SIEMENS ZIEHT BILANZ

Siemens setzt auf Geschäfte mit Software

Designierter Vorstandschef Busch zieht Forschungsausgaben nach oben - Prognose enttäuscht die Börse - Dividende sinkt leicht

Siemens setzt auf Geschäfte mit Software

Die Siemens AG wird ihre Investitionen noch stärker auf Digitalisierung ausrichten. Dies kündigte der künftige Vorstandsvorsitzende Roland Busch in der Bilanzpressekonferenz an. Der Konzern rechnet im angelaufenen Geschäftsjahr mit einem moderat steigenden Nettogewinn. Der Gegenwind durch Währungseffekte sei stark, hieß es. Der Aktienkurs sank in der Spitze um 5 %.mic München – Die Siemens AG wird in der neuen Aufstellung ihre Investitionen auf Software und das Internet der Dinge konzentrieren. “Hier sehen wir das größte Wachstumspotenzial, und davon wollen wir profitieren”, sagte der künftige Vorstandsvorsitzende Roland Busch in der Online-Bilanzpressekonferenz. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen im laufenden Geschäftsjahr von 4,6 Mrd. Euro auf 4,9 Mrd. Euro steigen. Der langjährige Vorstand, der Siemens bereits seit Anfang Oktober operativ leitet, setzt neben den Investitionen in die eigenen Aktivitäten auch auf ein Ökosystem mit starken Partnern. Strategie-Update im MaiIn der Siemens AG sind nach der Abspaltung der Energie- und Medizintechnikaktivitäten die Angebote rund um Fabrikausrüstung, Gebäudetechnik und Bahntechnologie gebündelt. Mit der konsequenten Umsetzung der Vision 2020+ sei ein Konglomerat in ein fokussiertes Technologieunternehmen gewandelt worden, sagte Busch, der auf die Vorstellung eines neuen Unternehmensprogramms verzichtete. Ein strategisches Update sei im Mai nächsten Jahres geplant, kündigte er an.Für Ernüchterung der Anleger sorgte die Prognose. Der Nettogewinn soll im angelaufenen Geschäftsjahr 2020/2021 moderat zulegen. Darunter wird bei Siemens ein Plus von 3 bis 5 % verstanden, so dass maximal ein Wert von 4,4 Mrd. Euro erwartet wird – wobei diese Vorgabe die voraussichtlich massiven Veränderungen durch den bevorstehenden Kauf des US-Krebsspezialisten ausblenden. Dagegen hatten vor der Zahlenveröffentlichung 21 Analysten im Schnitt einen Wert von 5,2 Mrd. Euro einkalkuliert. Der Aktienkurs ging daher zu Handelsbeginn um 5 % zurück. Letztlich beendete das Papiere den Xetra-Handel mit einem Abschlag von 3,2 % auf 113,72 Euro. Starker Euro haut reinFinanzvorstand Ralf Thomas verwies zur Begründung für die Prognose auf den Gegenwind durch Währungseffekte. Den Berechnungen zufolge wird der starke Euro den Nettogewinn 2020/2021 um 0,5 Mrd. Euro schmälern. Im Gespräch mit Analysten erklärte Thomas auch, dass Sondergewinne nicht mehr im gleichen Maß wie im vergangenen Turnus anfielen. Im Konzern hieß es darüber hinaus, dass die Zurückhaltung die zunehmenden Unsicherheiten angesichts der zweiten Welle der Pandemie spiegele.Grundsätzlich unterstelle die Prognose, dass die Pandemie die Weltwirtschaft nicht dauerhaft belasten werde, sagte Thomas. Jedoch werde auch wegen der Covid-19-Einflüsse das Wachstum der globalen Investitionen im Kapitalgütersektor hinter dem Wachstum des globalen Bruttoinlandsprodukts zurückbleiben. Das Umfeld werde sich vor allem in der zweiten Jahreshälfte verbessern, sagte der Finanzvorstand. Dies gelte insbesondere für kurzzyklische Geschäfte, die Siemens hohe Margen bringen.Analysten wiesen darauf hin, dass vor allem die Sparte Digital Industries hinter ihren Erwartungen zurückbleiben wird. Siemens prognostizierte für diese Aktivitäten, die sich um die Vernetzung der Industrieproduktion kümmern, auf vergleichbarer Basis lediglich ein leichtes Umsatzplus (1 bis 3 %). Die angepasste Ebita-Marge soll zwischen 17 und 18 % landen statt – wie am Markt erwartet – bei 18,8 %. Thomas sagte im Gespräch mit Analysten, die Wechselkurseffekte kosteten wie im Gesamtkonzern 0,4 bis 0,5 % Marge. Außerdem rechnete er in den Branchen Automobil und Maschinenbau lediglich mit einer Stagnation der Erlöse.Sowohl die Sparte Smart Infrastructure als auch Mobility werden der Prognose zufolge ihre Margen erhöhen (siehe Grafik). Für die Infrastruktur-Lösungen rund um die Gebäudetechnik rechnet Siemens mit einem moderaten Umsatzwachstum auf vergleichbarer Basis, während die Bahntechnik mit ihren Mobilitätsprodukten mit einem mittleren einstelligen Prozentsatz stärker zulegen soll. Im Gesamtkonzern peilt das Management einen moderat steigenden Umsatz auf vergleichbarer Basis an. Ob die Erlöse in absoluten Zahlen zulegen werden, ist damit nicht ausgemacht. Denn die Währungseffekte werden die Erlöse um 3,5 bis 4,5 % schmälern. Dabei möchte Siemens mehr Aufträge hereinholen, als Umsatz vorgelegt wird, das Verhältnis Book-to-Bill soll also über 1 liegen. Neue SparzieleIm Zahlenwerk rechnet Thomas erneut mit erheblichen Sondereffekten. Die Tochter Siemens Energy, an der die Siemens AG nach der Erstnotierung 35 % hält, werde neben dem Anteil am Jahresergebnis planmäßige Abschreibungen auf Vermögenswerte in Höhe von 0,3 Mrd. Euro verzeichnen. Außerdem kosteten die nachlaufenden Aufwendungen in Verbindung mit der Abspaltung 200 bis 300 Mill. Euro. Die Summe der Belastungen durch Siemens Energy solle aus dem angekündigten Verkauf von Flender in etwa ausgeglichen werden. Für Personalabbau wird Siemens nach eigener Schätzung im laufenden Jahr 400 bis 500 Mill. Euro ausgeben.Angesichts des Gegenwinds setzt Siemens sich neue Sparziele. Digital Industries soll bis zum Geschäftsjahr 2022/2023 rund 100 Mill. Euro zusätzlich und damit 420 Mill. Euro bringen (240 Mill. Euro bereits erreicht). Infrastructure sattelt 30 Mill. Euro auf 370 Mill. Euro auf, hat aber bisher erst 55 Mill. Euro einstreichen können. Als Vorgabe für die zentrale Verwaltung gelten 450 Mill. Euro (210 Mill. Euro schon erreicht) – dies ist de facto unverändert zu den bisher genannten 500 Mill. Euro, weil die abgespaltene Siemens Energy davon selbst 50 Mill. Euro anpeilt.Die Dividende sinkt von 3,90 Euro auf 3,50 Euro. Bereinigt um den Marktwert der Abspaltung von Siemens Energy in Höhe von 10 % sei die Ausschüttung stabil, rechnete Thomas vor.Allerdings zahlt Siemens Energy keine Dividende. Siemens trägt diesem Sachverhalt Rechnung, indem der Konzern einerseits mit seiner regulären Dividende von 3,00 Euro an das obere Ende des Ausschüttungszielbandes von 40 bis 60 % geht. Darüber hinaus zahlt er eine zusätzliche Dividende in Höhe von 50 Cent je Aktie. Finanzvorstand Thomas begründete dies mit “der Neuausrichtung der Aktienrückkaufprogramme infolge des Re-Ratings unserer Aktie”. Spezifischer wurde der CFO nicht. Jedoch ist aus Bemerkungen im Gespräch mit Analysten zu schließen, dass der Konzern das Volumen der Aktienrückkäufe zugunsten der Dividendenzahlung reduziert.