Anteilsverkäufe

Siemens vergoldet seine Assets

Siemens will das Konglomerats-Gespenst verscheuchen. Der Verkauf von Randgeschäften bringt unerwartet hohe Sondergewinne.

Siemens vergoldet seine Assets

mic München

Siemens winken unerwartet hohe Sondergewinne aus dem Verkauf von Portfolio-Gesellschaften. Die Veräußerung des Post- und Paketgeschäfts an die Körber AG werde einen Gewinn nach Steuern von 800 Mill. bis 1 Mrd. Euro bringen, sagte Vorstandsvorsitzender Roland Busch bei Vorlage der Zahlen des ersten Quartals. Weitere 300 Mill. Euro nach Steuern spült die Abgabe des 50-Prozent-Anteils von Valeo Siemens eAutomotive an den Joint-Venture-Partner in die Kasse.

Bereits im Januar hatte Atlantia den Erwerb der Siemens-Mobility-Gesellschaft Yunex Traffic für 950 Mill. Euro angekündigt. Busch bezifferte den Sondergewinn nun auf 600 bis 800 Mill. Euro vor Steuern. Im ersten Quartal brachte außerdem wie angekündigt eine Neubewertung der Beteiligung an dem US-Energiespeicherhersteller Fluence Energy einen Sondergewinn. Vor Steuern blieben 261 Mill. Euro hängen, nach Steuern waren es 0,2 Mrd. Euro.

Die Sondergewinne haben großen Einfluss auf die Prognose für das laufende Geschäftsjahr (30. September). Denn der Ausblick beinhaltet einen prognostizierten Sondergewinn in der Größenordnung des Vorjahres in Höhe von 1,5 Mrd. Euro – wird dieser Betrag spürbar übertroffen, ist eine Erhöhung der Gewinnprognose angesichts des guten operativen Geschäftsverlaufs zwingend.

Einfluss auf die Prognose

Wenn man insbesondere über Zeithorizont und Ergebnis der Portfoliothemen einen besseren Überblick habe, werde Siemens den Ausblick mit Veröffentlichung der Ergebnisse im zweiten Quartal aktualisieren, sagte daher auch Finanzvorstand Ralf Thomas. Mit Blick auf das bislang gültige Ziel, das Ergebnis je Aktie (EPS) – gerechnet ohne Effekte aus der Kaufpreisallokation – von 8,32 Euro auf 8,70 bis 9,10 Euro zu erhöhen, fügte er hinzu: „Wir sehen Potenzial, das obere Ende unseres EPS-Zielkorridors zu erreichen oder sogar zu überschreiten“ (siehe Artikel auf dieser Seite).

Der entscheidende Unsicherheitsfaktor ist, wann die Sondergewinne tatsächlich anfallen. Einfach ist die Sache bei drei Projekten. Der Fluence-Einfluss ist schon verbucht, der Valeo-Verkauf folgt im zweiten Quartal, und die Yunex-Transaktion soll bis September über die Bühne gehen. Damit sind geschätzt knapp 1 Mrd. Euro nach Steuern planbar, wenn man den Yunex-Ertrag hinzurechnet, der allerdings in der Sparte Mobility verbucht werden soll.

Das Paketgeschäft dagegen soll Siemens zufolge im laufenden Kalenderjahr den Besitzer wechseln. Der Kaufpreis könnte also auch erst im ersten Quartal des Siemens-Geschäftsjahres 2022/2023 fließen. Der Grund: Erst nach der Aufspaltung von Siemens Logistics in die Bereiche Logistik für Post/Pakete und für Flughäfen ist der endgültige Abschluss möglich.

Darüber hinaus gliedert Siemens das Geschäft mit großen Antrieben voraussichtlich zum 1. Oktober aus und ermöglicht perspektivisch damit einen Verkauf oder eine Partnerschaft. Die IG Metall hat Widerstand signalisiert.

Dagegen erteilte Busch auf der Hauptversammlung einem Börsengang für die Siemens-Einheit zum Laden von Elektroautos eine Absage. Er ließ erkennen, dass die Aktivitäten aufgrund der öffentlichen Förderung sehr attraktiv sind. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass ein teilweiser Verkauf des 35-Prozent-Anteils an Siemens Energy vorerst nicht ansteht. Es sei die klare Absicht, den Anteil zu reduzieren, sagte Busch zwar: „Jedoch werden wir hinsichtlich des Timings und abhängig vom Marktumfeld eine umsichtige Entscheidung im Interesse unserer Aktionäre treffen.“ Das Management hatte mehrfach betont, dass der wahre Wert der Anteile über dem aktuellen Börsenkurs liege.

Auf die Frage sowohl in der Analysten- als auch in der Pressetelefonkonferenz, ob Siemens sich an Kapitalmaßnahmen bei der Tochter beteiligen oder bei einer Komplettübernahme von deren Tochter Gamesa engagieren könnte, sagte Busch: „Die Antwort ist: Nein.“

Poker geht zu Ende

Der Kaufpreis des Post- und Paketgeschäfts betrage 1,15 Mrd. Euro, teilte Siemens mit. Der Bereich, der sich der Automatisierung dieser Lo­gistikangebote widmet, erwirtschaftet mit 1200 Beschäftigten einen Um­satz von etwa 500 Mill. Euro jährlich.

Der Anteil von 50% an dem Joint Venture Valeo Siemens wechselt nach Angaben von Valeo für 277 Mill. Euro (schuldenfrei) den Besitzer. Damit geht ein Poker um das wachstumsstarke, aber defizitäre Unternehmen zu Ende (vgl. BZ vom 25.9.2021).