Shell verbucht ein Quartal zum Abschreiben
gho London – Ursprünglich war vorgesehen gewesen, dass an einer Telefonkonferenz der Finanzchef des niederländisch-britischen Energiekonzerns Royal Dutch Shell Rede und Antwort steht. Angesichts des für das dritte Quartal ausgewiesenen Verlustes von 7,4 Mrd. Dollar meldete sich aber zunächst doch Konzernchef Ben van Beurden zu Wort.Wegen niedrigerer Erwartungen für den Erdölpreis und die Aufgabe von Projekten an der Küste vor Alaska und in Kanada musste der Konzern Abschreibungen von 7,9 Mrd. Dollar vornehmen, was sich im Konzernergebnis niederschlug. Die schlechten Zahlen und das widrige Umfeld spiegeln sich auch in den Quartalszahlen anderer Energiekonzerne: Die italienische Eni und die amerikanische ConocoPhillips weisen ebenso wie Shell einen Konzernverlust aus. Das französische Unternehmen Total und – zwei Tage zuvor – BP zeigten einen starken Gewinnrückgang auf.Wenn bei Shell das Ergebnis zu Ersatzbeschaffungskosten ohne Sondereffekte herangezogen wird – eine Kennzahl, die bei Analysten besondere Beachtung findet, ergibt sich ein Gewinn von 1,8 Mrd. Dollar, was um 70 % weniger ist als im Vorjahresquartal. Der operative Cash-flow ging aber nur um 12 % auf 11,2 Mrd. Dollar zurück. Das Fördergeschäft wies auch unter Auslassung der Abschreibungen und sonstiger Sondereffekte ein Minus auf. Die Raffinerie- und Handelssparte konnte hingegen stark zulegen, was bereits ein Muster der vergangenen Quartale ist und den Vorteil von Konzernen aufzeigt, die beide Sparten – Förderung sowie Weiterverarbeitung und -nutzung – vereinen.Van Beurden verteidigte weiterhin die 70 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Erdgaskonzerns BG Group durch Shell, die im nächsten Jahr abgeschlossen werden soll. Die Akquisition stellt auch eine Fokussierung des Unternehmens auf das Erdgasgeschäft und auf Tiefseebohrungen dar. Fraglich bleibt aber, ob der Kaufpreis für BG nicht zu hoch ist und ab welcher Erdölnotiz die Akquisition positive Auswirkungen auf den Geldzufluss zur Abdeckung der Investitionen und Dividenden hat.Shell konnte bereits für einen durchschnittlichen Ölpreis von 60 Dollar je Fass den erforderlichen Cash-flow erwirtschaften, ohne sich verschulden zu müssen. Die Marke von 60 Dollar erweist sich derzeit als Zielgröße für die Branche. BP und Total streben an, ab 2017 mit einem Preis von 60 Dollar auszukommen, um Investitionen und Ausschüttungen zu decken. Die Unternehmen wollen diesen Preis aber nicht als Vorhersage verstanden wissen; er ist vielmehr eine Anpassung der Konzerne an eine Welt mit längerfristig niedrigen Ölpreisen. Derzeit kostet ein Fass Öl der Sorte Brent rund 50 Dollar.