Teilverkauf

Siemens-Arbeit­nehmer gegen weitere Aufspaltung

Der Siemens-Aktienkurs kommt nicht recht vom Fleck. Analysten schlagen immer wieder eine Trennung von weiteren Geschäften vor. Die Vertreter der Arbeitnehmer wehren sich dagegen.

Siemens-Arbeit­nehmer gegen weitere Aufspaltung

mic München

Eine weiter gehende Aufspaltung von Siemens würde auf Widerstand bei den Arbeitnehmervertretern stoßen – aktuell besteht der Konzern aus den Sparten Digital Industries sowie Smart Infra­structure, die in der Einheit Mobility gebündelte Bahntechnik und die Beteiligung von 75,4% an Siemens Healthineers. „Das ist der Kern von Siemens, das ist für uns auch unveräußerlich“, sagte IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner, der auch Mitglied des Siemens-Aufsichtsrats ist, im Club Wirtschaftspresse München. Analysten dagegen bringen immer wieder einen Teilverkauf ins Gespräch.

Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn verwies angesichts der schwachen Aktienkursentwicklung auch auf die Einführung der Plattform Xcelerator vor wenigen Wochen. Die Digitalisierung führe dazu, dass Gemeinsamkeiten zwischen den Sparten entstünden: „Ich verstehe nicht, dass das auf den Kapitalmarkt gar keinen Einfluss hat.“

Kerner räumte ein, Veränderungen innerhalb der Sparten des Unternehmens werde es immer geben. Diesen Prozess stoppen zu wollen wäre unglaubwürdig. Anders beurteilte er die Aufstellung des Unternehmens mit seinen wesentlichen Pfeilern: „Unter 50% bei Healthineers wäre eine rote Linie.“ Denn dann wäre das Medizintechnikunternehmen nicht mehr Teil des Konzerns.

Aber auch geringfügigere Reduzierungen des Healthineers-Anteils hält Kerner für problematisch. Healthi­neers und auch Mobility seien gute Cash-Bringer. Werde der Anteil reduziert, erhalte man weniger Anteil vom guten Ergebnis. Die Investoren wollten schließlich nicht auf Ausschüttung verzichten: „Die verbleibende Dividende nur mit der AG zu finanzieren, das halte ich für illusorisch.“ Solange die beiden Bereiche gut aufgestellt seien, wäre eine Portfolio-Politik falsch. Man habe in diesem Punkt im Moment gar keinen Dissens mit dem Vorstand: „Eher mit dem einen oder anderen am Kapitalmarkt.“

Kauf von Hardware-Geschäft

Portfoliopolitik sei von gestern, die Arbeitnehmervertreter wollten eine Wachstumsstrategie, sagte Kerner. Das Alleinstellungsmerkmal von Siemens sei die Verknüpfung von Hard- und Software. Es wäre nun ein Signal, um neue Hardware-Produkte zu platzieren, „dass man vielleicht auch einmal den Mut hat, etwas zu kaufen“. Siemens erwerbe bisher Software-Unternehmen zu hohen Kosten. „Das eine oder andere Hardware-Unternehmen, das auch zu uns passen würde, gibt es garantiert auch in Europa.“ Es gehe dabei auch um die Zahl der Mitarbeiter auf dem Heimatmarkt, machte Kerner klar. Der Anspruch müsse sein, dass die Zahl der Beschäftigten in Deutschland gehalten werde. Dies gehe nur mit Wachstum.

Das Aufsichtsratsmitglied lobte ausdrücklich das Einrichten der Einheit Portfolio Companies, die niedrigmargige Geschäfte saniert. Es sei eine gute Idee, dort Geschäfte, die zeitweise schwächer daständen, wieder zu stabilisieren: „Aus meiner Sicht könne es auch eine Dauereinrichtung sein.“ Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas dagegen hatte auf dem Kapitalmarkttag 2021 erklärt, es würden keine neuen Gesellschaften in die Portfolio Companies integriert. Anscheinend sei seine eigene Sichtweise dem Kapitalmarkt schwer zu vermitteln, kommentierte Kerner: „Da müssen wir überlegen: Wie nachhaltig sind die Forderungen des Kapitalmarktes?“

Mit Blick auf Siemens Energy und deren Mehrheitsbeteiligung Gamesa, die von der Muttergesellschaft komplett übernommen werden soll, sagte Kerner, er sei zuversichtlich, „dass man das in den nächsten ein bis zwei Jahren in den Griff kriegt“. Der neue Siemens-Gamesa-Vorstandsvorsitzende Jochen Eickholt habe in seiner Karriere mit seinem Team am Beispiels der Bahntechnik bewiesen, ein Geschäft neu aufstellen zu können. Auch Siemens-Energy-Chef Christian Bruch setze die richtigen Schwerpunkte. Schon vor Jahren sei auf Siemens-Seite der Fehler gemacht worden – und daran sei die Arbeitnehmerseite beteiligt ge­wesen – Gamesa nicht zu 100% zu übernehmen: „Wir haben alle etwas daraus gelernt.“

„Stimmung ist gut“

Steinborn betonte, die Arbeitnehmervertreter arbeiteten gut mit dem Management zusammen: „Wir teilen die Strategie.“ Die Stimmung im Unternehmen sei gut. Auch viele Führungskräfte seien wieder positiv gestimmt nach Jahren der Umstrukturierung und des Personalabbaus.

Gegen die Folien auf Powerpoint-Ebene könne man nichts sagen, sagte Steinborn. In der betrieblichen Praxis gebe es aber viele Themen, bei denen man unterschiedliche Auffassungen habe. Beispielsweise solle die Wertschöpfung in Deutschland und Europa gestärkt werden, forderte sie: „Dies wurde bisher nicht erreicht.“ Die Beschäftigtenzahl sei auch in den vergangenen zwei bis drei Jahren gesunken, getrieben von Ausgliederungen. Außerdem will Steinborn Siemens gerne als Indus­triekonzern gestärkt sehen. Mit der Ausgliederung des Spezialisten für Antriebssysteme Large Drives Applications werde Industriekompetenz in wichtigen Branchen aufgegeben.

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