Siemens-Chef sagt Saudi-Besuch ab
mic München – Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser verzichtet nach langem Zögern auf eine Reise zu einer Investorenkonferenz in Saudi-Arabien. Damit folgt er der Entscheidung von vielen Wirtschaftsführern, die wegen des unaufgeklärten Todes des saudischen Regimekritikers und Journalisten Jamal Khashoggi in den vergangenen Tagen die Teilnahme storniert hatten.Kaeser begründete seine Absage in einer englischsprachigen Erklärung auf dem Netzwerk Linkedin, die in Ich-Form gehalten und von seinem persönlichen Duktus gekennzeichnet ist. “Es ist die sauberste Entscheidung, aber nicht die mutigste”, lautet seine Schlussfolgerung.Er habe Hunderte oder gar Tausende Mails und Sozial-Media-Posts erhalten mit der dringenden Bitte, nicht an der “Future Investment Initiative Conference” teilzunehmen, schreibt Kaeser. Nur zwei Personen hätten ihm empfohlen zu gehen – und diese hätten gut verstanden, wie kompliziert die Situation sei. Es sei nicht immer leicht, die richtige Balance zu finden zwischen Werten, Interessen und Timing, fügte Kaeser hinzu, der der Khashoggi-Familie in der Erklärung sein Beileid ausspricht.Kaeser hatte nach eigenem Eindruck drei Optionen. Er hätte absagen und sich, wie die meisten, hinter dem “Mainstream” verstecken können, schreibt er. “Was wäre, wenn alle internationalen Wirtschaftslenker dies machten?”, so Kaesers rhetorische Frage. Sie handelten sich keinen Ärger ein, aber: “Würden die Probleme nicht noch größer, weil niemand da wäre, der das Wort erhebt?” Die zweite Option sei gewesen, einen Vertreter aus der zweiten Reihe nach Riad zu schicken, wie dies auch Wettbewerber gemacht hätten. Dies aber entspreche nicht seinem Führungsverständnis, macht Kaeser klar. Denn man dürfe sich nicht hinter seinen Leuten verstecken, wenn die Kugeln von vorn kämen.Die dritte Möglichkeit sei aus Sicht des Siemens-Chefs gewesen, die Konferenz zu besuchen und das Thema anzusprechen: “Ich habe über diese Option lange nachgedacht.” Es wäre die mutigste und ehrlichste gewesen, schreibt er. Denn das Verbrechen sei ja nicht von den 33 Millionen meist jungen Saudis bzw. den Kunden, Partnern oder Beschäftigten von Siemens begangen worden. Diese Menschen verdienten enge Verbündete, die für sie das Wort ergriffen und Gerechtigkeit verlangten.Seine Entscheidung habe aus drei Gründen so viel Zeit in Anspruch genommen, sagte Kaeser. Erstens hätte es weiter Klärungen in dem Fall geben können. Zweitens habe er sich um andere dringende Themen wie einen Irak-Auftrag kümmern müssen. Drittens habe er die Interessen aller Stakeholder abwägen wollen, den Zweck und die Reputation der Firma, die Partnerschaft mit Kunden in Saudi-Arabien und der arabischen Welt und die Siemens-Arbeitsplätze.