Modehandel

Secondhand-Plattform Vinted steigert Bewertung auf 5 Mrd. Euro

In Zeiten von Klimakrise und Konsumschwäche glänzt der Gebrauchtwaren-Markt mit positiven Wachstumsaussichten. So hat nun der Secondhand-Marktplatz Vinted neue Investoren für sich gewinnen können. Während immer mehr Konkurrenten auf den Zug aufspringen, soll das Geschäft künftig noch ausgebaut werden.

Secondhand-Plattform Vinted steigert Bewertung auf 5 Mrd. Euro

Secondhand-Plattform Vinted steigert Bewertung

Investoren taxieren Vorzeigefirma aus Litauen auf 5 Mrd. Euro – Nach Kleidung soll nun auch Verbraucherelektronik gehandelt werden

In Zeiten von Klimakrise und Konsumschwäche glänzt der Gebrauchtwaren-Markt mit positiven Wachstumsaussichten. Nun hat der Secondhand-Marktplatz Vinted neue Investoren von sich überzeugt. Während immer mehr Rivalen auf den „Pre-owned"-Zug springen, soll das Geschäft noch ausgebaut werden.

kro Frankfurt

Fünf Jahre nach seinem Aufstieg zum ersten Tech-Einhorn aus Litauen kann sich der Secondhand-Marktplatz Vinted mit einem fünften Horn schmücken. Im Rahmen eines Sekundärverkaufs von Aktien durch bestehende Anteilseigner in Höhe von 340 Mill. Euro sei man mit 5 Mrd. Euro bewertet worden, teilte das Unternehmen mit Sitz in der litauischen Hauptstadt Vilnius am Donnerstag mit. Die Aktien seien an neue Investoren verkauft worden, wobei der Deal vom texanischen Vermögensverwalter TPG angeführt wurde. Daneben haben sich weitere Investmentfonds wie Hedosophia aus London, Baillie Gifford aus Schottland, sowie Invus Opportunities, FJ Labs, Manhattan Venture Partners und Moore Strategic Ventures aus New York beteiligt. Zuletzt war Vinted im Jahr 2021 bei einer Finanzierungsrunde mit 3,5 Mrd. Euro bewertet worden.

Vinted, 2008 gegründet und hierzulande in den ersten Jahren bekannt unter dem Namen Kleiderkreisel, gilt heute als größte europäische Onlineplattform für den Handel von gebrauchter Mode, Accessoires und weiteren Produkten. Das Unternehmen ist derzeit in 20 Ländern aktiv und hat im vergangenen Jahr erstmals schwarze Zahlen geschrieben – rund 77 Mill. Euro waren es an bereinigtem Ebitda, rund 18 Mill. Euro unter dem Strich. Anders als der Berliner Online-Modehändler Zalando, der nach dem Corona-Boom im Jahr 2022 eine Vollbremsung beim Wachstum hinlegen musste und auch im Folgejahr nicht vom Fleck kam, haben die Umsätze von Vinted in den vergangenen Jahren stetig zugelegt: 2022 ging es um rund die Hälfte nach oben, 2023 sogar um gut 60% auf 596 Mill. Euro.

Gebrauchtes liegt im Trend

Die nächste Wachstumsphase hat der Flohmarkt-App-Betreiber schon im Blick – die Erfahrung der neuen Investoren werde dafür benötigt, ließ sich CEO Thomas Plantenga am Donnerstag zitieren. Der Niederländer und frühere Gründer eines auf Bootsvermieter ausgerichteten Softwareunternehmens kam 2016 zu dem Unternehmen, nachdem es wegen fehlender Einnahmen und explodierender Kosten kurz vor der Pleite stand. Seinen Rettungsplan für Vinted bezeichnete er selbst später in Interviews als „aggressiv“: Büros in San Francisco, London, München und Paris wurden geschlossen, von 240 Mitarbeitenden musste fast die Hälfte gehen. Statt einer Verkäufergebühr, die viele Nutzer und Nutzerinnen nach ihrer Einführung in Deutschland vergrault hatte, setzte Vinted fortan auf eine deutlich niedrigere Abgabe für Käufer. Der Plan ging auf, die Nutzer kehrten zurück. Heute beschäftigt Vinted mehr als 2.000 Mitarbeitende.

Die Vision des Unternehmens sei immer die gleiche gewesen, sagt Plantenga:
Secondhand weltweit zur ersten Wahl zu machen. Das Thema erfreut sich aufgrund des steigenden Umweltbewusstseins, aber auch wegen der Aussicht auf günstigere Preise zunehmender Beliebtheit. Laut einer PwC-Studie dürfte das Volumen des Secondhand-Modemarkts in Deutschland von 3,5 Mrd. Euro im Jahr 2022 auf 5 bis 6 Mrd. Euro bis 2025 wachsen. Gut jeder zweite Verbraucher hat demnach schon einmal gebrauchte Kleidung gekauft. Bei der jüngeren Gen Z liege der Anteil bei 64%.

Das Interesse an der Flohmarkt-Wirtschaft ist auch Unternehmen wie Zalando nicht entgangen, die 2020 ebenfalls ein sogenanntes „Pre-owned“-Angebot für den Handel mit gebrauchter Mode eingeführt hat. Bei H&M heißt das Konzept „Pre-loved“ und ist seit 2022 in Deutschland verfügbar. Zara bietet seit Ende 2023 ein „Pre-owned“-Modell in Deutschland.

Geschäft wird diversifiziert

Vinted will es – wohl auch wegen der zunehmenden Konkurrenz – nicht bei Mode allein belassen. Das Wachstum soll künftig auch mit weiteren Produktkategorien wie Verbraucherelektronik angekurbelt werden. In einem Interview mit der „Financial Times“ sprach Plantenga zudem von Büchern, Spielzeug und Videospielen. Als weitere zusätzliche Einnahmequelle soll ein Verifizierungsservice für Designer- und Luxusmodeartikel dienen, bei dem Käufer ihre Ware im Bedarfsfall gegen eine Gebühr von 10 Euro von Experten auf Echtheit kontrollieren lassen können. Vinted hatte für ihre Ambitionen im Geschäft mit Designerartikeln im Jahr 2022 den damals börsennotierten Hamburger Spezialisten für Secondhand-Luxusmode Rebelle geschluckt und die beiden Plattformen zusammengeführt.

Vinted-CEO Thomas Plantenga hat das Unternehmen nach seinem Antritt radikal umgebaut. Er sieht sich derzeit noch nicht unter Druck gesetzt, den Secondhand-Marktplatz an die Börse zu bringen.
Quelle: Vinted

Daneben will sich Vinted auch auf ihr Versand- und Zahlungsgeschäft stützen und den regionalen Fokus laut Plantenga künftig erweitern. Noch sei man schwerpunktmäßig in Europa aktiv, sagte der CEO. Langfristig wolle man aber ein globales Unternehmen sein. Hierfür komme womöglich auch eine Expansion in die USA in Betracht.

Börsengang drängt nicht

Auf kürzere Sicht rechnet das Unternehmen denn auch damit, dass sich das Wachstum fortsetzt. In diesem und im nächsten Jahr dürften Umsatz und Gewinn wahrscheinlich weiter steigen, sagte Plantenga. Seit einiger Zeit zieht die Firma auch schon einen Börsengang in Betracht, wobei es derzeit aber keinen unmittelbaren Druck gebe.

Die Wagniskapitalgeber dürften freilich früher oder später Druck machen und nach Möglichkeiten für einen Exit suchen. Unter ihnen befindet sich mit dem zum Münchener Medienunternehmen Burda gehörenden Startup-Investor Burda Principal Investments auch ein deutscher Vertreter, der schon mehrfach Geld in Vinted gesteckt hat.

Zalando war seinerseits vor zehn Jahren an die Börse gegangen. Im Zuge des coronabedingten Onlinebooms hatte sich der Aktienkurs von Frühjahr 2020 bis Mitte 2021 mehr als verdreifacht und lag zeitweilig bei über 100 Euro. Heute ist von den Kursgewinnen nichts mehr übrig – die Titel notierten zuletzt bei rund 29 Euro. Der Konzern bringt derzeit rund 7,6 Mrd. Euro auf die Waage. Seine Marktkapitalisierung liegt damit nicht sehr weit entfernt von der Vinted-Bewertung.

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