Siemens geht auf Distanz zu Energy

Neue Gesellschaft wird konsequent auf eigene Beine gestellt - Abgabe der Mehrheit - Hohes Eigenkapital

Siemens geht auf Distanz zu Energy

Siemens wählt für die Trennung von den Energieaktivitäten eine Mischung aus Spin-off und Verkauf von Aktien. In einem ersten Schritt werden 55 % von Siemens Energy im September automatisch an die Siemens-Aktionäre verteilt. Anschließend will der Konzern seinen Anteil liquiditätssteigernd weiter reduzieren.mic München – Die Siemens-Aktionäre sollen für je zwei Aktien des heutigen Konzerns eine Aktie der Siemens Energy AG erhalten. Dieses Verhältnis legten die Münchner mit der Vorlage des rund 400-seitigen Spaltungsberichts fest. Damit gehen mit dem Erstlisting am 28. September 55 % des Unternehmens Siemens Energy automatisch an die Aktionäre (siehe Grafik). Die Siemens AG wird noch mit 35,1 % beteiligt sein. Weitere 9,9 % liegen bei Siemens Pension-Trust, dessen Paket zum Streubesitz gezählt werden soll.Siemens betonte, keinen beherrschenden Einfluss auf die neue Gesellschaft ausüben zu wollen. In den 12 bis 18 Monaten nach Börsennotierung soll der Anteil weiter deutlich reduziert werden. Offenbar zielt auch der Siemens Pension-Trust darauf, sein Paket weiterzureichen. Derlei Anteilsreduzierungen seien in Abhängigkeit von der strategischen und operativen Entwicklung beider Gesellschaften geplant, erklärte Siemens ohne weitere Details. Jenes Teilpaket von 12 %, das die Gesellschaft Siemens Beteiligungen Inland hält, dürfte jedoch längerfristig im Besitz der Münchner bleiben. Der Spaltungsbericht führt aus, dass das Paket innerhalb von sieben Jahren nur unter größeren Ertragsteuerlasten verkauft werden könnte.Die Aktionäre werden über die Abspaltung auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 9. Juli abstimmen. Der 68-seitigen Einladung zufolge wird sie als virtuelles Aktionärstreffen ausgerichtet, bei dem Live-Redebeiträge nicht möglich sind. Fragen müssen bis zum 7. Juli eingereicht werden. Gewinn sinkt seit JahrenSiemens Energy könne die Kunden “auf allen Stufen der Wertschöpfungskette unterstützen”, lässt sich der seit drei Wochen amtierende Vorstandsvorsitzende der Siemens Energy AG, Christian Bruch, in einer Mitteilung zitieren. Einerseits ist die Firma mit Produkten wie Gas- und Dampfturbinen, Generatoren, Transformatoren und Kompressoren in der konventionellen Energieerzeugung aktiv. Andererseits gehört Siemens Energie mit einem 67-%-Paket an Siemens Gamesa zu den Weltmarktführern im Bereich Windenergie.Im vergangenen Jahr steigerte Siemens Energy den Umsatz von 28,0 auf 28,8 Mrd. Euro und das angepasste Ebita von 864 Mill. Euro auf 1,0 Mrd. Euro (gedämpft durch 0,3 Mrd. Euro Restrukturierungskosten). Der Gewinn sank im dritten Jahr in Folge: von 960 Mill. Euro (2017) über 645 Mill. Euro auf 282 Mill. Euro. In der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres lief ein Verlust von – 337 Mill. Euro auf. Der Umsatz sank um 1,7 % auf 13,2 Mrd. Euro. Der Auftragsbestand lag Ende September bei 77 Mrd. Euro.Eine Bewertung von Siemens Energy nennt der Spaltungsbericht nicht. Analystenschätzungen reichen bis zu einem sehr niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag. Siemens Energy kündigte an, es würden 40 % bis 60 % des Gewinns nach Steuern ausgeschüttet. Das Unternehmen sei finanziell hervorragend aufgestellt, lässt sich Finanzvorstand Ralf Thomas zitieren. Das Unternehmen könne sich eigenständig am Markt finanzieren: “Gleichzeitig sind wir zuversichtlich, dass sich damit auch der Konglomeratsabschlag auf die Aktie der Siemens AG reduzieren wird.”Wie angekündigt strebt Siemens Energy ein Rating im Investment-Grade-Bereich an. Zur Hälfte des Geschäftsjahres addierte sich das Eigenkapital auf 17,3 Mrd. Euro. Die Eigenkapitalquote von 37,8 % übertrifft die Quote der Mutter. Siemens Energy sei mit Liquidität im Gegenwert von rund 6,2 Mrd. Euro ausgestattet worden, hieß es. Davon würden bis zur Abspaltung 4,1 Mrd. Euro zur Begleichung von Verbindlichkeiten verwendet. Ein Bankenkonsortium habe darüber hinaus eine revolvierende Kreditlinie in Höhe von 3,0 Mrd. Euro zugesagt, erläuterte der Spaltungsbericht. Geschäfts- und Firmenwerte sowie sonstige immaterielle Vermögenswerte addierten sich auf 14,3 Mrd. Euro. Dies entspricht 31 % des Gesamtvermögens. Davon sind 9,7 Mrd. Euro Goodwill.Siemens bleibt künftig eng mit dem Energy-Unternehmen verbunden. Für einen Übergangszeitraum wird die Beteiligung Dienstleistungen der Siemens AG im Volumen von 1,0 Mrd. Euro in Anspruch nehmen. Für die Nutzung der Marke Siemens zahlt Energy eine margenabhängige Lizenzgebühr, die jährlich zwischen 0,3 % und 1,2 % des Umsatzes (ausgenommen Gamesa) liegt. Dies wird im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag sein.Die Kosten der Abspaltung beziffert der Prospekt auf 110 Mill. Euro. Der Carve-out kostet einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag, verursacht primär durch Steuern.Noch ist laut Spaltungsbericht der Carve-out nicht in allen Ländergesellschaften vollzogen. Die 40-%-Beteiligung an der Shanghai Electric Power Generation Equipment soll erst im Geschäftsjahr 2020/2021 übertragen werden, sofern der Joint-Venture-Partner nicht ein Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt.