SIEMENS ZIEHT BILANZ

Siemens kündigt neue Struktur an

Vorstandschef Kaeser will Unternehmensform ändern - Weitere Börsengänge möglich - Wünsche an Berlin

Siemens kündigt neue Struktur an

Siemens will im nächsten Jahr eine “Unternehmensform moderner Prägung” präsentieren. Vorstandschef Joe Kaeser deutete zudem an, dass weitere Börsengänge möglich sind. Von der neuen Bundesregierung wünscht sich Siemens ein Bekenntnis zu außenwirtschaftlicher Integration. Über das Ausmaß des Stellenabbaus in der Kraftwerkstechnik will Siemens in der nächsten Woche informieren.mic München – Siemens strebt eine neue Struktur an. Der Konzern habe zwar den Wandel gestaltet und sich an die Spitze der weltweiten Konglomerate gestellt, sagte Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser auf der Jahrespressekonferenz des Unternehmens. Aber Konglomerate alten Zuschnitts hätten keine Zukunft: “Deshalb werden wir uns auf die Suche nach einer Unternehmensform moderner Prägung machen.” Das Konzept solle im nächsten Geschäftsjahr vorgestellt werden. Als logischer Zeitpunkt gilt die Präsentation der Halbjahresergebnisse am 9. Mai. Jedoch sind Verschiebungen denkbar. Drei GrundprinzipienKaeser nannte drei Grundprinzipien, mit denen das Unternehmen gestaltet werden soll: die Werterhaltung der “Mega”-Marke Siemens, eine noch stärkere Fokussierung der einzelnen Geschäfte auf ihre jeweiligen kritischen Erfolgsfaktoren und eine flexiblere und damit effizientere Corporate Governance (vgl. BZ vom 24. Oktober). Der Konzernchef schloss weitere Börsengänge nicht aus, nachdem neben den bereits notierten Windkraftaktivitäten (Siemens Gamesa) künftig auch das Bahngeschäft und die Medizintechnik separat gehandelt werden können. “Ich glaube, dass eine Börsennotierung von bestimmten Assets ein Wert an sich ist”, sagte Kaeser. Etwas kryptisch fügte er hinzu: Man solle, wenn man solche Anfänge jetzt sehe, nicht davon ausgehen, dass es nichts mehr gebe, nur weil man es nicht sehe. Allerdings scheint Kaeser auch Grenzen zu kennen. Es gebe viele Geschäfte, die horizontale Synergien aufwiesen, sagte er. Der Siemens-Chef nannte Energieerzeugung und -verteilung, Automatisierung, Gebäudetechnik und die vertikale Verzahnung in der Prozesstechnik zwischen Nahrungsmittelindustrie, Chemie und Pharmazie: “Da würde man es sich dreimal überlegen, ob man Teile daraus nimmt und sie alleine laufen lässt.” Andere wie die Medizintechnik und die Kraftwerkstechnik hätten ebendiese Synergien nicht. Dann müsse man eine stärkere Eigenständigkeit betonen. Ende der MittelmäßigkeitKaeser begründete das neue Konzept mit den Rahmenbedingungen. “Ich glaube, dass wir am Beginn einer sehr stark sich wandelnden Welt sind”, sagte er. In solchen Phasen sei man gut beraten, die Geschwindigkeit zu fördern “und nicht über riesige, gleichförmige, amorphe Gebilde sein Heil zu suchen”. Zwar sei dies die bequemere Art, denn wer sehr groß sei, der sei eben ganz selten schlecht. “Aber meistens eben auch nicht gut”, fügte er hinzu. “Die digitale industrielle Revolution wird die Mittelmäßigkeit mit größter Wucht attackieren. Da möchten wir nicht genau in dieser Mitte stehen.”Indirekt kritisch äußerte sich Kaeser zur Politik des US-Präsidenten Donald Trump. Es sei nicht viel von dem umgesetzt worden, was man vorher gehört habe – “was vielleicht auch seine Vorteile hat” -, trotzdem habe sich viel verändert. Die gewandelte Rhetorik ziehe Teile der Gesellschaft stärker an ihre Ränder. Es überwögen nun die politischen und gesellschaftlichen Risiken deutlich die ökonomischen. Zu den Herausforderungen zählte Kaeser auch die Zunahme des Kurzfristdenkens in den Märkten, die ihn sorge.Kaeser mahnte die vier Parteien, die über die künftige Bundesregierung verhandeln, zu einem Ergebnis zu kommen: “Es wäre fatal, wenn ein Land wie unseres Neuwahlen bräuchte.” Dies träfe dann auch die Wirtschaft, weil Produkte deutscher Unternehmen gekauft würden wegen ihrer Verlässlichkeit und Stabilität. Die Koalitionäre dürften aber nicht globale Verantwortung und außenwirtschaftliche Integration opfern. Förderung der AktienkulturFinanzvorstand Ralf Thomas forderte die künftige Bundesregierung auf, den eingeschlagenen Pfad fortzusetzen, die deutsche Exportfinanzierung wieder global wettbewerbsfähig zu machen: “Das ist für Großanlagenbauer wie uns von essenzieller Bedeutung.” Außerdem wünschte Thomas sich eine Förderung der Aktienkultur. Die Besteuerung von Aktienerträgen solle für Kleinaktionäre und insbesondere für Belegschaftsaktionäre nochmals überdacht werden, damit diese international gleichartig gestaltet sei: “Deutschland ist an dieser Stelle leider Schlusslicht.”Das Siemens-Management bekräftigte den Willen, in der Sparte Konventionelle Kraftwerke und in geringerem Maß auch in der Division Antriebstechnologie/Prozessindustrie Arbeitsplätze abzubauen. Personalvorstand Janina Kugel kündigte an, die Planungen würden am 16. November in einer weiteren Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses den Arbeitnehmern vorgestellt. Die Managerin erwartet, dass die Verhandlungen mit den Vertretern der Belegschaft länger als gewöhnlich dauern, jedoch im laufenden Geschäftsjahr abgeschlossen werden.Kaeser erklärte, im kommenden März erhielten die Siemens-Beschäftigten 400 Mill. Euro großteils in Aktien ausgezahlt. Denn der Profit-Pool, der zu diesem Zweck eingerichtet worden sei, habe um 100 Mill. Euro auf die Zielsumme aufgestockt werden können. Die Aktionäre erhalten eine um 0,10 Euro je Aktie auf 3,70 Euro erhöhte Dividende.