Siemens Healthineers wagt ersten Zukauf nach Börsengang
mic München – Siemens Healthineers greift erstmals nach dem Börsengang im März 2018 für einen Zukauf kräftig in die Kasse. Der Medizintechnikkonzern will das börsennotierte US-Unternehmen Corindus Vascular Robotics für 1,1 Mrd. Dollar in bar erwerben. Die Münchner zahlen damit hohe Multiples für den Robotikmedizin-Spezialisten.Siemens-Healthineers-Finanzvorstand Jochen Schmitz begründete dies in einer Analystenkonferenz mit dem Einstieg in ein neues Geschäftsfeld und den erwarteten hohen Wachstumsraten: “Der Business Case ist auf signifikante Synergien zwischen Corindus und uns ausgelegt.” Die Kombination von Robotik und der Größe von Siemens Healthineers sei eine einzigartige Gelegenheit, Wert zu schaffen.Corindus ist im Vergleich zu dem 14-Mrd.-Euro-Umsatzkoloss Siemens Healthineers sehr klein. Die seit fünf Jahren börsennotierte Firma erlöste im vergangenen Jahr 10,8 Mill. Dollar. Der Verlust betrug rund 35 Mill. Dollar. Auf Basis dieser vergangenheitsbezogenen Daten zahlt Healthineers das 100-Fache des Umsatzes. Bezogen auf den Umsatz im nächsten Jahr, den die Analysten im Durchschnitt erwartet, liegt das Umsatz-Multiple bei rund 37. “Praktisch kein Wettbewerb”Konkurrenten von Siemens Healthineers hatten zuletzt ebenfalls hohe Multiples akzeptiert für Zukäufe von Robotikspezialisten in der Medizintechnik. Johnson & Johnson übernahm im April die Lungen-Roboterfirma Auris Health für 3,4 Mrd. Dollar plus Meilensteinzahlungen. Dies entspricht einem Umsatz-Multiple von 75 bis 100. Ende vergangenen Jahres erwarb Medtronic den Chirugie-Robotikspezialisten Mazor Robotics für ein Umsatz-Multiple von rund 23, es wurden 1,7 Mrd. Dollar gezahlt.Corindus entwickelt und produziert mit rund 100 Beschäftigten robotergestützte Systeme für minimalinvasive Prozeduren. So können Ärzte beispielsweise Katheter oder Stents präzise durch die menschlichen Blutgefäße führen, ohne dass sie direkt am Behandlungstisch stehen. Damit sind sie weniger Strahlung ausgesetzt.Michel Therin, in dessen Healthineers-Sparte Neuartige Therapien der Zukauf integriert wird, erklärte, Corindus sei auf diesem Feld klar der Vorreiter: “Es gibt heutzutage praktisch keinen Wettbewerb.” Bis Ende vergangenen Jahres habe das Unternehmen rund 50 Robotiksysteme im Markt installiert, und zwar hauptsächlich in den USA. Ihre Zahl soll in der laufenden Periode verdoppelt werden. Mittel- bis langfristig könnten 15 % der komplexen Eingriffe mit Roboterhilfe stattfinden, sagte Therin. Jeder Eingriff bringe einen Ertrag von 400 bis 500 Dollar, da Verbrauchsmaterialien erneuert werden müssten. Von diesen Kassetten verkaufte Corindus beispielsweise im dritten Quartal 2018 bei 45 installierten Robotiksystemen gut 500 Stück.Siemens Healthineers bietet den Aktionären 4,28 Dollar pro Aktie. Vor Bekanntgabe des Angebots hatte das Papier bei 2,42 Dollar geschlossen. Der Kurs war in der ersten Jahreshälfte ausgehend von 1 Dollar auf zeitweise mehr als 3 Dollar gestiegen. Zur Handelseröffnung in New York sprang der Kurs gestern um 75 % auf 4,24 Dollar. Die Transaktion soll im vierten Quartal abgeschlossen werden, sie wird von der Corindus-Verwaltung unterstützt. Schmitz zeigte sich zuversichtlich, dass der Healthineers-Konkurrent Philips, der mit rund 13 % als einer der größten Corindus-Aktionäre gilt, nicht dazwischenfunkt. Er sehe keine speziellen Probleme, sagte der Finanzvorstand. Darüber hinaus ist der Deal von der Zustimmung der Behörden abhängig.Siemens Healthineers will die Übernahme durch ein Darlehen der Siemens AG finanzieren. Schmitz kündigte an, dass der Zukauf die Marge des Medizintechnikunternehmens im kommenden Geschäftsjahr 2019/20 um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte senken werde. Hinzu kämen Einmalkosten in ähnlicher Größenordnung. Dies vergleicht sich mit der Marge von gut 17 %, die Siemens Healthineers im laufenden Geschäftsjahr erreichen dürfte.Spätestens im Geschäftsjahr 2022/23 werde die Transaktion den Gewinn pro Aktie erhöhen, sagte Schmitz. Es könne aber auch schon im Geschäftsjahr zuvor sein. 18 bis 20 Monate später solle der Zukauf die Kapitalkosten verdienen. Die Kaufpreisallokation schätzte Schmitz auf 40 Mill. bis 50 Mill. Euro. Er räumte ein, dass die erwarteten hohen Wachstumsraten des Geschäfts auf einer niedrigen Basis aufsetzten. “Mutiger Schritt”Aus Kreisen des Aufsichtsrats von Siemens Healthineers hieß es, der Zukauf sei ein mutiger Schritt, der vom Aufsichtsrat mitgetragen werde. Der Aufsichtsrat unterstütze das Management hierin, wolle dann aber natürlich auch Ergebnisse sehen.Siemens Healthineers wurde auf der Finanzseite von UBS unterstützt, als Rechtsberater fungierte Blank Rome. Für Corindus waren Citigroup Global Markets als Finanzberater und Cadwalader, Wickersham & Taft für juristische Themen aktiv.