CEBIT - IM GESPRÄCH: JOACHIM SCHREINER

"Sind im Front-End, was SAP im Back-End ist"

Der Deutschlandchef von Salesforce über Gebäude mit Symbolkraft, den großen Aufschlag auf der Cebit und Jagd auf den Dax-Konzern

"Sind im Front-End, was SAP im Back-End ist"

Der US-Softwarekonzern Salesforce liebt den großen Auftritt. Auf der IT-Messe Cebit in Hannover hat sich der SAP-Rivale gleich zwei ganze Hallen gemietet, um die eigenen Ansprüche im Heimatmarkt des wichtigsten Wettbewerbers zu untermauern. Deutschlandchef Joachim Schreiner hat bereits die Umsatzmilliarde im Visier. In zehn Jahren will Salesforce größer sein als SAP.Von Stefan Paravicini, zzt. HannoverWenn es um Leuchtturmprojekte geht, kennt sich der US-Softwarekonzern Salesforce so gut aus wie kaum ein anderes Unternehmen der Branche. Während anders Technologiefirmen aus dem Silicon Valley häufig die Fläche suchen und ihre Firmensitze einem Campus ähnlich in die Landschaft bauen, will Salesforce-Gründer und CEO Marc Benioff in jeder Hinsicht hoch hinaus. Am Sitz in San Francisco hat sich der SAP-Rivale in den Transbay Terminal Tower eingemietet, der nach der Fertigstellung im nächsten Jahr die Bay Area überragen wird. Erst vor wenigen Tagen teilte das Unternehmen mit, dass es auch die Namensrechte am Metlife Building an der Park Avenue in New York erworben hat. Einen Salesforce Tower gibt es außerdem in London, wo der Konzern im ehemaligen Heron Tower sitzt. Kontorhaus ohne TurmJoachim Schreiner, der Deutschlandchef von Salesforce, zieht in München noch in diesem Jahr ebenfalls in ein größeres Gebäude um, hat allerdings nicht den Olympiaturm oder ein anderes symbolträchtiges Gebäude angemietet, sondern vergleichsweise bescheidene Räume im Kontorhaus. “In Deutschland haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir unseren lokalen Footprint nicht über ein Gebäude dokumentieren wollen”, sagt Schreiner im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das passe nicht so gut zur deutschen Mentalität. Außerdem sei Salesforce hierzulande dezentraler aufgestellt, so dass man gleich ein halbes Dutzend Türme anmieten müsste. Schließlich ist Schreiner überzeugt, “dass das Gebäude in Deutschland nicht so von Bedeutung ist, sondern die Ingenieurs- und Vertriebskultur im Vordergrund stehen”.Das heißt freilich nicht, dass Salesforce in Deutschland nur kleine Brötchen in kleinen Häusern backen will. Auf der in dieser Woche laufenden Branchenmesse Cebit hat sich das Unternehmen zwei Messehallen gemietet, um den eigenen Anspruch zu verdeutlichen. “Wir nehmen 1 Mrd. Euro in die Hand, um Salesforce Deutschland zu bauen”, sagt Schreiner zum Investitionsvolumen für die nächsten Jahre und betont, dass Salesforce Deutschland mehr sei als nur Salesforce in Deutschland. Der Cloud-Spezialist weiß, dass es gerade im deutschen Mittelstand immer noch Vorbehalte gegen IT-Leistungen aus dem Internet gibt, die von US-Konzernen angeboten werden. Denn auch wenn Marc Benioff hierzulande schon gut bekannt ist, an die Bekanntheit von Edward Snowden, der US-Technologiekonzerne mit seinen Enthüllungen über die Zusammenarbeit mit US-Nachrichtendiensten in Verruf gebracht hat, kommt er nicht heran.Um Missverständnisse zu vermeiden: Salesforce steht nicht im Verdacht, mit Geheimdiensten gemeinsame Sache zu machen. Wie andere US-Konzerne auch muss das Unternehmen potenziellen Kunden in Europa dennoch die Scheu nehmen und baut deshalb nicht nur eigene Rechenzentren in Deutschland, sondern bietet seine Dienste hierzulande auch in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom an.Mit Erfolg: Im vergangenen Jahr hat Salesforce in Europa, dem Nahen Osten und Nordafrika ein Wachstum von knapp einem Drittel hingelegt. Zahlen zu einzelnen Ländermärkten werden nicht genannt. Benioff hat aber angekündigt, in Deutschland ein Umsatzniveau von 1 Mrd. Dollar anzupeilen. Er hat außerdem schon in Aussicht gestellt, den Platzhirsch SAP weltweit als größten Anbieter von Firmensoftware ablösen zu wollen. In zehn, 20 oder 50 Jahren? “Ich weiß die Antwort, darf sie aber nicht mit Ihnen teilen”, sagt Schreiner.In der Tat schlägt Salesforce wie ein Uhrwerk seit Jahren ein Wachstumtempo oberhalb von 30 % an. Rechne man dieses Wachstum hoch, werde Salesforce, die gerade ihren 17 Geburtstag gefeiert hat und auf Platz 4 der größten Softwarekonzerne hinter Microsoft, Oracle und SAP steht, innerhalb der nächsten zehn Jahre am Konkurrenten aus Walldorf vorbeiziehen. Die Milliarde in Deutschland dürfte Salesforce deutlich früher schaffen. “Ich bin mir sicher, dass ich das erleben werde, bevor ich vielleicht in vier, fünf Jahren in Rente gehe.” Fanta 4 und viele BäumeDer große Aufschlag an der Cebit soll diese Ziel noch einmal näher bringen. “Wir haben in unserem Markt einen sehr guten Bekanntheitsgrad, aber es ist noch nicht so wie in San Francisco”, räumt Schreiner ein. Während das Geschäft mit den Top 100 am stärksten zulege, habe Salesforce vor allem im Mittelstand großes Potenzial mit ihrem Angebot, das mittlerweile weit über das Kerngeschäft mit Software zur Automatisierung des Vertriebs und zum Management der Kundenbeziehung hinausgeht. “Wir sind im Front-End, was SAP im Back-End ist”, bringt Schreiner die Positionierung auf den Punkt.Was man alles machen kann, sollen an der Cebit Kunden wie ABB, Commerzbank, Sixt oder Flixbus zeigen. Aber auch Start-ups wie Financefox sind mit dabei. Ebenso die Hip-Hop-Formation “Die Fantastischen Vier”, allerdings nicht als Kundentestimonial. Die “Fanta 4” spielen heute Abend vor geladenem Publikum ein Konzert für Salesforce, pfeifen die Spatzen an der Cebit von den Dächern, auch wenn es dafür keine offizielle Bestätigung gibt.Noch eine Besonderheit am Auftritt von Salesforce in Hannover: Am ersten Messetag blieben die beiden Hallen geschlossen, um Aufmerksamkeit für gemeinnützige Projekte wie “Plant-for-the-planet” zu schaffen, die vom Unternehmen unterstützt werden. Messebesucher können sich an allen Tagen an der Aktion beteiligen, bei der es um das Pflanzen von Bäumen geht. Salesforce ist sich derweil sicher, dass für den Konzern auch in Deutschland nicht nur die Bäume in den Himmel wachsen. Es muss ja nicht gleich so hoch wie ein Wolkenkratzer sein.