IM INTERVIEW: MOHSEN SOHI

"Sehr große Akquisitionen passen nicht zu uns"

Freudenberg-Vorstandssprecher setzt auf Partnerschaften - Niedrigzins erschwert in Konkurrenz zu Finanzinvestoren Firmenkäufe

"Sehr große Akquisitionen passen nicht zu uns"

Die Weinheimer Freudenberg-Gruppe begann 1849 als Gerberei und ist heute ein international aufgestellter Mischkonzern. Vorstandssprecher Mohsen Sohi führt das in Familienbesitz befindliche Unternehmen im dritten Jahr und schätzt die von der Gesellschafterstruktur ausgehende Stabilität in der Unternehmensentwicklung. Große Übernahmen passen dabei nicht zur Strategie.- Herr Sohi, Freudenberg ist eines der großen deutschen Unternehmen in Familienhand. Wo liegen die Vorteile dieser Struktur?Der Vorteil für Freudenberg in der Gesellschafterstruktur mit mehr als 320 Familienmitgliedern liegt in der sehr langfristigen Orientierung. Das ist gut für unsere Kunden, für unsere Mitarbeiter und für unsere Geschäftspartner. Die private Struktur gibt ein Zeichen für Stabilität. Das darf aber nicht als Ausrede für Ineffizienz gelten. Wir müssen diese Effizienz genauso wie auch börsennotierte Unternehmen zeigen.- Ist die Familienstruktur für rasche Entscheidungen hinderlich?Das ist überhaupt kein Thema. Wir leben eine sehr gute Governance. Die Gesellschafter wählen – personengleich – die Mitglieder des Gesellschafterausschusses der Führungsgesellschaft und des Aufsichtsrats des operativen Unternehmens, der SE. Das unterscheidet sich nicht von börsennotierten Unternehmen. Die Unternehmensleitung führt das Unternehmen. Jedes Quartal berichtet die Geschäftsleitung an den Gesellschafterausschuss.- Und bei grundlegenden Entscheidungen?Bei sehr hohen Investitionen beispielsweise für eine Akquisition von mehr als 15 Mill. Euro müssen wir natürlich einen Beschluss der Gesellschafter haben. Es kommt aber sehr selten vor, dass wir hierfür eine Sondersitzung benötigen. In den vergangenen drei Jahren war dies einmal der Fall. Wir können wirklich alle wichtigen Entscheidungen zeitnah treffen.- Könnten Sie für eine sehr große Übernahme auch das Kapital erhöhen?Sehr große Akquisitionen von mehreren Milliarden Euro passen nicht zu unserer Strategie. Wir würden also nicht versuchen, eine Gesellschaft in der gleichen Größe wie Freudenberg zu übernehmen. Das hat aber nichts mit dem Thema Finanzierung zu tun. Wir sehen für uns ein Limit bei 1 bis 1,5 Mrd. Euro. Das könnten wir sehr gut schaffen, denn wir verfügen über eine starke Bilanz, liquide Mittel und hinreichende Kreditlinien.- Das Rating wäre nicht in Gefahr?Überhaupt nicht. Wir haben gerade mit dem Gesellschafterausschuss die Strategie für die Jahre bis 2017 festgelegt. Und da ging es auch um diese Frage. Unsere Analyse hat ergeben, dass dies nicht der Fall sein wird.- Freudenberg ist im Investitionsgüter- und im Haushaltswarenbereich tätig. Wird das so bleiben?Wir sind glücklich mit unserem heutigen Portfolio. Freudenberg ist ein Mischkonzern mit einem diversifizierten Angebot. Die Risikoverteilung gehört zu unseren Geschäftsprinzipien, aber unter den verschiedenen Geschäften verbergen sich zum Teil gleiche technologische Plattformen.- Geben Sie ein Beispiel.Unsere Vliesstofftechnologie ist nicht nur wichtig für Performance Materials und für das Filtergeschäft, sondern auch für Vileda-Haushaltstücher.- Freudenberg ist seit langem international tätig. Welche regionale Struktur streben Sie an?Unserem strategischen Ziel gemäß wollen wir langfristig ein Drittel unseres Geschäfts in Europa, ein Drittel in Amerika und ein Drittel in Asien machen. Wir machen gute Fortschritte dabei, aber es liegt noch Arbeit vor uns. So sind unsere Teilkonzerne noch immer sehr unterschiedlich stark in einzelnen Regionen vertreten. Das ist historisch mit den Akquisitionen gewachsen.- Gibt es für wichtige Geschäftsbereiche in globaler Sicht noch weiße Flecken?In Japan sind wir über unsere Partner NOK und JVC und die Joint Ventures sehr gut vertreten. China und Indien sind in Asien für uns sehr wichtig, und in der nächsten strategischen Periode werden wir uns auch mit Südostasien befassen.- Hat man nicht einmal über ein noch engeres Zusammengehen mit den japanischen Partnern nachgedacht?Bei NOK sind wir mit 25,1 % ein Ankeraktionär, bei JVC sind wir mit 33 % der größte Anteilseigner. Bei JVC ist auch der japanische Toray-Konzern mit dabei, das funktioniert alles partnerschaftlich sehr gut. Für eine gesellschaftsrechtlich noch engere Verbindung besteht keinerlei Anlass.- Diese engen Partnerschaften mit japanischen Firmen sind für Freudenberg bei der Entwicklung in China wichtig?Zum Teil machen wir das über Joint Ventures beispielsweise mit NOK. Aber unsere Teilkonzerne bearbeiten den chinesischen Markt auch alleine in eigener Verantwortung.- Ist diese Eigenständigkeit der Teilkonzerne von Freudenberg gewollt?Unser Führungsmodell heißt “Strategic Guide”. Die Teilkonzerne führen ihre Geschäfte weitgehend unabhängig. Die Führungsgesellschaft gibt natürlich die Standards vor, kümmert sich um das Risikomanagement, um die Talentsuche und anderes mehr.- Wie läuft es eigentlich mit Ihrem großen Joint Venture in der Schwingungstechnik, Trelleborg-Vibracoustic? Es gab Berichte, die schwedische Seite wolle aussteigen.Es gibt immer Gerüchte. Die Partnerschaft von Trelleborg und Freudenberg in diesem 50 : 50-Gemeinschaftsunternehmen ist sehr gut. Trelleborg ist für uns ein sehr guter Partner. Seit Mitte 2012 arbeiten wir sehr eng in der Integration des Geschäfts zusammen. Aber wir haben noch viel zu tun.- Aber ein Ausstieg von Trelleborg ist denkbar?Trelleborg mag irgendwann einmal aussteigen wollen, aber das ist kein aktuelles Thema. Wir werden zunächst gemeinsam die IPO-Fähigkeit des Unternehmens prüfen. Das bedeutet aber nicht, dass es zeitnah einen Börsengang geben wird. Für Freudenberg ist ein Ausstieg aber für die nächsten Jahre ohnehin kein strategisches Thema. TrelleborgVibracoustic ist die Nummer 1 hinsichtlich Marktanteilen und bezüglich der Technologie.- Könnte Trelleborg ihren Teil an die Börse bringen, oder haben Sie ein Vorkaufsrecht?Der Joint-Venture-Vertrag enthält die üblichen Optionen, zu denen unter anderem auch – unter bestimmten Voraussetzungen – ein gegenseitiges Vorkaufsrecht gehört. Ein möglicher Kauf des Trelleborg-Anteils durch Freudenberg ist denkbar und ebenso wenig ausgeschlossen wie ein gemeinsamer Börsengang.- Wie sind die Chancen in Russland?Mit dem russischen Markt waren wir sehr vorsichtig. Wir haben dort ein kleines, aber sehr gutes Geschäft, das heute gerade einmal zu 1 bis 1,5 % unseres Umsatzes beiträgt. Freudenberg produziert vor Ort. Wir sehen dort vor allem für baunahe Materialien wie Dämmstoffe gute Chancen.- Freudenberg ist traditionell ein großer Zulieferer der Automobilindustrie. Welche Rolle soll dieses Geschäft in Zukunft haben?Es gibt in jedem Geschäft Chancen und Risiken. Für uns ist das Autozuliefergeschäft noch immer sehr wichtig und wird wichtig bleiben. Es ist ein Innovationstreiber. Derzeit trägt das Geschäft fast 35 % zu unserem Umsatz bei. Aber unser Ziel ist es, in anderen Geschäften stärker zu wachsen. In den vergangenen Jahren war das Autozuliefergeschäft für uns sehr gut und profitabel. Wir müssen natürlich dabei immer die Entwicklung unserer Fixkosten für den Fall im Auge behalten, dass es mal schlechter laufen sollte.- Welche Sparten wollen Sie als Freudenberg denn künftig stärker betonen und ausbauen?Ein gutes Beispiel ist unsere Spezialchemie, aber auch Filtration, Medizintechnik, und – langfristig – ist auch die Belieferung der Öl- und Gasindustrie für uns strategisch wichtig. Auch wenn es bei Öl und Gas im Moment schwierig ist – unser Vorteil als Familiengesellschaft ist eben die langfristige Herangehensweise.- Wie kommt Freudenberg als international tätiges Unternehmen mit den Veränderungen in der Währungslandschaft zurecht?Wir versuchen durch Produktion und Materialeinkauf in den Zielmärkten den Währungseinfluss zu begrenzen. Im Grunde nutzen wir deshalb keine Währungssicherungsgeschäfte. Unter dem Strich hilft uns die Euroschwäche im Umsatz. Bezüglich des Ergebnisses gleichen sich Vor- und Nachteile praktisch aus.- Aber für eventuelle Firmenkäufe wird es schwieriger?Das stimmt. Wenn wir in den USA zukaufen wollen, ist der starke Dollar ein Nachteil. Aber wenn es strategisch sinnvoll ist, würden wir eine Akquisition dennoch durchziehen.- Gehen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei Freudenberg in die Höhe?Die Quote ist in den vergangenen Jahren von 3,3 auf 3,7 % vom Umsatz gestiegen. Wir versuchen deshalb auch, zugleich die Verwaltungskosten zu begrenzen.- Welche Chancen sehen Sie für die Brennstoffzelle? Sie investieren ja auch in diesem Bereich.Die Elektromobilität an sich wird kommen. Wir selbst haben viel in Brennstoffzellentechnik investiert. Wahrscheinlich wird sie aber im stationären Einsatz früher kommen als im Automobil.- Sie hatten vor einem Jahr angekündigt, die Marke Freudenberg stärker in den Vordergrund zu bringen. Wie weit sind Sie damit?Wir haben an diesem Thema in den vergangenen zwei Jahren sehr intensiv gearbeitet. Wir haben eine neue Positionierung und eine neue Markenarchitektur entwickelt. Da sind auch unsere Kunden eingebunden worden. Und die Teilkonzerne werden weiter eigenständig am Markt agieren. Das alles werden wir im Juli in einer Veranstaltung für unsere Top-300-Führungskräfte vorstellen und danach umsetzen.- Jüngst hat eine Studie festgestellt, dass gerade Familienunternehmen sich mit der Anwerbung von Fachpersonal schwertun. Wie sieht es bei Freudenberg aus?Wir müssen stets daran arbeiten, Freudenberg als Arbeitgeber attraktiv zu halten, und wenn wir neue Talente an Bord geholt haben, dann müssen wir sie weiterentwickeln. Unsere entsprechenden Prozesse des Talentmanagements sind gerade in den vergangenen Jahre verbessert worden. Zum Thema Talentsuche und Nachfolgeplanung setzen wir uns jeden Frühling für vier Tage mit Vertretern der Teilkonzerne zusammen. Und das wiederholt sich für eine kürzere Zeit im Herbst. Insgesamt ist die Loyalität unserer Mitarbeiter zum Unternehmen sehr hoch.- Wie kommen Sie mit dem Niedrigzinsumfeld zurecht?Wir haben das gleiche Problem wie jeder Anleger. Aber uns trifft vor allem, dass uns die niedrigen Zinsen im Wettbewerb mit Private Equity benachteiligen. Wir kalkulieren sehr konservativ, während Finanzinvestoren in Zeiten billigen Geldes Käufe mit einem hohen Fremdkapitalanteil hebeln können. Das treibt die Übernahmepreise.—-Das Interview führte Peter Olsen.