Talentförderung

Siemens fördert gezielt Nachwuchs für Finanzabteilung

Personal ist eine knappe Ressource geworden. Auch Finanzressorts können ein Lied davon singen. Siemens bietet externen und internen Bewerbern drei Programme.

Siemens fördert gezielt Nachwuchs für Finanzabteilung

Siemens fördert gezielt Nachwuchs für Finanzabteilung

Vorstand Ralf Thomas zielt mit drei Programmen auch auf externe Bewerber – Systematische Einführung in Leadership-Rituale des Unternehmens

Kompetente Beschäftigte für sich zu gewinnen ist auch für viele börsennotierte Gesellschaften mittlerweile eine zentrale Aufgabe. Schließlich ist Personal eine knappe Ressource geworden. Auch einige Finanzressorts können ein Lied davon singen. Siemens bietet externen und internen Bewerbern dort drei Programme.

mic München

Nachwuchsförderung für leitende Positionen im Finanzbereich ist eine Voraussetzung dafür, als attraktiver Arbeitgeber zu erscheinen. Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas orchestriert im Unternehmen gleich drei Programme. Ein Finance Excellence Program schleust externe Fachkräfte mit Berufs- und Führungserfahrung in die Finanzabteilung. Siemens-Beschäftigte werden im Commercial Assignment Program eineinhalb Jahre gefördert. Und ein von Thomas angestoßenes Executive MBA-Program an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bietet Siemens-Beschäftigten eine akademische Weiterbildung.

„Es sind drei sich ergänzende Programme, und es gibt einige Berührungspunkte, beispielsweise rund um die Alumni-Netzwerke“, so die Einschätzung von Thomas im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zudem erhalte jedes Programm jährlich einige Wildcards für die Teilnahme an der International CFO-Konferenz, wo sich die Top-200-Finanzverantwortlichen von Siemens treffen. Einige Teilnehmende dürften auch die Siemens Business Conference besuchen: „Sie werden also systematisch in die Siemens-Leadership-Prozesse eingeführt.“

Große Bekanntheit

Für Thomas ist entscheidend, dass die oberste Finanzebene von Siemens in die Nachwuchsförderung eingebunden ist, von den CFOs der Landesgesellschaften bis zu den Finanzchefs der großen Siemens-Geschäftseinheiten.

Das Financial Leadership Team dieser Top-Finanzebene spreche die Entwicklungschancen des gesamten Führungsnachwuchses regelmäßig durch. „Die Programme helfen uns natürlich auch, Talente in den Landesgesellschaften für uns besser sichtbar zu machen und dann auf den Radarschirm für die Nachfolgeplanung zu holen“, berichtet der Finanzvorstand, der den Führungskräften wechselnde Perspektiven auf das Unternehmen ermöglichen möchte.

„Die Bekanntheit ist mittlerweile groß“, bilanziert Thomas mit Blick auf die Programme. Beispielsweise sei Siemens im Jahr 2020 von der MBA-Exchange.com als zweitattraktivstes Programm weltweit geehrt worden: „Zudem haben viele Absolventen bei uns Karriere gemacht.“ Diese Erfolgsbilanz sei wichtig für die Attraktivität, weil die Teilnehmenden dies in ihre jeweiligen Netzwerke weitertrügen. Daher hätten derartige Programme immer Langfristcharakter.

70 Prozent der Teilnehmer bleiben

Selbstläufer sind Initiativen wie das Finance Excellence Program, das bis in das Jahr 2008 zurückreicht und den Unternehmens-Finanzvorstand als Sponsor hat, allerdings trotzdem nicht. „Am Anfang mussten wir natürlich kämpfen, das Programm zu etablieren“, erklärt Thomas. Im ersten Jahr hätten an der ersten Auswahl-Runde 400 Personen teilgenommen: „Im zweiten Jahr waren es bereits 900, und inzwischen bewegen wir uns zwischen 1.500 und 2.000 Bewerberinnen und Bewerbern pro Jahr.“

Nur eine gute Handvoll Bewerber mit einer Berufs- und Führungserfahrung von fünf bis zehn Jahren werden genommen. Sie durchlaufen nach einer einmonatigen Einführung in zwei Jahren drei Stationen in verschiedenen Geschäften und Märkten.

74 Absolventen des Programms sind weiterhin für Siemens-Firmen aktiv – aufgrund der langen Programmlaufzeit auch in den mittlerweile selbtständigen Unternehmen Siemens Healthineers und Siemens Energy. Rund 50 Teilnehmende arbeiten für die Siemens AG. „Rund 70% der Teilnehmenden bleiben letztlich bei uns, was absolut vergleichbar mit anderen Programmen ist“, sagt Thomas.

Der Siemens-Finanzvorstand ist mit hohem persönlichen Engagement dabei. „Bei den ersten 15 Kolleginnen beziehungsweise Kollegen, die uns verlassen haben, habe ich jedes einzelne Exit-Interview selbst geführt.“ Aus den Exit-Interviews entstünden immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten für das Programm. Zudem gelte: „Wir definieren in der Regel eine Kontaktperson, die mit scheidenden Excellence-Teilnehmenden im Kontakt bleibt.“ Vielleicht gehe dann mal wieder eine Tür zurück in den Konzern auf.

Ein Netzwerk des Wissens

Siemens-Beschäftigte dagegen können in das Commercial Assignment Program einsteigen. Voraussetzung ist, dass sie schon über mindestens drei bis fünf Jahre Arbeitserfahrung verfügen. Weltweite Mobilität gehört ebenfalls zu den Voraussetzungen. Die Einschätzung von Thomas: „Für Siemens-Beschäftigte aus Deutschland und anderen Ländern ist dies eine Riesenchance.“ Durch das im Jahr 2015 gestartete Programm mit 20 bis 30 Teilnehmern pro Runde sehe er eine starke Bindung der Talente an das Unternehmen.

Jede Selbstnominierung als Kandidat für das Programm müsse die Unterstützung von Führungskräften im Finanzwesen erhalten, sagt Thomas. Die Teilnehmer gingen in ein anderes Geschäft, in eine andere Rolle und in ein anderes Land. Siemens sichere eine Rückkehrmöglichkeit zu: „Es entsteht ein Netzwerk, in dem Wissen global aufgebaut und geteilt wird. Dies ist ein nicht zu unterschätzender, wichtiger Nebeneffekt.“

Das dritte Standbein der Nachwuchsförderung ist die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: „Im Rahmen meines Lehrauftrags, der jetzt schon seit über zehn Jahren läuft, erhält ein rundes Dutzend Topstudenten die Möglichkeit, bei Siemens eine Masterarbeit zu schreiben oder eine andere praktische Zusammenarbeit mit unserem Haus zu erlangen.“

Finance Leadership Team zentral

Die Idee sei anschließend gewesen, ein vergleichbares Bildungsangebot auch Siemens-Kolleginnen und -Kollegen zugänglich zu machen. Der Lehrstuhlinhaber, Professor Thomas Fischer, sei so mutig gewesen, berichtet Thomas, den Siemens-Vorschlag umzusetzen, obwohl er nicht so richtig in das akademische Programm gepasst habe: „Die Idee: Theorie und Praxis möglichst nahe zusammenzubringen.“

Das seit dem Jahr 2014 laufende Programm sei ein Standard-MBA, den die Universität auch Dritten anbiete. Es werde mit drei Modulen ergänzt, die Siemens und Universität gemeinsam erarbeitet hätten: „Dazu gehört beispielsweise internationale Unternehmensführung.“

Das Finance Leadership Team entscheide auch in diesem Fall, wer in das nächste Programm komme: „Dieser faktische Zwang, sich mit denen, die man empfiehlt, wirklich auseinanderzusetzen, ist sehr wichtig – das gilt auch für mich.“ Für Thomas ist das Besprechen von Entwicklungschancen des Nachwuchses zentral: „Jede Stunde, die ich dieser Aufgabe zusammen mit meinem Führungsteam widme, zahlt sich hundertfach aus.“

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