SIEMENS ZIEHT BILANZ

Siemens setzt sich ambitionierte Ziele

Nach jahrelanger Stagnation soll der Umsatz wieder steigen - Entwicklung in China ist das größte Risiko

Siemens setzt sich ambitionierte Ziele

Der Siemens-Konzern setzt seine Investitionsoffensive fort und will dadurch trotz widriger Marktbedingungen den Umsatz nach drei Jahren der Stagnation steigern. Der Wegfall der Veräußerungserlöse wird den Gewinn sinken lassen. Doch auf vergleichbarer Basis verspricht Siemens den Aktionären einen Anstieg des Ergebnisses pro Aktie um mindestens 14 %.mic Berlin – Siemens bläst zum Angriff auf die Konkurrenz. Vor allem im Volumen müsse der Konzern den Abwärtstrend der vergangenen Jahre umkehren und wieder zulegen, sagte der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser auf der Jahrespressekonferenz in Berlin: “Diese Trendwende ist eine wichtige Aufgabe für das Geschäftsjahr 2016, obwohl die weltwirtschaftliche Eintrübung dazu nicht gerade hilfreich ist.”Der Konzern kündigte daher nach drei Jahren der Stagnation ein “moderates” Umsatzplus für das angelaufene Geschäftsjahr 2015/2016 (30. September) an. Gemäß dem früheren Siemens-Verständnis definierte Kaeser diese Vokabel mit “bis 5 %”. Er setzt dabei vorerst nicht auf das kurzzyklische Geschäft, sondern auf das Abarbeiten langfristig erteilter Aufträge. Erlöswachstum erwartet er vor allem von den Sparten Windkraftanlagen und Bahn- und Mobilitätstechnik, aber auch von den Konventionellen Kraftwerken und der Gesundheitstechnik. Der Auftragseingang werde, getrieben auch von einem Kraftwerksauftrag in Ägypten, stark zulegen, sagte Kaeser. Er schloss beim Orderplus eine zweistellige Prozentzahl nicht aus.Entgegen der früheren Überlegung, sich auf eine Aussage zum Gewinn pro Aktie zu beschränken, kommunizierte der Konzern erneut eine Zielmarge für das industrielle Geschäft. Offenbar hatte der Kapitalmarkt entsprechende Wünsche geäußert. Wie im Vorjahr werden 10 % bis 11 % prognostiziert. Im vergangenen Turnus sind 10,1 % erreicht worden. Die Zahl ist allerdings nur eingeschränkt vergleichbar, weil Umbaukosten mit 0,7 Prozentpunkten belastend und Währungseffekte mit 0,4 Punkten margenerhöhend wirkten. Finanzvorstand Ralf Thomas sagte, im laufenden Jahr seien geringe positive Währungseffekte zu erwarten.Trotz der Stagnation auf operativer Ebene soll das Ergebnis pro Aktie um mindestens 14 % auf 5,90 Euro bis 6,20 Euro zulegen. Als Ausgangswert gelten 5,18 Euro, weil darin die Veräußerungsgewinne des Vorjahres von 3,66 Euro pro Aktie nicht enthalten sind. Der stärkere Anstieg des Nettogewinns als des operativen Ergebnisses soll großteils aus den Kosteneffekten des Umbauprogramms resultieren. Trotzdem impliziert die Prognose einen Rückgang des absoluten Nettogewinns, weil 3 Mrd. Euro Veräußerungserlöse entfallen. Mehr Geld für InnovationAls größtes Risiko für die Prognose bezeichnete Kaeser die Entwicklung in Fernost: “China 2016 ist sicherlich eine ganz zentrale Frage, auch bei der Einschätzung der Machbarkeit unserer Prognosen.” Die dortige Industrieproduktion sei aktuell unter dem Niveau der Finanzkrise 2009: “Eine doch sehr alarmierende Entwicklung.” Daher stellte Kaeser die Prognose unter die Voraussetzung, dass die hochmargigen kurzzyklischen Aktivitäten in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres anziehen. Zudem geht Siemens bei der Prognose von einer zweiprozentigen Absatzpreissenkung und dem Anstieg der Personalkosten um 3 % bis 4 % aus.Das Fazit von Kaeser: “Für 2016 haben wir uns viel vorgenommen.” Die Prognose sei ambitioniert im Umfeld einer stagnierenden Investitionsgüterindustrie. 2013/2014 sei das Jahr der strategischen Orientierung gewesen, es sei das Jahr der operativen Konsolidierung gefolgt. Nun gehe es um Optimierung und Nachschärfen. Wettbewerber seien in der Formulierung ihrer Strategie mittlerweile von aktivistischen Aktionären beeinflusst. “Das ist uns bisher nicht widerfahren.” Denn man habe eine überzeugende Strategie präsentiert.Einem neuen Sparprogramm, um die Rendite im kommenden Geschäftsjahr 2016/2017 halten oder steigern zu können, erteilte Kaeser eine Absage. Man könne die Erträge dadurch verbessern, dass man die Innovationskraft der Produkte steigere, sagte er: “Das wird im Wesentlichen auch das Mantra für 2017 sein.” Wichtig sei neben der Innovation die Produktivität, die man durch neue Sachanlagen erhöhen könne. Kritik an OsramDiese strategische Grundausrichtung spiegelt sich in der Fortsetzung der Investitionsoffensive. Kaeser kündigte an, operativ rund 1 Mrd. Euro mehr in Forschung und Entwicklung (F & E), Vertrieb sowie Sachanlagen zu investieren als im vergangenen Geschäftsjahr (exklusive Restrukturierungskosten). Das Plus betrage ausgehend von 17 Mrd. Euro rund 7 %. Von dem 1-Mrd.-Plus entfallen Kaeser zufolge 300 Mill. Euro auf das F & E-Budget, das auf 4,8 Mrd. Euro zulegen soll. Schon im vergangenen Jahr war es von 4,0 auf 4,5 Mrd. Euro gesteigert worden. Damit gab Siemens 5,9 % statt zuvor 5,6 % des Umsatzes aus. Noch deutlicher allerdings legten die Vertriebs- und Verwaltungskosten zu: Sie kletterten um 1,2 Mrd. Euro auf 11,4 Mrd. Euro (jeweils inklusive Zukäufe).Für die Aktionäre erhöhte Siemens die Dividende von 3,30 Euro auf 3,50 Euro je Aktie, zudem wurde ein neues Aktienrückkaufprogramm aufgelegt (siehe Seite 1). Kaeser wies darauf hin, dass Siemens seit dem Jahr 2008 in drei großen Programmen 134 Millionen Aktien für rund 10,9 Mrd. Euro zurückgekauft hat. Aktuell liegen noch gut 800 Millionen Stück bei den Aktionären.Mit distanzierten Formulierungen positionierte Kaeser sich zum Osram-Umbauprogramm, dessen Ankündigung zu einem Kursrutsch von zeitweise 30 % geführt hatte: “Gestern haben die Shareholder entschieden, was sie davon halten, was dort gesagt worden ist.” Das Osram-Risikoprofil ändere sich: “Halbleiter sind von Haus aus volatil, das ist eine andere Klientel auch der Aktionäre.” Siemens hält unverändert knapp ein Fünftel der Anteile.