Siemens rückt von Gewinnziel ab

Management erwartet Abschwung und will mit einem Effizienzprogramm gegensteuern - Vorstand räumt Fehleinschätzung ein

Siemens rückt von Gewinnziel ab

Siemens distanziert sich nach einem enttäuschenden Quartal von ihrer Prognose für das laufende Geschäftsjahr und richtet sich auf einen Abschwung ein. Der Vorstand bereitet ein Effizienz- und Sparprogramm vor.mic München – Angesichts des verschlechterten Umfelds sei es schwieriger geworden, die Ergebnisprognose zu erreichen, sagte Vorstandsvorsitzender Peter Löscher bei Vorlage der Quartalszahlen. Der Konzern hatte erst vor drei Monaten seine Prognose für das Geschäftsjahr (30. September) auf 5,2 bis 5,4 Mrd. Euro gesenkt. Zum Erreichen der Unterkante müsste er im Schlussquartal einen Gewinn von 1,6 Mrd. Euro erwirtschaften. Dies sind 13 % mehr als im bisher besten Quartal des Geschäftsjahres, das zudem am Beginn des Turnus lag. Finanzvorstand Joe Kaeser ordnete das Ziel mit den Worten ein: “Die Aussage ist, etwas plakativ ausgedrückt, wir nähern uns dem Ziel von unten.”Löscher rückte zudem von der bisherigen Erwartung ab, dass die Konjunktur sich im zweiten Halbjahr erholt. Stattdessen diagnostizierte er einen Abschwung. Für Europa gelte: “Es ist unzweifelhaft, dass wir uns in ein rezessives Umfeld hineinbewegen.” In den Schwellenländern gebe es eine Abschwächung des Wachstums, wenngleich die Zweiteilung der Dynamiken bestehen bleibe. Unter Bezug auf die rasant hereinbrechende Krise 2008/2009 fügte der Siemens-Chef hinzu, er sehe “aber auch keine Klippe, wie wir das im ersten Abschwung gesehen haben”. Für das nächste Jahr machte Siemens wenig Hoffnung: “Wir gehen auch für 2013 davon aus, dass das Marktumfeld volatil bleiben wird.” Abrupte ZyklusänderungEine konträr andere Analyse der Lage hatte Löschers Kollege beim Konkurrenten ABB geliefert. Beim kurzfristigen Ausblick sei er zuversichtlicher als vor drei Monaten, sagte Vorstandschef Joe Hogan (siehe Bericht auf dieser Seite). Löscher reagierte in der Telefonkonferenz mit Journalisten auf die Frage, wie sich der Unterschied erkläre, mit dem Satz: “Lassen Sie uns die Zukunft ein bisschen abwarten, dann schauen wir zurück, dann sehen wir ja.” Nach einer kurzen Pause leitete Kaeser zur nächsten Antwort über mit dem Satz: “Ja, das war eine präzise Antwort, die Fakten werden sich über die Zeit immer ergeben.”Der Finanzvorstand räumte ein, dass Siemens das Abbrechen des Konjunkturzyklus so nicht erwartet hat. Der Aufschwung habe höchstens die Hälfte der üblichen Zeit angedauert, die Frequenz der Zyklusänderung nehme stark zu: “Das ist eine ganz massive Veränderung des industriellen Spektrums in der Welt.” Da müsse man deutlich sagen: “Die haben wir auch so nicht gesehen.”Dies spiegelt sich in den Zahlen wider. Noch im dritten Quartal drückte Siemens bei Forschung, Verwaltung und Vertrieb (sogenannte Opex) verstärkt aufs Gaspedal. Die Ausgaben stiegen um 12 %, während das Plus im ersten Halbjahr nur 8 % betragen hatte. Diese Temposteigerung mitten in einem beginnenden Abschwung fällt besonders ins Auge, weil der Vorstand schon im April angekündigt hatte, bei diesen Posten auf die Bremse treten zu wollen.Kaeser erklärte die Steigerung mit Nachlaufeffekten. So wirkten sich beispielsweise Einstellungen im Verlauf des zweiten Quartals erst im dritten Quartal voll aus. Offenbar langten aber auch die Sektoren zu. Sie gaben für Opex in den ersten neun Monaten 962 Mill. Euro mehr als im Vorjahr aus. Die Vorgabe des Vorstands ist seit April, weniger als 1,1 Mrd. Euro draufzusatteln. Diese Latte wird wohl im Schlussquartal gerissen. Im nächsten Jahr soll der Posten Opex unverändert bleiben.Die Siemens-Spitze kritisierte die Umsetzung des Expansionskurses durch die operativ Verantwortlichen. “Wo wir nicht zufrieden sein können, ist in der Wachstumsstärke”, sagte Löscher. Im Gespräch mit Analysten zeigte er sich “absolut unzufrieden” mit dem Ummünzen von Geschäft in Gewinn. Der Finanzvorstand rechnete vor, in den letzten zwei Jahren habe Siemens 8 Mrd. Euro für organisches Wachstum ausgegeben: “Das ist ein beachtlicher Betrag.” Da müsse geliefert werden im Sinne von besserer Kapitaleffizienz.Auf diese Diagnose und vor allem den Konjunkturabschwung will der Vorstand mit einem Effizienz- und Sparprogramm reagieren: “Schlank, schnell und agil” soll Siemens laut Löscher sein. Die Angaben blieben vage, offenbar muss das Konzept mit den Führungskräften ausgearbeitet werden. Löscher kündigte eine Präsentation im Herbst an. Damit steuert die Bekanntgabe auf die Jahrespressekonferenz im November zu.Der Vorstandschef will das Programm an dem Umbaukonzept ” Agenda 2013″ der Medizintechnik orientiert wissen. Den Sektor lobte er für seine Erfolge. Ziel seien nun im Konzern ebensolche Produkt- und Prozessverbesserungen. Man sei nicht primär darauf fokussiert, mit Stellenabbau gegenzusteuern. Bei strukturellen Verwerfungen werde Siemens aber konsequent handeln. Kaeser zufolge muss sich die Bruttomarge verbessern, die Umsetzung von Innovationen in marktreife Produkte schneller gelingen und Opex gezielter eingesetzt werden.