Siemens hält an Metall-Sparte fest
Von Michael Flämig, MünchenIn diesen Monaten erscheint es für Siemens-Divisionen wenig empfehlenswert, den Erwartungen des neuen Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser nicht zu entsprechen. Denn die Durchleuchtung der Geschäfte läuft auf Hochtouren, strukturelle Entscheidungen sind spätestens für Mai avisiert. Verkäufe scheinen nicht ausgeschlossen. Entsprechend ist aufzuhorchen, wenn Kaeser wie kürzlich vor Analysten feststellt: “Es ist schon eine Zeit lang eine Enttäuschung, nicht nur hinsichtlich des Wachstums.” Das “es” ist die Sparte Metal Technologies – mit 7 000 Beschäftigten und geschätzt 2 Mrd. Euro Umsatz kein Leichtgewicht im Siemens-Universum. Wie ist das Statement einzuschätzen?Klar ist: So mancher Kapitalmarktteilnehmer spielt die Transaktion schon seit längerem durch. So stuft beispielsweise Analyst Peter Reilly von der Deutschen Bank die Aktivitäten als möglichen Verkaufskandidaten ein. Als denkbaren Unternehmenswert nennt er 1,2 Mrd. Euro. Es sei interessant, dass Metal Technologies im Sektor Industrie nicht eigens ausgewiesen werde, sondern das Geschäft in der Konsolidierung untergehe, argumentiert Reilly: “Dies impliziert, dass es keine natürliche Basis bei Siemens hat.”Worum geht es? Metal Technologies liefert Ingenieur- und Anlagenbauleistungen für die Eisen- und Stahlindustrie. So sind Technologien und Dienstleistungen für metallurgische Anlagen und Stahlwerke im Programm. Die Einheit betreut 1 300 Kunden. Nach Angaben von Industrievorstand Siegfried Russwurm zählen acht der zehn größten Stahlhersteller zur Klientel. Als Hauptwettbewerber gelten SMS und die italienische Danieli.Siemens ist seit dem Jahr 2005 in dem Feld engagiert, weil die Metallurgie-Aktivitäten mit dem Kauf der österreichischen VA Tech in den Konzern kamen. Demzufolge sitzt das weltweite Metal-Hauptquartier in Linz. Weil Metal Technologies nicht als Division ausgewiesen wird, sind belastbare Geschäftsdaten Mangelware. Im Jahr 2005 bezifferte Siemens den Anteil im Weltmarkt auf 10 %, sodass sich auf Basis des damaligen Volumens ein Umsatz von 1,8 Mrd. Euro errechnen ließ. Russwurm spricht mittlerweile von einem Volumen von 25 Mrd. Euro, das bis zum Jahr 2018 um 4 % jährlich wachse.Analyst Reilly beziffert den Umsatz im Geschäftsjahr 2011/2012 auf rund 2 Mrd. Euro bei einem Ebit von 160 Mill Euro. Diese guten Zeiten allerdings sind mit den Überkapazitäten am Stahlmarkt passé, das Geschäft verläuft zyklisch. Aus externer Sicht scheint daher ein Verlust im Geschäftsjahr 2012/2013 wahrscheinlich. Schließlich kosteten zwei fehlgeschlagene Projekte 52 Mill. Euro, zudem schlug der Konzernumbau allein im vierten Quartal mit 37 Mill. Euro zu Buche. Hohe KapitalrenditeTrotzdem wird Siemens sich vorerst nicht von dem Geschäft trennen. Erstens hat Kaeser die Devise ausgegeben, Einheiten nicht mehr inmitten von Krisen abzugeben – schließlich ist dann der Verkaufspreis niedrig. Zweitens hat der Konzern in der Sparte mit Peter Schraut nicht nur einen neuen Finanzvorstand, sondern Anfang November mit Albrecht Neumann auch einen neuen CEO installiert. Dieser hat den Beschäftigten intern erklärt, die Frage nach einem Verkauf stelle sich nicht. Drittens hat Russwurm auf dem Kapitalmarkttag im April herausgestrichen, dass Metal Technologies viele Synergien mit dem Mechatronik-Portfolio habe. Es liefere zwar keine prozentual zweistelligen operativen Gewinnmargen – dieses ist das Ziel für den Sektor Industrie. Metal Technologies binde aber wenig Vermögen. Daher sei die Kapitalrendite sehr attraktiv, sie liege deutlich über dem Schnitt des Sektors.