Siemens-Aktie geht auf Rekordkurs
Kurz vor der Siemens-Hauptversammlung nimmt der Aktienkurs Anlauf, den Rekord aus dem Jahr 2000 zu knacken. Der bisherige Höchststand wurde im Internet-Hype erreicht. Der aktuelle Höhenflug hat einen solideren Antrieb: die Stellung von Siemens bei Industrie 4.0 und eine Notierung der Medizintechnik.Von Michael Flämig, MünchenWenn die Siemens-Aktionäre sich am 1. Februar versammeln, können sie sich nicht nur über ein Plus des Aktienkurses von 30 % auf 104,20 Euro im vergangenen Geschäftsjahr (30. September) freuen. Ein Grund zur Hochstimmung ist auch, dass der Kurs nun auf einen Rekord zusteuert. Die Höchstmarke stammt vom 2. März 2000. Damals schloss das Papier bei 123,65 Euro – nach EQS-Group-Angaben, andere Dienstleister berechnen um wenige Cent abweichende Werte wegen der Osram-Abspaltung. Am Dienstag stieg die Aktie um 1,5 % auf 117,75 Euro.Währenddessen ziehen Analysten ihre Kursziele so stark nach oben, dass auch der höchste Stand während eines Handelsverlaufs, der am 3. März 2000 mit 126 Euro erreicht wurde, pulverisiert wäre. UBS zielt seit Dienstag auf 131 statt auf 105 Euro – der saftige Aufschlag dürfte positiv auffallen, wenn Siemens über Mandate für eine Medizintechnik-Börsennotierung nachdenkt. Société Générale hält mit und erhöht von 120 auf 135 Euro. Damit würde auch die Marktkapitalisierung auf Rekordniveau steigen. Es liegt bei 100,1 Mrd. Euro, erreicht am 27. Dezember 2007 auf Basis von 914 Millionen ausstehenden Aktien. Aktuell beträgt die Kapitalisierung 95,2 Mrd. Euro (808 Millionen Aktien). Allerdings wurde seitdem Osram abgespalten mit einer Anfangskapitalisierung von 2 Mrd. Euro.Was treibt die Hausse? Taktisch setzen viele Investoren darauf, dass das kurzzyklische Geschäft Fahrt aufnimmt. Dort treibt jeder zusätzliche Umsatz-Euro den Gewinn besonders stark. So schätzen die Analysten von UBS, dass die Rendite vor Steuern aktuell bei 14 % liegt, während die langfristig terminierten Aufträge für Siemens nur 9,5 % bringen.Zwei strategische Einschätzungen sind entscheidender für den Rekordkurs der Aktie, die 2000 noch vom Hype um Internet, Mobilfunk & Co. profitierte. Erstens loben Anleger den Konzern für seine Industrie-4.0-Kompetenz. Berenberg sieht ihn an der Weltspitze in der Industrieautomatisierung. Morgan Stanley merkt zum US-Konkurrenten General Electric an, dieser erhalte für den Digitalauftritt einen Bewertungsaufschlag, der angesichts des Know-how von Siemens nicht gerechtfertigt sei. Das Selbstbewusstsein der Münchner ist dementsprechend groß. “Jeder Führende geht voran und setzt das Tempo, statt auf Züge der Wettbewerber zu reagieren”, kommentierte Finanzvorstand Ralf Thomas kürzlich den Kauf einer Software-Firma. Bei der Präsentation der Digitalstrategie im Dezember strich das Management zudem heraus, dass das Software-Geschäft besonders margenstark ist. Aktienrückkauf ruhtAls vorteilhaft bewerten – zweitens – viele Investoren die Konzentration auf weniger Aktivitäten. Der Konglomeratsabschlag von 28 % sei nicht mehr gerechtfertigt, rügt etwa UBS in der neuen Studie “2017: The momentum continues”, Dabei ist eine Börsennotierung der Medizintechnik, die J.P. Morgan schon im November mit knapp 33 Mrd. Euro bewertet hatte (vgl. BZ vom 11. November), das größte Projekt.Siemens sendet unterschiedliche Signale zur Bewertung. Einerseits sieht Mariel von Schumann, die den Konzernchef Joe Kaeser am Dienstag auf dem Commerzbank German Investment Seminar in New York vertrat, einen vergleichsweise zu niedrigen Unternehmenswert. Der Siemens-Wert sei 9,5-mal so hoch wie das Ebitda, während die Kapitalgüterindustrie im Schnitt bei 11,4 notiere (Basis Schätzung 2017).Andererseits lässt Siemens seit August keine Aktien mehr zurückkaufen, obwohl das Rückkaufprogramm gilt. Es scheint, als würde der Preis als zu hoch eingeschätzt.