Sehr langsame Entscheidungen in dynamischem Umfeld

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 21.6.2016 Stolze 30 Jahre Bestehen feierte der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) mit seinem Symposium im Berlin - und erlebte eine freudige Premiere. Noch nie in all den Jahren habe sie so viele...

Sehr langsame Entscheidungen in dynamischem Umfeld

Von Ulli Gericke, BerlinStolze 30 Jahre Bestehen feierte der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) mit seinem Symposium im Berlin – und erlebte eine freudige Premiere. Noch nie in all den Jahren habe sie so viele Frauen und junge Menschen auf dem Podium gehabt wie hier im coolen Kreuzberger “Umspannwerk”, freute sich Diskussionsleiterin Julia Münch, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Wirtschaftskreises. Des Rätsels Lösung: Das Jubiläumssymposium des eigentlich in “Japantown” Düsseldorf ansässigen DJW behandelte das Thema “Entrepreneurship and Growth. Startups and their Ecosystems in Japan and Germany”.Bei diesem Thema schien es angebracht zu sein, in Berlin und in einer dieser alten technischen Industriebauten aus der Gründerzeit, die bei Start-ups äußerst begehrt sind, zu feiern – zusammen mit all den Frauen und jungen Gründern. Doch ungeachtet dieses dynamischen Umfelds goss der erste Redner, der sich zum Thema äußerte, erst einmal literweise Wasser in den Sake, den japanischen Reiswein. Bezugnehmend auf internationale Studien listete Alexander Kritikos, Forschungsdirektor Entrepreneurship beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), auf, dass Deutsche eine Unternehmensgründung skeptisch sehen, Japaner sie aber nicht einmal halb so häufig für eine gute Idee halten wie US-Amerikaner. Dafür hätten sie deutlich mehr Angst zu scheitern. Trifft Letzteres auf weniger als ein Drittel der befragten Amerikaner zu, fürchten 40 % hierzulande einen Flop und sogar 55 % der Japaner. Im “Land der aufgehenden Sonne” sei die Bevölkerung mehrheitlich hierarchisch geprägt, autoritätsgläubig und risikoscheu, beklagte einer der etwa 250 Teilnehmer des Symposiums, der einige Jahre in Fernost gearbeitet hatte. Und die bejubelte neue Frauenpower? In den USA sind dem DIW zufolge 11 % der Gründer weiblich, hierzulande 4 %, in Japan verschwindende 1,5 %.Konstatierte Kritikos, dass Japan bei den steuerlichen Rahmenbedingungen für junge Unternehmen weltweit auf dem abgeschlagenen Rang 121 liege (Deutschland auf dem 72. Platz und die USA an 53. Stelle), so beobachtet Keiichiro Yano, der sowohl in Tokio wie in Berlin enge Kontakte zu Start-ups pflegt, dass es außerhalb Japans bessere Finanzierungsbedingungen gebe als zu Hause auf der Insel.Ob das einen Braindrain zur Folge habe, wurde er gefragt – worauf der Ex-Google-Mann meinte, dass es so schnell keine Änderungen in seinem Heimatland geben werde. Schon zuvor hatte Christoph von Einem, Partner bei Arqis Rechtsanwälte und auch einer dieser Wanderer zwischen Deutschland und Japan, klargemacht, dass große Unternehmen ungewohnt schnell entscheiden müssen, wenn sie mit einem Start-up kooperieren wollen – “besonders japanische Unternehmen sind aber sehr langsam”. Ein neuer ArbeitskreisDoch auch bei einer Feier des 30. Jubiläums sollte der Blick nicht nur zurück, sondern vor allem nach vorn gehen. So waren sich die Veranstalter am Ende einig, dass trotz verschiedenster Hürden “erste Ansätze zu deutsch-japanischen Kooperationen im Start-up-Bereich bereits existieren”. Entsprechend gründete der Wirtschaftskreis eine DJW “Start-up Working Group” – wohl schlecht übersetzt mit Arbeitskreis, der immer dann gebildet wird, wenn man nicht mehr weiter weiß. Das nächste Start-up-Symposium findet Anfang Oktober in Tokio statt. ——–Deutsch-Japanischer Wirtschaftskreis feiert 30. Geburtstag zusammen mit Start-ups.——-