit 2020 die Geschäfte bei Seat führt, noch Nachbesserungsbedarf. In den USA und China handele die Politik entschlossener, meint der Brite.
Das Interview führte Thilo Schäfer.