SIEMENS ZIEHT BILANZ

Siemens will das Wachstum beschleunigen

Umsatz soll stärker zulegen - Neues Aktienrückkaufprogramm - Konzern sieht Optionen bei Scheitern einer Fusion mit Alstom

Siemens will das Wachstum beschleunigen

Siemens beurteilt die weltweite Konjunkturlage zuversichtlich und peilt einen Umsatz- und Ergebnisanstieg im angelaufenen Geschäftsjahr an. Der Konzern kündigte auf der Jahrespressekonferenz an, Anteilsscheine im Wert von 3 Mrd. Euro zurückzukaufen. Die Siemens-Aktie beendete den Xetra-Handel als Tagesdritter im Dax.mic München – Siemens geht zuversichtlich in das angelaufene Geschäftsjahr, nachdem viele Unternehmen mit Gewinnwarnungen aufgefallen waren. “Wir erwarten ein weiterhin günstiges Marktumfeld mit begrenzten Risiken aus geopolitischen Unsicherheiten”, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas auf der Jahrespressekonferenz in München.Dies gelte insbesondere für die kurzzyklischen Geschäfte – diese sind für Siemens besonders profitabel. Der Auftragsbestand sei dort so hoch wie seit mindestens 15 Jahren nicht mehr, sagte Thomas. Auch im vierten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres sei die Nachfrage sehr stark gewesen. Er wiederholte, dass die Dynamik allerdings nachlasse. Als größtes Risiko im aktuellen Turnus bezeichnete Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser einen steilen Zinsanstieg (vgl. Bericht auf Seite 1). Operative Marge verhaltenSiemens erwartet, den Umsatz im Geschäftsjahr 2018/19 (30. September) moderat steigern zu können. Diese Formulierung steht für ein Erlösplus von bis 3 % bis 5 %, und zwar bereinigt um Währungsumrechnungs- und Portfolioeffekte. Damit soll die Dynamik zunehmen, denn im Vorjahr war ein nur leichtes Umsatzplus prognostiziert und ein Anstieg von 2 % erreicht worden. Der Rückenwind soll sich aus den Vorleistungen der fünf vergangenen Jahre speisen. In diesem Zeitraum stiegen die Investitionen um 47 % auf 3,2 Mrd. Euro, die Vertriebsaufwendungen um 22 % auf 10,4 Mrd. Euro und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung um 39 % auf 5,6 Mrd. Euro. Sie werden der Planung zufolge im laufenden Geschäftsjahr auf 5,7 Mrd. Euro zulegen, die Investitionen in Fertigung und Sachanlagen sollen deutlich steigen.Der erhöhte Umsatz soll Raum geben, die Ergebnismarge im industriellen Kerngeschäft zu steigern. Ausgehend von 11,3 % soll sie – wie auch im Vorjahr prognostiziert – zwischen 11 % und 12 % landen. Erneut rechnet Siemens die Kosten für Personalabbau heraus. Finanzvorstand Thomas begründete dies mit Transparenzüberlegungen. Das Ergebnis pro Aktie wird der Prognose zufolge zwischen 6,30 Euro und 7,00 Euro landen. Die Spanne wurde damit breiter gewählt als im Vorjahr, als sie nur 0,50 Euro betrug. Als Basiswert des Vorjahres gilt bei Siemens 6,01 Euro: Aus dem tatsächlichen Gewinn pro Aktie von 7,12 Euro wurden sowohl die Umbaukosten (0,76 Euro) als auch die Sondergewinne aus der Abgabe der Osram- und Atos-Anteile (1,87 Euro) herausgerechnet.Die Prognose basiert auf der Annahme, dass die Personalkosten um 3 % bis 4 % zulegen, die Preise um 2 % bis 3 % sinken (aber stabil sind bei kurzzyklischen Geschäften) und die Steuerrate zwischen 25 % und 31 % landet. Man könne auch von einem Aufwand für Personalabbau in Höhe von 300 bis 400 Mill. Euro ausgehen, wie dies einem normalen Geschäftsablauf entspreche, sagte Thomas. Kaeser detaillierte, kurzzyklische Geschäfte könnten in Wachstumsregionen verlegt werden. Zusätzlich könnten sich Effizienzmaßnahmen in einigen Supportfunktionen auswirken, die im Zuge der Neuaufstellung des Unternehmens (Vision 2020+) kämen, so Thomas.Siemens kündigte ein neues Aktienrückkaufprogramm an, nachdem in den vergangenen sechs Jahren dafür 10 Mrd. Euro ausgegeben wurden. Bis zum 15. November 2021 sollen bis zu 3 Mrd. Euro fließen. Rätseln über KursverlaufDass die Siemens-Aktie im vergangenen Geschäftsjahr um 7 % gesunken war, während der Dax nur um 5 % nachgegeben hatte, begründete Kaeser mit dem geringen Appetit der Anleger für die Infrastrukturgüter-Anbieter. “Die Kapitalgüterindustrie ist im Moment nicht gerade die Industrie, wo man sehr viel Nachfrage erzeugt”, sagte er. Die Konkurrenz habe jedoch teils deutlich schlechter abgeschnitten: “Insofern sind wir relativ zu den Wettbewerbern, die für uns am relevantesten sind, gar nicht so schlecht.” Die fünf Firmen, deren Aktienperformance auch für die Vergütung der Vorstände herangezogen werden, sind: General Electric, Mitsubishi Heavy Industries, ABB, Schneider und neuerdings der irische Industriekonzern Eaton. Am Donnerstag beendete Siemens den Xetra-Handel mit einem Plus von 0,8 % auf 103,52 Euro.Eine Erklärung, warum der Kurssprung der Siemens-Healthineers-Aktie seit der Erstnotiz um ein Drittel sich nicht in einen Kursanstieg für die Mutter umwandelt, hat Kaeser nicht: “Das kann ich Ihnen ehrlich gesagt nicht sagen.” Wenn er ein Investor wäre, würde er konkreter wissen wollen, wie die Vision 2020+ umgesetzt werden solle, sagte er. Auf diese Präzision habe man aber bisher verzichtet, weil die neue Art der Unternehmensführung dokumentiert werden solle dadurch, dass die Verantwortlichen der operativen Unternehmen dies selbst darlegten. Mitte nächsten Jahres ist daher ein Kapitalmarkttag geplant.Kaeser räumte ein, dass es Fragezeichen bei Mitarbeitern zur Vision 2020+ gebe, denn die Tragweite der Siemens-Weiterentwicklung werde immer deutlicher sichtbar: “Wir berühren die DNA des Unternehmens.” Der relative Anteil von Großprojekten werde mit der Zeit durch die Digitalisierung abnehmen, erläuterte er. Denn der Privatsektor werde viel stärker wachsen als der Sektor großer Stromkonzerne. Dies habe Auswirkungen auf die Vertriebskanäle.Kaeser erklärte, er gehe davon aus, die europäischen Wettbewerbsbehörden von dem Sinn eines Zusammenschlusses von Alstom mit der Bahntechniksparte von Siemens zu überzeugen. Kaeser wollte dies als Erneuerung des Angebots an die Europäische Kommission verstanden wissen, einen konstruktiven Dialog zu führen. Zugleich sei er gelassen, fügt er hinzu. Zwar sei der Zusammenschluss die beste Lösung. Zugleich aber gelte: “Wir haben Optionen.” Der Siemens-Vorstandsvorsitzende erklärte, die eigene Bahntechniksparte sei so stark wie noch nie. Sie sei die erfolgreichste vertikal integrierte “Mobility Company” der Welt. Im vergangenen Geschäftsjahr habe die operative Gewinnmarge mit 10 % sogar das vorgegebene Zielband übertroffen.